Warum noch Zulassung für Novalgin/Dipyrone?

Laut Auskunft kompetenter Pharmakologen muß heute nach intravenöser Verabreichung von Novalgin mit schwersten, lange anhaltenden und sogar irreversiblen Blutdruckabfällen und Schockäquivalenten bis zu einer Stunde post injectionem gerechnet werden, selbst dann, wenn die Injektion sehr langsam erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob eine Allergie gegen den Wirkstoff vorliegt. Deshalb warnt auch die ABDA-Datenbank jetzt nicht nur vor dem Agranulozytose-Risiko von Metamizol, sondern gibt auch die Information, daß anaphylaktoide Reaktionen sich noch Stunden nach der Injektion entwickeln können und ein RR-Abfall mit oder ohne Vollbild des Schocks besonders nach parenteraler Anwendung der Substanz auftreten kann. Dem will auch die aktuelle Rote Liste Rechnung tragen mit dem Hinweis, daß bei parenteraler Anwendung von Novalgin die Voraussetzungen für eine Schockbehandlung gegeben sein müssen. Das bedeutet doch, daß der Patient nach der Novalgin-Injektion noch mindestens eine Stunde in Schockbehandlungsbereitschaft beobachtet werden muß. Diese Forderung ist aber unrealistisch, wenn der Arzt ambulant bzw. beim notfallmäßigen Hausbesuch Novalgin i.v. spritzt, etwa zur Behandlung einer Nieren- oder Gallenkolik. Deshalb muß aus Sicherheitsgründen die Konsequenz sein, mindestens die ambulante i.v.-Anwendung von Metamizol/Novalgin nicht mehr zuzulassen. Da überdies die Wahrscheinlichkeit solcher Schockzustände offenbar dosisabhängig ist, sollten wenigstens jene Ampullen, die mehr als 2 ml = 1000 mg Novalgin/Metamizol enthalten, ganz vom Markt genommen werden. -

Ich selbst kenne zwei Todesfälle, die mit großer Sicherheit durch die i.v.-Injektion von Novalgin verursacht wurden. In einem Fall trat dabei der nicht mehr beherrschbare Schockzustand erst 15 Minuten nach der Injektion des Mittels auf. -

Novalgin ist sicher ein sehr effektives, in vielen Fällen auch gut verträgliches und daher beliebtes Analgeticum. Trotzdem ist unverständlich, daß ein so gefährliches Medikament (s. auch Agranulozytose-Risiko!) in Deutschland überhaupt noch zugelassen ist. Die angelsächsischen Staaten, Schweden und andere Länder mit zeitgemäßen Gesundheitssystemen kommen durchaus ohne Metamizol/Dipyrone aus. Aus heutiger Sicht ist erst recht nicht nachzuvollziehen, daß man 1991 einen von Prof. Dr. Peter Schönhöfer gestellten Antrag auf Aufhebung der Arzneimittelzulassung von Metamizol abgelehnt hat.

Es wäre hilfreich, wenn Kollegen, die ähnliche Erfahrungen gemacht und dokumentiert haben, diese auch an die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft berichten würden, damit endlich die notwendigen Konsequenzen werden können: mindestens die genannten Zulassungsbeschränkungen, besser ein völliges Verbot.

R. Müller