Von der Pharmaindustrie zurückgepfiffen? FDP macht sich für die Legalisierung von Cannabis stark und produziert ein laues Lüftchen

Anfang 2011 ertönten plötzlich erfreuliche Töne von Seiten der Gesundheitspolitiker: Cannabis solle legal als Medizin erhältlich werden, so hieß es zumindest. Die Hoffnung war also groß. Vor allem bei den geplagten Schmerzpatienten, bei denen andere Therapien nicht mehr ausreichend wirksam sind oder zu starke Nebenwirkungen verursachen.

Das enttäuschende Ergebnis: halbherzige Gesetzesformulierungen und ein einziges Medikament auf dem Markt. Ein THC-und CBD-haltiges Mundspray namens Sativex (von Almirall), zugelassen zur symptomatischen Verbesserung von Spastik bei MS, aber auch nur bei dieser. Eine Bereicherung für die Multiple Sklerose-Patienten, eine herbe Enttäuschung aber für den großen Rest (das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin spricht über Sativex von einer schillernden Seifenblase mit Plop-Faktor - http://selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/sativex-schillernde-seifenblase-mit-plop-faktor - treffend umschrieben).

Denn Cannabis kommt für viele Patientengruppen in Frage: HIV/AIDS- oder Krebskranke, Epileptiker, Asthmatiker, Allergiker, Menschen mit Hepatitis C, mit Tourette-Syndrom, Glaukom, Schmerzsymptomatiken oder ADHS, mit ALS, Migräne oder Cluster-Kopfschmerz und noch weiteren. Das Wirkspektrum ist groß: Es gilt als appetitssteigernd, analgetisch (vor allem bei Krebserkrankungen), antiemetisch, bronchenerweiternd und stimmungsaufhellend und vermindert Spasmen sowie epileptische Anfälle (fachlich hier - http://www.ms-netzwerk.ch/swiss/de/msnetwork/general/treating_ms/symptomatische_behandlung/spastik/index.jsp - gut beschrieben). Dabei sind noch längst nicht alle positiven Wirkungen aufgezählt.

Das Besondere an Cannabis ist weiterhin seine ungewöhnliche Sicherheit. Es gibt bis heute keine zuverlässigen Hinweise für den Tod eines Marihuana-Konsumenten. Speziell in diesem Punkt unterscheidet es sich demnach stark von den konventionellen Analgetika.

Die Frage also bleibt: Warum ist Cannabis in Deutschland als Medikament verboten, wo doch beispielsweise Opiate mit viel schwerwiegenderen Risiken erlaubt sind (und, ironischerweise, vielmehr Suchtpotenzial besitzen)?

Für den Patienten ergeben sich momentan drei Optionen:

Er beantragt eine „Ausnahmegenehmigung zur ärztlich überwachten Eigentherapie mit Cannabis-Blüten“ bei der BfArM - http://www.bfarm.de/DE/Home/home_node.html - und kauft dann sein Cannabis in der Apotheke (von der niederländischen Firma Bedrocan) zu überteuerten Preisen (16-18 € pro Gramm!). Das Verfahren allerdings ist nervenaufreibend und zeitaufwendig und wird in den seltensten Fällen genehmigt. Eine meines Erachtens vollkommen unethische Bedingung zum Beispiel ist, das jedes andere verfügbare Medikament im Voraus probiert worden sein muss. (Wie kann es denn sein, dass ein Mensch gezwungen wird Medikamente einzunehmen, die ihm selbst Schaden zufügen, bevor man ihm schließlich, vermutlich nach langfristiger Leberschädigung, das unschädlichere Cannabis verschreibt?!)

Er bedient sich auf dem Schwarzmarkt an nichtqualitätsgesichertem Gras und begibt sich damit auf illegales Terrain.

Oder er lebt einfach weiter mit Nebenwirkungen der Standartmedikamente.

Eine Wahl zwischen Pest oder Cholera…

Das Ergebnis ist also ernüchternd. Was sollte das ganze nun eigentlich? Eine weitere Nebelkerze, um den pseudoliberalen FDP-Dampfer für ein paar Monate weiter über Wasser halten? Ein weiterer Beleg für den Einfluss der Pharmaindustrie, die mit oftmals minderwertigen Schmerzmitteln gutes Geld verdient, ist es auf jeden Fall. Wo dabei unser Mitgefühl für den eigentlich Notleidenden bleibt, diese Frage stellen wohl nur noch die ganz Naiven...

Wie sieht es denn bei Ihnen aus: Haben Sie Erfahrungen mit Cannabis gesammelt - nicht nur im privaten Gebrauch, sondern bei Patienten? Auf regen Austausch gespannt....