Belegarzt: Qualität durch Behandlungskontinuität

Bundesweit sind rund 4.600 Belegärztinnen und -ärzte tätig – deutlich weniger als noch vor zehn Jahren. Dies könnte sich jedoch wieder ändern. Die Bund-Länder-Kommission zur sektorenübergreifenden Versorgung habe den Belegarzt "wiederentdeckt", sagt Dr. Schneider.

Bundesweit sind rund 4.600 Belegärztinnen und -ärzte tätig [KBV 2018] – deutlich weniger als noch vor zehn Jahren. Dies könnte sich jedoch wieder ändern. Die Bund-Länder-Kommission zur sektorenübergreifenden Versorgung habe den Belegarzt "wiederentdeckt", sagt Dr. Andreas W. Schneider, Facharzt für Urologie und Vorsitzender des Bundesverbands für Belegärzte (BdB). Seit 1992/93 arbeitet er als kooperativer Belegarzt in Niedersachsen im Landkreis Harburg zunächst im Krankenhaus Salzhausen, seit 2015 im Krankenhaus Buchholz.

esanum: Die Vorteile einer belegärztlichen Versorgungsstruktur liegen in der Behandlungskontinuität für Patienten. Welche Vorteile hat das System für Sie als behandelnder Arzt, Herr Dr. Schneider?

Dr. Schneider: Die Behandlungskontinuität "zwischen den Sektoren" ist auch für mich von Vorteil, denn Informationsverluste, die immer dann auftreten können, wenn Patienten zwischen Klinik und Praxis wechseln und mehrere Ärzte und Berufsgruppen beteiligt sind, werden auf ein Minimum reduziert. Zum Beispiel brauche ich nach der Entlassung meines Patienten nicht auf den Arztbrief warten, da ich den Therapieverlauf ja selber kenne. Wenn die Genesung nach Beendigung des stationären Aufenthaltes nicht erwartungsgemäß voranschreitet, bekomme ich dies - anders als Krankenhausärzte, die ihre behandelten Patienten ja nicht wiedersehen - ebenfalls unmittelbar mit und kann aus den Ursachen und möglichen Fehlern meine eigene Arbeit lernen. Unzufriedene Patientinnen und Patienten zu vermeiden, ist Ansporn für eine ideale Qualitätskontrolle.

esanum: Wo sehen Sie Nachteile?

Schneider: Leider gibt es auch immer wieder Vorbehalte gegen das Belegarztsystem: So wird unterstellt, man weise zu häufig Patienten stationär ein und würde die Patienten nicht sorgfältig betreuen. Diese Vorwürfe aus vergangenen Zeiten lassen sich heute nicht mehr halten, da das Belegarztwesen in gleichem Maße wie die Belegung der Hauptabteilungen engen Prüfungsmechanismen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen unterworfen werden und damit Auffälligkeiten rasch abgestellt würden. Kritisch sehe ich auch die Unterstellung, dass Belegärzte eher leichtere Fälle betreuen, während in Hauptabteilungen die Patienten mit schweren Verläufen behandelt würden. Diese Fehlinterpretation hat eher etwas mit dem sehr komplizierten Abrechnungssystem zu tun. So rechne ich als Belegarzt die von meinem Fachgebiet erbrachten Leistungen auf Basis der Eingangsdiagnose gemäß EBM mit der kassenärztlichen Vereinigung ab. Kommen weitere (fachfremde) Diagnosen hinzu, verändert sich ggf. nur die DRG-Codierung des Krankenhauses.

esanum: Wie setzen Sie den fachlichen Austausch mit Kollegen um?

Schneider: Ähnlich wie der Informationsaustausch in Hauptabteilungen finden auch bei uns regelmäßige Fortbildungen, Fallbesprechungen und so weiter statt. Wir kooperieren in einer Gemeinschaftspraxis an drei Standorten mit sechs Kollegen, die sich unterschiedlich spezialisiert haben, so dass wir die gesamte Urologie abdecken und etwa 1.200 Patienten jährlich stationär behandeln. Wir sprechen von einem kooperativen Belegarztsystem und tauschen uns aus, z.B. regelhaft in Videokonferenzen nebst Befundaustausch. Besonders geeignet finde ich das für die spezialfachärztliche Versorgung von Tumorpatienten, die hohe Anforderungen an Teamarbeit, Qualifikation und Erreichbarkeit stellt.

esanum: Wie sind Sie organisatorisch im Krankenhaus eingebunden? Wer unterstützt bei der Operation und der Visite?

Schneider: Ich wechsele mich mit meinen Kollegen im Rotationsprinzip ab und arbeite somit jede vierte Woche (24/7) stationär. Das Krankenhaus stellt die Betten, die pflegerische Versorgung sowie die Anästhesie und hält die OP-Technik bereit. Als Belegärzte sind wir in die OP-Planung und Besprechungen mit den Funktionsabteilungen wie der Radiologie eingebunden. Bei Operationen unterstützen uns Assistenzärztinnen oder -ärzte, die in unserer Praxis ein Jahr ihrer Facharztausbildung absolvieren. Stationsvisiten finden bei uns jeweils morgens und nachmittags zusammen mit dem Stationsarzt oder Ärztin statt unter Begleitung einer Pflegefachkraft des Krankenhauses. Die Abläufe unterscheiden sich letztlich nicht grundlegend von denen der Hauptabteilungen.

esanum: Ihr Bundesverband fordert gemeinsam mit dem Spitzenverband Fachärzte Deutschlands, dass die sektorenübergreifende belegärztliche Versorgung reformiert wird. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Schneider: Ein existentieller Punkt ist die Angleichung der Vergütung und Dokumentation für die ärztliche Leistung nach dem Motto: Gleiches Geld für gleiche Leistung. Dazu gehört, dass gleich dokumentiert wird, statt getrennt nach DRG-"A" und "B" und zwei OPS-Kodierungsverfahren. Hierzu zählt auch, dass Belegärzte wie Krankenhausärzte medizintechnische Innovationen gleichermaßen nutzen dürfen. Schließlich muss die Qualitätssicherung vereinheitlicht werden. Das bedeutet, dass die ärztliche Identifikationsnummer nicht nur von den Belegärzten, sondern auch von den Krankenhausärzten angegeben werden muss, so dass transparent wird, wer operiert hat.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Schneider