Potentieller neuer Risikofaktor für Demenz aus der Augenheilkunde

Eine aktuelle Studie deutet auf einen Zusammenhang zwischen Sehkraftverlust bei älteren Menschen und Demenz hin. Was ist an dem kontrovers diskutierten Thema dran?

Retinale Nervenfaserschichtdicke und Morbus Alzheimer

Das menschliche Auge bietet somit die Möglichkeit über verschiedene Biomarker Frühdiagnostik für neurodegenerative Erkrankungen zu betreiben. So verwundert es nicht, dass in den letzten Jahren immer mehr wissenschaftliche Studien publiziert wurden, die auf einen neurodegenerativen Zusammenhang zwischen Demenz und dem Sehapparat hinweisen.1,2 Bis zur Anwendung ophthalmologischer Biomarker für neurodegenerative Erkrankungen im klinischen Alltag ist es dennoch ein weiter Weg, da es weiterhin Unstimmigkeiten auf diesem Gebiet gibt.

Veränderungen der Dicke der retinalen Nervenfaserschicht können auf einen frühen Beginn der Alzheimer-Krankheit hindeuten.1 Die Verwendung der optischen Kohärenztomographie (OCT) könnte sich daher als frühdiagnostisches Tool anbieten und wurde bereits als potenzieller Biomarker für die Alzheimer-Krankheit vorgeschlagen. Aktuell streiten sich jedoch noch die wissenschaftlichen Geister über diese Thematik, da es je nach Studie kontroverse Ergebnisse hierzu gibt.4

Optische Kohärenztomographie-Angiographie bei neurodegenerativen Erkrankungen

Neben der Messung der retinalen Nervenfaserschichtdicke kann auch die optische Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A) als nicht-invasive Bildgebungsmethode Hinweise auf mikrovaskuläre Schäden bei neurodegenerativen Erkrankungen geben. Die Mikrozirkulation der Netzhaut und des Gehirns ist sich in vielen Gesichtspunkten ähnlich. Eine Forschungsgruppe aus Italien hat sich neben dem Morbus Alzheimer auch mit den mikrovaskulären Befunden der Augen bei Morbus Parkinson und Multipler Sklerose im Rahmen einer Literaturrecherche befasst. Dieser Recherche zufolge gibt es zahlreiche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen neurodegenerativen Erkrankungen des Auges wie z. B. dem Glaukom und Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie z. B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und Multipler Sklerose. All die erwähnten Erkrankungen sind durch eine Beeinträchtigung der retinalen Mikrogefäße gekennzeichnet.3

Sekundäranalyse der NHATS liefert neuen ophthalmologischen Risikofaktor für Demenz

In der erst kürzlich publizierten Sekundäranalyse der National Health and Aging Trends Study (NHATS) wurde ein potentieller Zusammenhang zwischen Demenzerkrankungen und dem Verlust der Sehkraft bei Menschen über 71 Jahren untersucht. Die Sekundäranalyse der NHATS umfasste insgesamt 3.817 Personen. Mittels NHATS Tablet-gestützter Tests wurde die Fern- und Nahsehschärfe sowie der Kontrastempfindlichkeit (CS) mit gewohnheitsmäßiger Korrektur erfasst. Kognitive Beeinträchtigungen bei Demenz wurden mit dem AD8 Dementia Screening Interview Score beurteilt. Eine Sehschwäche von mehr als 0,30 logMAR für die Ferne und Nähe konnte mit einer höheren Demenzprävalenz in Verbindung gebracht werden. Neben neurodegenerativen Veränderungen könnte auch ein fehlender sensorischer Input für das Gehirn bei Sehschwäche eine Rolle für diese Beobachtung sein. Da viele Sehbehinderungen vermeidbar sind, wäre hier das Ziel das Sehvermögen dieser Patienten zu optimieren.2

Die 12 Risikofaktoren für Demenz

Der Sehkraftverlust zählt bisher noch nicht zu den 12 Risikofaktoren, über deren Beeinflussung die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten und die Zunahme der Demenz (bei immerhin bis zu 40 % der Demenzfälle trifft dies zu) deutlich reduziert werden kann. Dies könnte sich dank dieser Studiendaten in naher Zukunft ändern. Zu den 12 Risikofaktoren für Demenz zählen:

Referenzen:
  1. Liu D. et al. (2015). Thinner changes of the retinal nerve fiber layer in patients with mild cognitive impairment and Alzheimer's disease. BMC Neurol. 2015 Feb 21;15:14. 
  2. Killeen OJ. et al. (2023). Objectively Measured Visual Impairment and Dementia Prevalence in Older Adults in the US. JAMA Ophthalmol. 2023 Jul 13:e232854. 
  3. Pellegrini M. et al. (2020). Optical Coherence Tomography Angiography in Neurodegenerative Disorders. J Clin Med. 2020 Jun 2;9(6):1706. 
  4. Killeen OJ. et al. (2023). Objectively Measured Visual Impairment and Dementia Prevalence in Older Adults in the US. JAMA Ophthalmol. 2023 Jul 13:e232854. 
  5. Sánchez D. et al. (2018). Usefulness of peripapillary nerve fiber layer thickness assessed by optical coherence tomography as a biomarker for Alzheimer's disease. Sci Rep. 2018 Nov 5;8(1):16345.
  6. https://alzheimer.ca/en/about-dementia/how-can-i-prevent-dementia/risk-factors-dementia