Migräne statt Hirntumor - Internetpraxen machen’s möglich

Was in England gängige Praxis ist, gibt es seit November 2011 auch für deutsche Leiden und Gebrechen, nämlich Online-Sprechstunden und -Diagnosen. Dazu gab es bereits interessante Artikel im Spiegel ( http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-82244936.html ) und in der Apothekerzeitung ( http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/spektrum/news/2011/11/28/internet-aerzte-fuer-

deutsche-patienten.html )

Die Internetseite „DrEd.com“ (betrieben von einem gewissen J. Mordhorst) bietet Diagnosen und Behandlungen von deutschen Patienten. Zu sehen braucht er sie nicht... wahrscheinlich reicht der Fotocheck bei Facebook..

Grundlage ist die EU-Richtlinie „Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“: Freie Arztwahl europaweit, jeder Arzt ist den Regularien seines Landes unterstellt. Mordhorst hat seine Zulassung in England, dort versteht man offenbar besonders viel von Ferndiagnosen.

Übrigens, „DrEd.com“ arbeitet mit der Versandapotheke Apo-Rot Hamburg, jedes Rezept wird automatisch dorthin verschickt (auch DrThom aus England kooperiert nur mit einer Apothekenkette, wobei sowohl DrThom als auch die Apotheke zur Pharmakette Celesio gehören). Ein Schelm, der böses dabei denkt...

Doch die eigentliche Frage ist: Welche Sicherheit bieten Online-Diagnosen Sie werden mittels eines Fragebogens gestellt, ohne körperliche Untersuchung. Kopfschmerzen? Migräne! Das Risiko für Fehldiagnosen steigt zwangsweise, ob und wie die Patienten darüber aufgeklärt werden (oder sich im Zweifelsfall der gesunde Menschenverstand selbst irgendwann einschaltet?) - wer weiß es. Man mag außerdem unterstellen, dass sich gerade für Pillenjunkies ein idealer Nährboden bietet.

Demgegenüber auf der Habenseite?

Online-Sprechstunden sind bequemer und grade bei intimen Problemen für manchen angenehmer. Doch ist diese Bequemlichkeit bereits Grund genug, die sowieso schon durch unzählige Zivilisationskrankheiten gebeutelten Versehrten ins potenziell offene Messer laufen zu lassen? Bisher gibt es wenig Erfahrungsberichte deutscher Versuchskaninchen, aber mich würde der empörte Aufschrei gen Brüssel nicht wundern, wenn die Bild-Zeitung die ersten tragischen Folgen marktschreierisch darbietet. Dann wird es heißen: wer kann solchem Unsinn eigentlich den amtlichen Segen erteilen? Es war die EU, die uns im Namen der europäischen Idee dieses zweifelhafte Geschenk gemacht hat.