Kommunikationskongress Medizintechnik

Das Internet hat keine Seite eins

Beim 4. Kommunikationkongress Medizintechnologie in Frankfurt wurde deutlich, dass sich auch diese Branche der veränderten Kommunikationslandschaft anpassen muss.

Viele verschiedene Zielgruppen, große Herausforderungen, wenig Ressourcen: Wie lässt sich vor diesem Hintergrund die Kommunikationsarbeit in der MedTech-Branche professionalisieren? Dieser Frage widmete sich der 4. Kommunikationskongress Medizintechnologie, der am 26. und 27. Mai 2008 im Steigenberger Airport Hotel in Frankfurt am Main stattfand. Bundesverband Medizintechnik (BVMed) und Industrieverband Spectaris hatten als Veranstalter die Branche zum Austausch geladen. Rund 80 Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Pressesprecher, Marketingleiter und andere leitende Mitarbeiter von Medizintechnikunternehmen waren gekommen. Der Kongress vermittelte anhand von Theorie und Praxisbeispielen, wie Kommunikation strategisch angegangen, geplant, gesteuert und messbar gemacht werden kann. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien von Branchenunternehmen wurden vorgestellt. Die Bedeutung professioneller PR-Arbeit und Markenkommunikation für die Unternehmen der Medizintechnologie wurde dabei offensichtlich.

Die Kommunikation boomt

Die Budgets für Kommunikation in der MedTech-Industrie wurden 2008 im Schnitt um 14 Prozent aufgestockt. 80 Prozent der Unternehmen sagen, dass die Bedeutung der Kommunikationsarbeit zunimmt, und 67 Prozent arbeiten bereits mit PR-Agenturen zusammen. Das sind die Fakten, die Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer BVMed, in seinem Vortrag über die Ergebnisse einer aktuellen Branchenbefragung vorstellte. Die gefühlten Veränderungen seien, so Schmitt, schwerer zu fassen. In den Medien seien dies eine stärkere Globalisierung, Fragmentierung und Beschleunigung, in der Öffentlichkeit eine zunehmende Differenzierung und Kritik und eine zielgerichtetes Informationsverhalten.

Sebastian Vesper vom PR Report, Hamburg, wagte auf Basis dieser Erkenntnis einen Blick in die Zukunft. Die Online-Kommunikation und die Pressearbeit für Online-Medien werde die klassische Pressearbeit für Printmedien, TV und Radio auf die Plätze verweisen. „Das Internet hat keine Seite 1“, sagte Vesper in Anspielung an die Tatsache, dass eine relevante Botschaft in der Flut der digitalisierten Informationen gut platziert werden müsse, um gefunden zu werden. Damit veränderten sich die Herausforderungen, die Menschen im Internet zu erreichen. Vertrauen durch authentische Kommunikation wachse auf den Pfaden eines „Social Web“, eines strategischen „Linking Business“ und einer neuen Transparenz gegenüber aktiven Zielgruppen.

Die MedTech-Branche steht verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. Ärzte und Krankenkassen, aber auch Patienten wollen über neue Behandlungsverfahren informiert werden. Politik und Medien interessieren sich immer mehr für Medizintechnik als eine wichtige Zukunftsbranche. Gleichzeitig gibt es einen immer wiederkehrenden Kanon, der über Produkt- und Anwenderfehler, überteuerte oder nutzlose Behandlungen und Missmanagement berichtet. Sven Behrens, Geschäftsführer des Industrieverbandes Spectaris, Berlin, definierte die Anforderungen an die Kommunikationsarbeit in MedTech-Unternehmen: „Professionalisierung, inhaltliche Differenzierung, Zielgruppenorientierung und der Einsatz neuer Medien stärken Corporate Identity und das Markenprofil. Auch die Produkt-Differenzierung, Kundenakzeptanz und Mitarbeitermotivation profitieren von der Unternehmenskommunikation.“

Markenaufbau und Markenkommunikation

Das „Ingredient Branding“ und das „Co-Branding“ sind aus der Markenkommunikation nicht mehr wegzudenken. Das Schaffen von Markenbewusstsein für einzelne Komponenten eines Produktes und das Koppeln von mehreren Markenprodukten oder -dienstleistungen, die nicht zueinander im Wettbewerb stehen, sind auch in der MedTech-Branche ein Kommunikationsmittel. Darauf wies Holger Storcks, Medtronic Deutschland, Düsseldorf, hin. Als Beispiel führte er das Norddeutsche Herznetz an, eine Kooperationsgemeinschaft, in der unter anderem Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen zusammengeschlossen sind. Die einzelnen Partner sind genauso wie das Netz selbst Thema der Kommunikation, der wechselseitige Benefit stärkt alle Beteiligten.

Joachim F. Hamacher, Leiter der Unternehmenskommunikation von Otto Bock HealthCare GmbH, Duderstadt, schilderte den Aufbau der Marke Otto Bock in den letzten Jahren. Der Weltmarktführer im Bereich Prothetik hatte erst 2002 das Branding zur Top Management-Verantwortung erklärt. Hamacher stellte die seitdem durchgeführten Maßnahmen vor, die ein ganzheitliches Kommunikationsinstrument geschaffen haben. Das Corporate Design, die Unternehmenskommunikation und das Corporate Behavior, so Hamacher, definierten den neuen Unternehmensstil, der sich in deutlich messbaren Ergebnissen niederschlägt.

