Leukämie nicht erkannt

Sehr geehrtes Kollegium,

wir haben ein dreijähriges, bisher gesundes Mädchen in unsere orthopädische Spezialklinik überwiesen bekommen mit Verdacht auf Hüftschnupfen. Die Mutter des kleinen Mädchens konsultierte vor zwei Wochen den Kinderarzt, als die Tochter nicht mehr laufen wollte. Weitere Krankheitszeichen hätte es nicht gegeben. Der Kinderarzt vermittelte die besorgte Familie an einen Orthopäden in der Nähe, der wiederum an uns verwies, da wir die einzige Anlaufstelle in der Nähe sind, die auch eine Sonographie von Gelenken machen...

Dem kleinen Mädchen wurde in unserem Klinikum einen Venenzugang gelegt, wobei der Schwester unmittelbare petechiale Einblutungen auffielen, sodass sie vorsichtshalber auch ein Röhrchen für das große Blutbild abnahm. Das Labor zeigte eine Leukozytopenie und eine Anämie. Der daraufhin in einem spezialisierten Labor durchgeführte Blutausstrich untermauerte mit einer Linksverschiebung der lymphatischen Reihe den neuen Verdacht auf eine Leukämie.

Das Mädchen wurde sofort auf eine onkologisch-pädiatrische Station eines Uniklinikums verlegt und wird nun dort weiterbehandelt. Das gesamte Procedere bis zur Diagnosestellung der ALL dauerte nun über zwei Wochen! Ich habe mich anlässlich dieses Falles mit der ALL bei Kindern beschäftigt und gelesen, dass die Symptomatik des kleinen Mädchens ganz typisch für den Krankheitsbeginn ist.

Warum hat also der Kinderarzt die Differentialdiagnose ALL nicht in seine Überlegungen einbezogen? Werden möglicherweise in den kinderärztlichen Praxen zu wenige Blutentnahmen bei Kindern durchgeführt? Worin sehen Sie das Problem dieser späten Diagnosestellung?