Indirekte Nierenprotektion durch Barorezeptorstimulation?

Hypertonie erhöht das kardiovaskuläre Risiko und schädigt die Nieren. Prof. Dr. Marcus Fischer, Leiter Herzkatheterlabor des Universitätsklinikums Regensburg, berichtet auf dem DGfN 2019 von positiven Erfahrungen mit der Barorezeptorstimulation. Sie kommt zum Einsatz, wenn medikamentöse Verfahren nicht den gewünschten Effekt bringen.

Blutdruck-Behandlung bei therapierefraktären Patienten

Hypertonie erhöht das kardiovaskuläre Risiko und schädigt die Nieren. Prof. Dr. Marcus Fischer, Leiter Herzkatheterlabor des Universitätsklinikums Regensburg, berichtet auf dem DGfN 2019 von positiven Erfahrungen mit der Barorezeptorstimulation. Sie kommt zum Einsatz, wenn medikamentöse Verfahren nicht den gewünschten Effekt bringen.

Etwa 30 Millionen Deutsche leiden derzeit an Bluthochdruck und etwa ein Drittel von ihnen erreicht das Therapieziel zunächst nicht. Gründe gibt es dafür viele. In manchen Fällen sind die Medikamente nicht gut dosiert oder schlecht aufeinander abgestimmt. Oft mangelt es an der Adhärenz der Patientinnen und Patienten. Zum Teil handelt es sich auch um einen sekundären Bluthochdruck, dessen tatsächliche Ursache noch nicht diagnostiziert ist. Hier sind Hypertoniezentren gefragt, denen es in den meisten Fällen gelingt, die Werte zu verbessern.

Laut Fischer ist die Hypertonie jedoch bei fünf bis zehn Prozent der Patientinnen und Patienten resistent. Mit den bekannten Folgen: Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist deutlich erhöht, und der Teufelskreis zwischen Bluthochdruck und Nierenerkrankungen wird in Gang gesetzt: Dauerhaft erhöhter Blutdruck führt zur Arteriosklerose und schließlich auch zur Nephrosklerose. Die nachlassende Nierenfunktion verhindert, dass die Nieren ihrer regulativen Funktion auf den Blutdruck angemessen nachkommen können – der also weiter steigt. Hier kommt die Barorezeptorstimulation ins Spiel.

Ein Schrittmacher für den Blutdruck

Im Wesentlichen handelt es sich um einen Impulsgenerator, der wie ein Herzschrittmacher implantiert wird. Zielorgan sind die Carotiden. Hier sind besonders viele Barorezeptoren vorhanden, die mit dem Zentralen Nervensystem verbunden sind und den Blutdruck beeinflussen können. Fischer zum Verfahren: "Wir setzen den Impulsgenerator unterhalb des Schlüsselbeins ein, von dem ein dünnes Kabel zur Halsschlagader verläuft, wo das Zentrum der Barorezeptoren ist. Dort stimulieren wir über eine Elektrode die Barorezeptoren und unterdrücken damit die körpereigenen Signale. In der Folge sinkt der Blutdruck."

Die Intensität der Stimulation lasse sich – wie bei einem Herzschrittmacher – von außen per Funk programmieren. "Das Wirkprinzip besteht darin, dem Zentralen Nervensystem einen zu hohen Blutdruck vorzutäuschen, damit es selbst bei mittlerem Blutdruck mit einer reflektorischen Aktivität antwortet und der Blutdruck im Effekt runtergeht", erklärt Fischer. Die Wirksamkeit sei bereits intraoperativ erkennbar. "Man kann live sehen, wie der Blutdruck sinkt – und die Elektrode an der entsprechend geeigneten Stelle fixieren."

Neu ist die Methode nicht, aber die Technologie habe sich verbessert. Denn inzwischen ist die zweite Geräte-Generation auf dem Markt. In der Anfangszeit war es noch nötig, bilateral zu stimulieren, also Elektroden an beiden Carotiden unterzubringen. Die neue Generation funktioniert hingegen unilateral mit einer einzigen Elektrode, was mit einer entsprechend kleineren OP verbunden sei. Auch die Größe der Elektroden selbst habe sich verringert.

Positive Langzeitwirkungen

Nach der Implantation werden die Geräte übrigens noch nicht unmittelbar aktiviert. Die behandelnden ÄrztInnen warten, bis die Sonde eingeheilt ist. Erst etwa zwei Wochen später kommen die Patientinnen und Patienten in die Ambulanz zur Aktivierung. Dass der Effekt in der Regel sofort eintrete, erläutert Fischer an einem Beispielpatienten: "Er kommt in die Sprechstunde mit einem Blutdruck von 200. