Testmethoden zur Unterscheidung von ischämischem und nicht-ischämischem venösen retinalen Verschluss

Besonders relevant in der Akutphase: Funktionelle und morphologischen Tests zur Unterscheidung eines ischämischen und nicht-ischämischen Zentralvenenverschlusses.

Im Beitrag von letzter Woche haben wir die Ursachen für eine Rubeosis iridis und ein Neovaskularisationsglaukom näher kennengelernt. Heute setzen wir uns mit den funktionellen und morphologischen Tests zur Unterscheidung eines ischämischen und nicht-ischämischen Zentralvenenverschluss in der Akutphase auseinander.

Zu den funktionellen Testmethoden gehören die Bestimmung des bestkorrigierten Visus, die Goldmann-Perimetrie, das Elektroretinogramm (b-Wellen-Amplitude) und der relative afferente Pupillendefekt. 

Die Prüfung des relativen afferenten Pupillendefekts bei retinaler Ischämie

Die Prüfung des relativen afferenten Pupillendefekts stellt die wohl einfachste Differenzierungsmethode zur Unterscheidung zwischen ischämisch vs. nicht-ischämisch dar. Die Voraussetzung für ein aussagekräftiges Ergebnis sind das Vorhandensein eines gesunden Partnerauges sowie die Unversehrtheit der Pupillen. Für diese funktionelle Testmethode konnte die Forschungsgruppe um Hayreh S. S. bei einem vorliegenden Unterschied von ≥ 0,9 log. Einheiten eine Sensitivität von 80% und Spezifität von fast 100% bestimmen.1

Perimetrie bei retinaler Ischämie

Für die Unterscheidung zwischen einem ischämischen und nicht-ischämischen venösen Verschluss liegt besonderer Fokus auf der Beurteilung möglicher peripherer Gesichtsfeldausfälle. Eine retinale Ischämie ist mit perimetrischen Ausfällen der Peripherie assoziiert. Liegt ein perimetrischer Defekt der Prüfmarke V, der Lichtstärke 4 und der Transmission e vor, so geht dieser mit einer Sensitivität und Spezifität von 100% für das Vorliegen einer retinalen Ischämie einher.1

Elektroretinogramm bei retinaler Ischämie

Eine retinale Ischämie kann mit einem Funktionsverlust der inneren Retinaschichten einhergehen und kann mittels Elektroretinogramm (ERG) untersucht werden. Beim ischämischen Auge lässt sich eine reduzierte a- und b-Wellen-Amplitude darstellen. In einer Graphik des EXPERIMENTAL EYE RESEARCH INSTITUTE der Ruhr-Universität Bochum ist dies schön dargestellt.2 Mittels ERG kann eine Differenzierung zwischen den verschiedenen venösen Verschlusstypen erfolgen. Die Sensitivität und die Spezifität dieser Untersuchungsmethode (b-Wellen-Amplitude als essentieller Parameter) liegt bei c.a. 80%. Auch spielt das Verhältnis von a- zur b-Welle eine wichtige Rolle bei der Unterscheidung zwischen ischämisch und nicht-ischämisch.1

Zu den morphologischen Tests gehören die Ophthalmoskopie und die Fluoreszenzangiographie, wobei die Aussagekraft dieser Testmethoden begrenzt ist.

Die kombinierte Information aus den funktionellen Tests kann im frühen Akutstadium helfen, den ischämischen von dem nicht-ischämischen retinalen Venenverschluss zu unterscheiden. Doch nicht jedes Auge, welches einen ischämischen retinalen Venenverschluss erlitten hat, entwickelt auch ein Neovaskularisationsglaukom. Das kumulative Risiko liegt maximal bei 45% und ist in den ersten 7-8 Monaten am höchsten. Rund 20% der Zentralvenenverschlüsse sind ischämisch, was wiederum bedeutet, dass das Risiko für ein Neovaskularisationsglaukom nach ZVV bei 9-10% liegt.1

Wie sieht das beim Hemi-ZVV aus? Wie hoch ist hier das Risiko, ein Neovaskularisationsglaukom zu entwickeln?

Der Hemi-ZVV wird unterteilt in den ischämischen und nicht-ischämischen Hemi-ZVV. Das Risiko, ein Neovaskularisationsglaukom zu entwickeln, liegt für den ischämischen Hemi-ZVV bei 3%.

Von einem alleinigen Venenastverschluss geht kein Risiko für die Entwicklung eines Neovaskularisationsglaukoms aus, da mindestens die Hälfte der Retina hierfür ischämisch sein muss.1

Geht ein Zentralarterienverschluss mit der Entwicklung eines Neovaskularisationsglaukoms einher?

Die Forschungsgruppe um Hayreh S. S. hat insgesamt 248 Augen mit einem Zentralarterienverschluss untersucht und fand hier kein erhöhtes Risiko durch einen alleinigen ZAV. Die Voraussetzung für die Entstehung von Neovaskularisationen ist die Produktion von VEGF und FGF. Dies ist der Fall beim ischämischen ZVV und bei retinaler Ischämie i.R. der diabetischen Retinopathie, jedoch nicht bei nekrotischem retinalen Gewebe nach ZAV. Ein alleiniger ZAV ist nicht mit der Entstehung von Neovaskularisationen vergesellschaftet.1

Anders sieht es jedoch aus bei Vorliegen eines okulären Ischämiesyndroms. Dieses kann zu einem ZAV führen und ist mit einem hohen Risiko für die Entstehung eines Neovaskularisationsglaukoms assoziiert. Das okuläre Ischämiesyndrom kann zu einem erhöhten Augendruck durch ein Neovaskularisationsglaukom führen. Bei gleichzeitig erniedrigten Perfusionsdruck der Zentralarterie des Auges kann ein sekundärer ZAV resultieren. Erschwerend wirkt sich in diesem Szenario eine nächtliche arterielle Hypotonie aus, welche das Risiko für einen sekundären ZAV ebenfalls erhöht.1

Spannend geht es das nächstes Mal weiter: Dann liegt unser Fokus auf dem okulären Ischämiesyndrom sowie auf weiteren, eher seltenen für die Entstehung eines Neovaskularisationsglaukoms prädisponierenden Erkrankungen.

Referenzen:
1. Hayreh S. S. et al. (2007). NEOVASCULAR GLAUCOMA. Prog Retin Eye Res. 2007 Sep; 26(5): 470–485
2. http://www.ruhr-uni-bochum.de/