Wichtige Biomarker in der Glaukomdiagnostik myoper Augen

Die Glaukomdiagnostik bei Myopie lässt uns einfach nicht los. Bereits seit 2 Blog-Artikel sonnt sich diese Thematik im wissenschaftlichen Rampenlicht. Wir haben bereits einige anatomische Besonderheiten der hohen Myopie kennengelernt. Noch immer versuchen wir die Frage zu klären, welche Kriterien bei der Glaukomdiagnostik bei Myopie von Relevanz sind und wie wir spezifisch und sensitiv ein Glaukom bei Myopie rechtzeitig erkennen können. Im heutigen Beitrag gehen wir dieser Frage auf den Grund.

Das Glaukom als primäre Optikusneuropathie

Die Glaukomdiagnostik bei Myopie lässt uns einfach nicht los. Bereits seit 2 Blog-Artikel sonnt sich diese Thematik im wissenschaftlichen Rampenlicht. Wir haben bereits einige anatomische Besonderheiten der hohen Myopie kennengelernt. Noch immer versuchen wir die Frage zu klären, welche Kriterien bei der Glaukomdiagnostik bei Myopie von Relevanz sind und wie wir spezifisch und sensitiv ein Glaukom bei Myopie rechtzeitig erkennen können. Im heutigen Beitrag gehen wir dieser Frage auf den Grund. 

Pathogenetisch relevant für die Entstehung einer glaukomatösen Optikusneuropathie sind u. a. Faktoren, die die Durchblutung des Sehnervens negativ beeinflussen können. Zu solchen Faktoren gehört ein Augeninnendruck, der höher als der hydrostatische Druck innerhalb der Blutgefäße des Sehnervens ist (Augenperfusiondruck (APD)/ okulärer Perfusionsdruck (OPP) ist reduziert), eine nächtliche Hypotonie (diastolischer Wert unter 90mmHg laut der Thessaloniki-Studie), sowie eine dünne Lamina cribrosa, eine dünne Hornhaut und das Vorliegen einer systemischen Gefäßerkrankung. Dr. med. Dr. phil. Ronald D. Gerste betitelte bereits im Jahr 2008 das Glaukom als eine vaskuläre Neuropathie.1,2 Die zuvor genannten Punkte sind jedoch auch bei einer myopen Optikusneuropathie von Bedeutung. Wie unterscheiden wir sicher zwischen einem Normaldruckglaukom bei Myopie und einer myopen Optikusneuropathie?

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage bin ich auf die Publikation von Kyoko Ohno-Matsui mit dem Titel "Pathologic Myopia" aus dem Jahr 2016 gestoßen. Im Rahmen einer pathologischen Myopie kann es zu einer Sehminderung durch eine myope Makulopathie, eine myope Traktionsmyopathie oder durch eine myope Optikusneuropathie -oder einem Glaukom- kommen. Die Forschungsgruppe hat in ihrem Artikel nicht eindeutig zwischen einer myopen Optikusschädigung und einer glaukomatösen Optikusschädigung unterschieden. Dennoch liefert uns das vorliegende Paper interessante Informationen.3

Die Rolle der pathologischen Myopie bei der Glaukomdiagnostik

Bei Vorliegen eines posterioren Staphyloms wirken bestimmte mechanische Kräfte auf die Makula und den Sehnerven ein, die in den zuletzt genannten Krankheitsbildern resultieren können. Auf diese Weise kommt es zu einer Distorsion der papillären und peripapillären Region des Auges. Das Resultat können strukturelle Abnormalitäten sein. Nahe der Papille lassen sich in einigen Fällen im OCT grubenhafte Spalten nachweisen, die sich am äußeren Rand der Papille oder innerhalb der angrenzenden Sklera befinden können. Eine Diskontinuität der Ganglienzellschicht über genau diesen Spalten kann zu perimetrischen Defekten führen. Pits innerhalb des Konus der Papille können ebenso pathogenetisch relevant für Defekte des papillomakulären Nervenfaserbündels in hochmyopen Augen sein. Bei pathologischer Myopie kann es sehr schwierig sein, die perimetrische Untersuchungsergebnisse korrekt zu deuten. Die Forschungsgruppe hat in ihrer Publikation nicht eindeutig zwischen einer myopen Optikusneuropathie und einer glaukomatösen Schädigung des Optikus unterschieden. Daraufhin zog ich eine weitere Studie zur Beantwortung dieser Frage zur Hilfe hinzu.3

