Notrettung und Bereitschaftsdienste verzahnen

Der Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung sieht ein gemeinsames Notfall-Leitsystem vor, von dem aus die Hilfesuchenden je nach Dringlichkeit an die Arztpraxis oder den Rettungsdienst verwiesen werden sollen. Was soll sich ändern? Und gelingt es der Person, die die Anrufe entgegennimmt, die Beschwerden der Hilfesuchenden richtig einzuschätzen?

Der Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung sieht ein gemeinsames Notfall-Leitsystem vor, von dem aus die Hilfesuchenden je nach Dringlichkeit an die Arztpraxis oder den Rettungsdienst verwiesen werden sollen. Was soll sich ändern? Und gelingt es der Person, die die Anrufe entgegennimmt, die Beschwerden der Hilfesuchenden richtig einzuschätzen?

Die Rettungsdienstgesetze der Länder zielen auf eine schnelle Hilfe in Notsituationen, ob bei einem Brand, einer Katastrophe, einem Verkehrsunfall oder einer anderen lebensbedrohlichen Situation zu Land, zu Wasser, in den Bergen oder der Luft. Die Rettungseinsätze werden von den regionalen Leitstellen organisiert, die oft von freigemeinnützigen oder privaten Trägern betrieben werden.  Die Letztverantwortung liegt bei den kreisfreien Städten und Landkreisen.

Wenn ein Anruf unter 112 eingeht, entscheiden die Mitarbeiter in den Leitstellen, ob ein Rettungswagen geschickt wird und ob zusätzlich ein Notarzteinsatz erforderlich ist. Bei einem medizinischen Notfall können sich Patienten bzw. deren Begleitpersonen auch direkt an die Notambulanzen eines Krankenhauses wenden.

Der Bereitschaftsdienst ist hingegen Teil der ambulanten Versorgung und soll sichern, dass Patienten außerhalb der Sprechstundenzeiten bei akuten, abklärungsbedürftigen, wenn auch nicht lebensbedrohlichen Beschwerden ärztlich versorgt werden können - soweit die Regelungen zum Status quo. Probleme der Fehlinanspruchnahme sind bekannt.

Reformvorhaben

Der Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung vom 10. Januar 2020 sieht nun vor, dass die medizinische Notfallrettung als eigenständiger Leistungsbereich neu in das GKV-System integriert wird. Für die Versicherten entstehen damit neue Leistungsansprüche und für die Krankenkassen zusätzliche Ausgaben. Im Gegenzug sollen die Länder die Versorgung am Notfallort und die Rettungsfahrt jeweils pauschal vergüten. Die Vereinbarungen, die die Krankenkassen und Landesbehörden hierzu treffen müssen, sollen insbesondere auf die laufenden Kosten zielen.

Der Patient kann weiterhin entscheiden, ob er oder sie je nach subjektiver Einschätzung der Gefahr für Leben und Gesundheit die 112 wählt oder die 116117. Die gegliederten Zuständigkeiten bleiben grundsätzlich erhalten. Der Rettungsdienst organisiert die medizinische Notfallrettung und den Krankentransport, die Kassenärztlichen Vereinigungen den ärztlichen Notdienst (§ 75 SGB V).

Allerdings sollen die Rettungsleitstellen künftig ein gemeinsames Notfall-Leitsystem auf den Weg bringen können, an dem sich dann die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung beteiligen muss. Die gemeinsame Leitstelle ist als organisatorisch-technische Einheit zu verstehen, die sich auf digitale Anwendungen stützt, da – so sieht es der Referentenentwurf vor - beide Systeme fallbezogen kooperieren sollen. Statt Telefonnummern weiterzugeben, sollen die Hilfesuchenden direkt mit dem Rettungsdienst oder Notdienst verbunden werden, je nach dem zu welcher Einschätzung derjenige gelangt, der den Anruf entgegennimmt.

Schon heute sind die Mitarbeiter in den Leitstellen geschult, Anrufe entgegenzunehmen, den Handlungsbedarf einzuschätzen und daraufhin den Rettungseinsatz in die Wege zu leiten. Bei weniger dringlichem Bedarf sollen sie den Hilfesuchenden künftig an die 116117 weiterschalten.  Stellen die Mitarbeiter des Bereitschaftsdienstes fest, dass doch ein Krankentransport zu einem Notdienst zwingend erforderlich ist, sollen sie das dem Rettungsdienst melden und aktivieren damit den neu vorgesehenen Leistungsbereich der Krankenkassen.

Ein standardisiertes softwarebasiertes Ersteinschätzungsverfahren, das die Rettungsleitstellen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren können, soll die Mitarbeiter am Telefon bei ihren Empfehlungen unterstützen. Die Vereinbarung muss auf medizinischer Expertise beruhen, denn wenn feststeht, dass entweder eine medizinische Notallrettung oder eine notdienstliche Versorgung erforderlich ist, soll dies eine gesonderte ärztliche Verordnung ersetzen (Referentenentwurf zu neuem §133b SGB V).

Softwaregestützte Ersteinschätzung

Seit Januar 2020 kommt bereits die Software SmED – Strukturiertes medizinisches Einschätzungsverfahren für Deutschland – in den Terminservice-Stellen der Kassenärztlichen Vereinigungen bundesweit zum Einsatz. Das Programm orientiert sich an den Hauptbeschwerden, die die Hilfesuchende berichten. Wenn die Mitarbeiter eine akute Lebensgefahr ausschließen können, werden sie durch das Programm geleitet und erfragen weitere Symptome, Schmerzstärke, andere Charakteristika sowie bereits ergriffene Maßnahmen und Vorerkrankungen. Ziel ist es, gefährliche Verläufe zu erkennen, die rasches Handeln erfordern.

Ob SmED in den geplanten Notfall-Leistellen eingesetzt werden wird, ist offen. Allerdings werden die Rettungsdienste in die Weiterentwicklung der Software einbezogen. "Wir wollen, dass sowohl die Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Rettungsdienste mit SmED arbeiten können und falls andere Programme zum Einsatz kommen, diese mit SmED technisch kompatibel sind und sich inhaltlich nicht substanziell widersprechen", sagt Dr. Dominik Graf von Stillfried vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, das die Adaption des aus der Schweiz stammenden Verfahrens  für den hiesigen Gebrauch in Auftrag gegeben hat.

Wie sich das Ersteinschätzungsverfahren bewährt, evaluiert federführend das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua) in elf Kassenärztlichen Vereinigungen. Das DEMAND-Projekt wird über den Innovationsfonds beim G-BA gefördert.

Termin:
17.02.2020 Fachanhörung zum Referentenentwurf "Gesetz zur Reform der Notfallversorgung"