Steigende Myopieprävalenz bei Kindern während der Pandemie

Schätzungen zufolge wird die globale Zahl myoper Patientinnen und Patienten im Jahr 2050 bei 5 Milliarden liegen. Aktuell besteht in der Forschungswelt eine Kontroverse darüber, ob Aktivitäten am Computerbildschirm oder am Mobiltelefon mit einer erhöhten Myopieprävalenz vergesellschaftet sind.

Schätzungen zufolge wird die globale Zahl myoper Patientinnen und Patienten im Jahr 2050 bei 5 Milliarden liegen. Aktuell besteht in der Forschungswelt eine Kontroverse darüber, ob Aktivitäten am Computerbildschirm oder am Mobiltelefon mit einer erhöhten Myopieprävalenz vergesellschaftet sind.

Eine Zunahme myoper Patientinnen und Patienten könnte mit der digitalen Alltagsgestaltung unserer modernen Welt zusammenhängen.1 Es ist kein Geheimnis, dass die digitale Bildschirmzeit positiv mit der Myopieprävalenz bei Kindern korrelieren kann. Die Augen von im Wachstum befindlicher junger Menschen sind besonders anfällig gegenüber diesem Risikofaktor für die Myopieentwicklung. Durch die Pandemie hat die Bildschirmzeit bei Kindern und Jugendlichen durch Lockdown-Maßnahmen wie z.B. das Homeschooling zugenommen. Der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur zufolge sind in über 130 Ländern dieser Welt rund 1,37 Milliarden Schülerinnen und Schüler von diesen Lockdown-Maßnahmen betroffen.2 Auch die Freizeitaktivitäten im Freien sind auf ein Minimum reduziert worden, sodass die vom Lockdown betroffenen Kinder und Jugendliche den Großteil ihrer Freizeit vor dem Bildschirm des Smartphones, des Fernsehers oder des Computers verbringen.

Der wichtigste Risikofaktor für die Myopieentwicklung ist und bleibt das Lesen

Seit Jahren warnen ForscherInnen vor dem Einfluss der Bildschirmarbeit bzw. des Handykonsums auf das Augenwachstum kindlicher und jugendlicher Augen. Die Generation R ist eine große Kohortenstudie, die bei insgesamt 5.074 Kindern aus Rotterdam den Zusammenhang zwischen einer erhöhten Computerbenutzung und dem Auftreten von Myopie im Alter von 9 Jahren untersucht hat. Die Kombination aus Aktivitäten im Nahbereich wie das Lesen von Büchern oder Tätigkeiten am Computerbildschirm ging mit einer erhöhten Myopieprävalenz bei 9-jährigen Kindern einher.3-5 In einer weiteren Studie zeigte sich bei 418 Schülerinnen und Schülern eine unabhängige Assoziation zwischen der Bildschirmzeit am Smartphone und dem Auftreten von Myopie.6 Zu etwas anderen Ergebnissen kam eine Metaanalyse von 12 Kohortenstudien und 15 Querschnittstudien mit einer TeilnehmerInnenzahl von 20.025 Kindern.  Hier kristallisierte sich folgendes heraus: Einzig und allein das Lesen und nicht etwa das Fernsehschauen und das Spielen von Computerspielen ging mit einer erhöhten Myopieprävalenz bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren einher.7

Welche Optionen haben wir bei der Myopieprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen

