Retinoid-Verbindungen bei adulten Mäusen mit Netzhauterkrankungen

Im Mausmodell mit Netzhautdegeneration konnte durch den Einsatz von Retinoid-Verbindungen eine signifikante Wiederherstellung des Sehvermögens der betroffenen adulten Mäuse erreicht werden. Lassen sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen?

Erholung zentraler visueller Systeme im LCA-Mausmodell

Hoffnung für diese Erkrankung gibt es dank einer Forschungsgruppe aus den USA. Erst vor Kurzem – genauer gesagt am 16.09.2022 – hat diese Forschungsgruppe ihre experimentellen Ergebnisse zum Einsatz von Retinoid-Verbindungen zur Behandlung retinaler Erkrankungen veröffentlicht. Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht vielversprechend. So konnte die Netzhauterkrankung im Mausmodell sogar im Erwachsenenalter therapiert werden.

In letzter Zeit wurden zelluläre und molekulare Strategien zur Wiederherstellung des Sehvermögens bei Netzhauterkrankungen entwickelt. Unklar ist, ob diese Methoden auch bei Netzhautdefekten im Erwachsenenalter angewandt werden können. Bisher konnte nicht geklärt werden, inwieweit eine Erholung zentraler visueller Schaltkreise im Erwachsenenalter möglich ist. Die Forschungsgruppe aus den USA ist diesen Fragen in einem Lrat-/- Mausmodell nachgegangen. In den adulten Mäusen mit Leber´scher kongenitaler Amaurose konnte die Lichtempfindlichkeit der Netzhaut, sowie die optomotorischen Reaktionen durch die Verabreichung von 9-cis-Retinylacetat teilweise wiederhergestellt werden (siehe Abbildung 1). 


Abbildung 1:
Die Verabreichung von 9-cis-Retinylacetat hat bei adulten Mäusen mit LCA zur teilweisen Erholung der retinalen Lichtempfindlichkeit und der optomotorischen Reaktionen geführt. Im primären visuellen Kortex konnte eine Zunahme der Anzahl und der Reaktionsamplitude der visuell reagierenden Neuronen mittels 2-Photonen-Kalzium-Bildgebung nachgewiesen werden.1

Die Lrat-/- Maus stellt sich vor

Die Lrat-/- Maus ist ein etabliertes Modell einer Erblindungskrankheit im Kindesalter. Lrat-/- (Maus) steht hierbei für Lecithin:Retinol-Acyltransferase-Knockout-Maus (Lrat-/-). Sie dient der Bestimmung des Ausmaßes der Erholung des zentralen Sehkreislaufs nach akuter Rettung der retinalen Lichtempfindlichkeit. Die Stoffwechselblockade im Sehzyklus der Lrat-/- Maus ähnelt der Leber´schen kongenitalen Amaurose (LCA) Typ 1422. Diese Stoffwechselblockade kann jedoch im Mausmodell auf pharmakologischem Weg durch die Gabe des Retinoids 9-cis-Retinylacetat umgangen werden. Dieses spezielle Retinoid wird aktuell als Ersatz für ein visuelles Chromophor klinisch untersucht. Im Mausmodell konnte die Forschungsgruppe eine Anreicherung von 9-cis-Retinal im Auge nach mehrmaliger intraperitonealer Verabreichung von 9-cis-Retinylacetat messen.

Das zentrale visuelle System ist selbst im Erwachsenenalter hochplastisch

Im Mausmodell war die Retinoid-Behandlung von Erfolg gekrönt. Die Retinoid-Gabe verstärkte die Reaktionen des ipsilateralen Auges. Auch konnte das normale Gleichgewicht der augenspezifischen Reaktionen in V1 wiederhergestellt werden. Ein weiterer Pluspunkt dieser vielversprechenden Behandlung war die Regeneration der Modulation kortikaler Antworten durch Erregung. Diese Ergebnisse lassen eine Sache ganz deutlich vermuten: Das zentrale visuelle System ist selbst im Erwachsenenalter hochplastisch. Die Verabreichung von Retinoiden bei Erwachsenen mit Netzhauterkrankungen besitzt daher ein außerordentliches therapeutisches Potenzial.1

Quellen:

1. Huh C. Y. L. et al. (2022). Retinoid therapy restores eye-specific cortical responses in adult mice with retinal degeneration. Curr Biol. 2022 Sep 16:S0960-9822(22)01449-X.