Ist HDL schlechter als sein Ruf?

Es sollte jedem noch in den Ohren klingen: „HDL ist das gute und LDL das böse Lipoprotein." Das Gute schafft Cholesterin zur Entsorgung zur Leber und das Schlechte bringt es zum Gewebe. Ein einfaches Prinzip, mit dem sich auch gerade die Pharmaforschung beschäftigt.

In Entwicklung sind mehrere Medikamente (CETP-Inhibitoren), die den HDL-Spiegel erhöhen und somit das Herzinfarktrisiko senken sollen. Jetzt stellt eine Medel-Randomisierungsstudie diese Annahme auf den Kopf. ( http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2812%2960312-2/abstract )

Die Gruppe aus Boston prüfte dabei Patienten mit einer Genvariante (Asn396Ser-Allel), die den HDL-Wert ansteigen lässt, während andere Lipide gleich bleiben. Diese Patienten hätten hypothetisch ein geringeres Herzinfarktrisiko haben müssen. Diese Erwartung wurde aber nicht erfüllt, die Herzinfarktrate war mit der von Vergleichspersonen identisch. Vielleicht ist das auch der Grund, warum vor 5 Jahren der erste CETP-Inhibitor (Torcetrapib von Pfizer) in der klinischen Studie scheiterte. Dort kam es nämlich statt zur Senkung von Herzinfarkten zu einer Steigerung von kardiovaskulären Ereignissen. Vor wenigen Tagen wurde wieder eine klinische Studie (Phase III) mit einem CETP-Inhibitor von Roche nach enttäuschenden Ergebnissen abgebrochen.

Möglicherweise ist der Cholesterinspiegel und seine Pathophysiologie ein Bereich, der neu überdacht werden muss. Ich frage mich schon länger, ob wir als Ärzte nicht viel zu schnell in scheinbar hohe Cholesterinspiegel eingreifen. Daher die Frage an die Kollegen: Haben Sie auch das Gefühl, dass erhöhte HDL-Spiegel nicht zwingend eine Schutzwirkung haben? Und wie gehen sie allgemein mit Patienten mit zu hohen Cholesterinspiegeln um? Ab wann betrachten sie eine Medikation als unausweichlich?