„Das ist ja alles ganz schön. Aber was bringt das eigentlich?“ Die schrecklichste aller Fragen hat schon manchen PR-Profi in die Sinnkrise getrieben. Jörg Pfannenberg, Geschäftsführer der PR-Agentur JP|KOM GmbH in Düsseldorf, stellte ein Modell vor, PR messbar zu machen. Rechenschaft abzulegen über die Mittelverwendung ist wie die Legitimierung von Kommunikationsmaßnahmen und eine an Unternehmenszielen ausgerichtete Kommunikationsplanung Triebfeder des strategischen Kommunikations-Controllings. Die Wirkdimensionen werden in drei Stufen dargestellt: Der „Output“ definiert die Wahrnehmbarkeit, also die Zugänglichkeit und die Wertigkeit von Informationen. Der „Outcome“ ist die direkte Zielgruppeneinwirkung in Bezug auf Wissen, Meinungen, Emotionen und Verhalten, der „Outflow“ schließlich markiert die betriebswirtschaftliche Wirkung in strategischer und finanzieller Hinsicht. Anhand einer Scorecard mit verschiedenen Parametern wird Kommunikation nun in diesen drei Bereichen gemessen. Angewandte Methoden sind dabei zum Beispiel die Medienresonanzanalyse, Mitarbeiterbefragungen und Umsatzanalyse.

Ohne Kommunikation geht es nicht

Spätestens, wenn ein Unternehmen in eine veritable Krise gerutscht ist, zeigt sich, wie gut die Kommunikation ist. Entscheidend für Krisen-PR ist der Zeitpunkt, an dem das Unternehmen die Krise als solche erkennt. Dabei greifen Frühwarnsysteme, die besonders mit den Möglichkeiten des Web 2.0 erfolgreich arbeiten. Eine früh erkannte Krise kann der Eskalation vorbeugen. Darauf wies Peter Höbel von crisadvice aus Frankfurt/Main in seinem Vortrag hin. In einer nicht bewältigten Krise ist die Angst in ihrem wiederkehrenden Auftreten bestimmend. Diesen Angstzyklus durch vertrauensbildendes Informationsmanagement zu durchbrechen, ist nach Höbel der Schlüssel zur Krisenkommunikation.

Georg Meck, Wirtschaftredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, beschrieb die Krisenkommunikation aus Sicht eines Journalisten. Er bestätigte den Medien ein gewisses Eigeninteresse an Krisen; „Krisengewinnler“ seien sie. Für Pressesprecher hatte er einfache Tipps parat, sich in schweren Zeiten richtig zu verhalten: Neben der Erreichbarkeit rund um die Uhr ist die Hintergrund- und Wissensvermittlung vorrangig. Und im Zweifelsfall: „’Kein Kommentar!’ ist schöner als jede Lüge.“

Der Rückruf eines Produktes ist der Alptraum jedes Unternehmens. Heike Geiling, Kommunikationschefin Europa für ResMed aus Basel, konnte anhand eines Fallbeispieles zeigen, wie eine von professioneller Kommunikation begleitete Rückrufaktion glimpflich ausgehen kann. 2007 trat an einem sehr geringen Prozentsatz von Atemtherapiegeräten der Firma ResMed ein technischer Effekt auf. Weltweit mussten 300.000 Geräte zurückgerufen werden. Ein Krisenmanagementteam in den USA und Europa konnte innerhalb kürzester Zeit alle Zielgruppen in allen Märkten erreichen. Nach knapp einem Jahr waren 90 Prozent der Geräte zurückgekommen, die Berichterstattung ging in Europa über die Veröffentlichung der Pressemitteilung nicht hinaus.

Mundpropaganda – die neue Geheimwaffe

Am Beispiel der Helios Kliniken, Berlin, stellte deren Leiter Unternehmenskommunikation, Tobias Meixner, die strategische Kommunikation am Beispiel eines Krankenhauses vor. Organisiert in dezentralen Strukturen, könne Helios mit einem einheitlichen Qualitäts- und Führungsverständnis, einem definierten Corporate Design und durchgängigen Kernbotschaften einen verbindenden Bogen spannen. Der Aufbau eines internen Kompetenznetzwerkes und das Schnittstellenmanagement seien wichtige Instrumente der Kommunikation. Deutlich sei auch hier, wie wichtig die Transparenz ist: Helios veröffentliche konsequent medizinische Ergebnisqualität und wirtschaftliche Ergebnisse. „Die kritischen Stimmen in der Privatisierungsdebatte werden so durch objektive Beiträge abgemildert“, erläuterte Meixner.

„Positive Mundpropaganda ist der zuverlässigste Indikator für Unternehmenswachstum“, stellte Martin Oetting fest. Oetting ist Gesellschafter der trnd AG, der ersten deutschen Spezialagentur für Mundpropaganda. Glaubwürdiger als die bunte Werbewelt, finde die Mundpropaganda im Internet die perfekte Plattform für die weltweite Ausbreitung. Auch schon als „Klowand des Internets“ bezeichnet, entwickelten die Blogs eine ganz eigene Dynamik; die Horrorvision einer unkontrollierten und unkontrollierbaren Kommunikation im Netz sei in vielen Köpfen fest verankert. Die Antwort darauf seien Maßnahmen, die das Publikum an den unternehmerischen Prozessen beteiligen. Motivation und Achtung schafften eine Vertrauensbasis, die auch die Klippen des Web 2.0 umschiffen lässt.

Autorin: Katharina Kleinschmidt – InfotainMed