Erschwerte vaskuläre Sehnervenkopfversorgung durch eine erhöhte Axiallänge

Die erst kürzlich publizierte Studie von Jonas et al. hat sich mit der glaukomatösen Optikusneuropathie (GON) bei hoher Myopia auseinandergesetzt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Prävalenz für eine GON ab einer Axiallänge von 26,5 mm oder einem myopen refraktiven Fehler von mehr als 8 Dioptrien signifikant gegenüber emmetropen Augen erhöht war. Ab einer Axiallänge von 33 mm lag sogar in bis zu 80% der Fälle eine GON vor. Gleichzeitig lag eine Assoziation mit einem vergrößerten Sehnervenkopf oder einer vergrößerten peripapillärem Delta-Zone vor. Histologisch ließ sich eine Ausdünnung und Dehnung der Lamina cribrosa nachweisen. Damit verlängert sich auch der Abstand zwischen dem peripapillären Zinn-Haller-Gefäßkranzes zur Lamina cribrosa. Dieser arterielle Gefäßplexus ist essentiell an der Versorgung des Sehnervenkopfs beteiligt. Rufen wir uns nochmal kurz die vaskuläre Versorgung des Sehnervenkopfs ins Gedächtnis. Die arterielle Gefäßversorgung des Sehnervens erfolgt auf folgende Weise: Die A. centralis retinae gibt auf ihrem Weg zur Retina -durch den Sehnerven hindurch- mehrere kleine Äste ab. Sie ist der erste Ast der A. ophthalmica. Auch die A. ciliaris posterior versorgt den Sehnerven durch ihre Gefäßäste. Kommen wir nun endlich zum Haller-Zinn-Gefäßkranz, dessen Aufgabe die Versorgung des Sehnervenkopfes ist. Der Haller-Zinn-Gefäßkranz entsteht durch Anastomosen der Gefäßäste der A. centralis retinae und der Aa. ciliares posteriores breves.4

Was es mit der Beta- und Gamma-Zone auf sich hat

Ein nicht-glaukomatöser Sehnervenschaden kann in der papillomakulären Region durch eine Gamma-Zonen-assoziierte parapapilläre Dehnung der retinalen Nervenfasern bedingt sein. Die Forschungsgruppe um Jost Jonas hat in einer histomorphometrischen Studie an insgesamt 65 menschlichen Augen die parapapilläre Atrophie untersucht. Die Axiallänge der untersuchten Augen lag zwischen 21 bis 37 mm. Ausgemessen wurden die Beta- und die Gamma-Zone. Die Gamma-Zone wurde in dieser Studie als derjenige Bereich definiert, der sich zwischen dem Ende der Bruch-Membran und dem Rand des Sehnervenkopfs befand. Die Beta-Zone umfasst den Bereich zwischen dem Ende der Bruch-Membran und dem retinalen Pigmentepithel. Im Vergleich zu der gesunden Kontrollgruppe zeigte sich bei GlaukompatientInnen eine signifikant verbreiterte Beta-Zone. Im Hinblick auf die Axiallänge zeigte sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang zur Beta-Zone. Die Gamma-Zone hingegen war signifikant mit der Axiallänge assoziiert. Ab einer Axiallänge von 26,5 mm zeigte sich hier auch eine Zunahme der Gamma-Zone. Diese Zone war nicht signifikant mit einer glaukomatösen Optikusschädigung assoziiert.5

Die verbreiterte der Beta-Zone als wichtiger Biomarker

Eine verbreiterte Beta-Zone kommt häufig bei Glaukompatient*innen vor. Lediglich bei 15-20% der gesunden Augen ist diese Beta-Zone anzutreffen. Die parapilläre Atrophie stellt damit einen wichtigen und spezifischen Parameter in der Glaukomdiagnostik dar und kann uns im klinischen Alltag dabei unterstützen ein Glaukom bei Myopie rechtzeitig zu erkennen.5,6,7

LC-Defekte als wichtiger Biomarker

Liegen zudem noch Defekte der Lamina cribrosa (LC) vor, so wird das Vorliegen eines Glaukoms bei Myopie wahrscheinlicher. Die Forschungsgruppe um Jong Chul Han konnte beobachten, dass bei fast 66% der myopen Augen mit Glaukom solche LC-Defekte vorlagen. Bei den myopen Augen ohne Glaukom war dies bei lediglich 28% der Fall gewesen. Das Vorliegen von LC-Defekten (disinsertion type) stellt einen wichtigen Biomarker für das Glaukom bei Myopie dar. 8

Im kommenden Beitrag erfahren wir, welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf die Myopieprävalenz bei Kindern und Jugendlichen hat.

Referenzen:
1. Gerste R. D. (2008). Glaukom: Eine vaskuläre Neuropathie. Dtsch Arztebl 2008; 105(11): A-562 / B-500 / C-489.
2. Topouzis F. et al. (2013). Association of open-angle glaucoma with perfusion pressure status in the Thessaloniki Eye Study. Am J Ophthalmol. 2013 May;155(5):843-51.
3. Ohno-Matsui K. et al. (2018). Pathologic Myopia. Annals of Eye Science. Vol. 3, No. 2.
4. Jonas J. B. et al. (2020). High Myopia and Glaucoma-Like Optic Neuropathy. Asia Pac J Ophthalmol (Phila). 2020;9(3):234-238.
5. Jonas J. B. et al. (2012). Parapapillary Atrophy: Histological Gamma Zone and Delta Zone. Plos One.
6. Ziemssen F. et al. (2017). Sekundärerkrankungen bei hoher Myopie. Ophthalmologe 2017 · 114:30–43.
7. Jonas J. B. et al. (2009). The Beijing Eye Study. Acta Ophthalmol. 2009 May;87(3):247-61. 
8. Han J. C. et al (2016) The characteristics of lamina cribrosa defects in myopic eyes with and without open-angle glaucoma. Invest Ophthalmol Vis Sci 57:486–494.