Einer Metaanalyse aus dem Jahr 2017 zufolge war die Ausübung von Freizeitaktivitäten im Freien mit einer Reduktion der Myopieinzidenz und Myopieprävalenz assoziiert. Untersucht wurde die Myopieprophylaxe an myopen und nicht myopen Augen von Kindern und Jugendlichen. Die vorhin erwähnte Maßnahme konnte -verglichen mit der Kontrollgruppe- nach 3 Jahren den myopen Shift um 0,3 Dioptrien reduzieren.8 Die Studie der Forschungsgruppe um He bekräftigt diese Forschungsergebnisse. He et al. konnten zeigen, dass die zusätzliche tägliche Ausübung von Freizeitaktivitäten im Freien mit einer Dauer von 40 Minuten mit einer Reduktion der Myopieinzidenz bei Kindern und Jugendlichen von 23% vergesellschaftet ist.9 Die Forschungsgruppe um Wu fand heraus, dass das Risiko für eine Myopieprogression bei myopen und nicht myopen Kindern um 54% reduziert werden konnte durch eine einfache wöchentliche Maßnahme: Die Kinder verbrachten pro Woche 11 Stunden Aktivitäten im Freien. Wu et al. konnten eine Reduktion des myopen Shifts um 0,23 Dioptrien bei myopen Kindern und Jugendlichen beobachten, die diese Maßnahme konsequent einhielten. Verglichen wurde das Ganze mit einer Kontrollgruppe myoper Kinder und Jugendlicher, die diese Myopieprophylaxe nicht anwandten.10,11

Digitales Detox für Kinder und Jugendliche könnte die Myopieprävalenz zukünftig reduzieren

Der öffentliche Gesundheitssektor empfiehlt 2 Stunden an Freizeitaktivitäten im Freien pro Tag für Kinder und Jugendliche.12 Die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation befürworten die Bildschirmzeit bei Kindern im Alter von 1-5 Jahren unter 1 Stunde zu halten.13 Digitales Detox bei Kindern und Jugendlichen ist ein Kernelement in der Myopieprophylaxe für diese vulnerable Altersgruppe. Die Feinsteuerung des Wachstums der Augenlänge erfolgt auf visueller Ebene. Das Freizeitverhalten der Kinder und Jugendlichen sollte daher wie folgt aussehen: Tätigkeiten bei kurzer Sehentfernung sollten reduziert und Freizeitaktivitäten mit Tageslichtexposition erhöht werden.

Referenzen:
1. Dolgin E. (2015). The myopia boom. Nature. 2015; 519: 276-278.
2. Bullimore M.A. et al. (2013). The risk of microbial keratitis with overnight corneal reshaping lenses. Optom Vis Sci. 2013;90:937–944.
3. Ohno-Matsui K. et al. (2015). International photographic classification and grading system for myopic maculopathy. Am J Ophthalmol. 2015; 159: 877-883.e7.
4. Chang L. et al. (2013). Myopia-related fundus changes in Singapore adults with high myopia. Am J Ophthalmol. 2013; 155: 991-999.e1.
5. Enthoven C.A. et al. (2020). The impact of computer use on myopia development in childhood: The Generation R study. Prev Med. 2020; 132: 105988.
6. McCrann S. et al. (2020). Smartphone use as a possible risk factor for myopia. (Clin Exp Optom)
7. Huang H.M. et al. (2015). The association between near work activities and myopia in children-a systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2015;10:e0140419. 
8. Xiong S. et al. (2017). Time spent in outdoor activities in relation to myopia prevention and control: a meta-analysis and systematic review. Acta Ophthalmol. 2017;95:551–566. 
9. He M. et al. (2015). Effect of time spent outdoors at school on the development of myopia among children in China: a randomized clinical trial. JAMA. 2015;314:1142–1148. 
10. Wu P.C. et al. (2018). Myopia prevention and outdoor light intensity in a school-based cluster randomized trial. Ophthalmology. 2018;125:1239–1250. 
11. Wong C. W. et al. (2020). Digital Screen Time During the COVID-19 Pandemic: Risk for a Further Myopia Boom? Am J Ophthalmol. 2020 Jul 30;223:333-337.
12. 
Ngo C.S., Pan C.W., Finkelstein E.A. A cluster randomised controlled trial evaluating an incentive-based outdoor physical activity programme to increase outdoor time and prevent myopia in children. Ophthalmic Physiol Opt. 2014;34:362–368.