Mehr Schein als Sein oder die letzte Rettung in der Not?

Liebe Kollegen, ich bin über einen interessanten Artikel im Spiegel gestoßen und würde gerne Ihre Meinung dazu hören: Eine Frau litt seit vielen Jahren unter chronischen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die immer wieder angefertigten Röntgenbilder konnten die Beschwerden nicht erklären, Krankengymnastik brachte nur kurzfristig Linderung. Die normalerweise bei diesen diffusen Schmerzzuständen eingesetzten Medikamente aus der Wirkstofffamilie des Aspirins verursachten Magenbeschwerden.

Der behandelnde Arzt griff schließlich zu einer List, die den Heilern vieler Kulturen seit Urzeiten erfolgreich aus der Bredouille geholfen hatte. Er verabreichte der Patientin ein Scheinmedikament. Mit dramatischem Wortgeklingel erklärte er ihr, dass er ein Mittel aus Amerika einsetzen würde, das hervorragend wirke. Mit einer dünnen Nadel injizierte er der Patientin eine kleine Menge Kochsalzlösung in die Rückenhaut - etwa dort, wo die Patientin den Schmerz fühlte, und so, dass sie ein leichtes Brennen verspürte.

Der Arzt beendete die Prozedur mit der Bemerkung, dass dieses Mittel erfahrungsgemäß bei all jenen Patienten schnell und lang anhaltend wirke, die wirklich krank seien. Bei Simulanten, so der Doktor, wirke das Mittel dagegen kaum. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe die Therapie Erfolg zeigte: Zum ersten Mal seit Monaten, so die Patientin, sei der Schmerz völlig verschwunden. Selbst Monate später schwärmte sie gegenüber ihrem Arzt, dass der Rückenschmerz nicht wieder aufgetreten sei.

Wie stehen Sie zu diesem Tabu-Thema? Ist der Einsatz von Placebomedikamenten nur im Rahmen von Studien gerechtfertigt, in denen die Patienten z.B. innerhalb einer Doppelblindstudie zumindest über die 50%-ige Wahrscheinlichkeit der Einnahme von Placebopräparaten aufgeklärt wurden oder ist die Verabreichung solcher Präparate auch dann gerechtfertigt, wenn sie zum erwünschten Therapieerfolg führen, auch wenn das die Unwissenheit des Patienten voraussetzt?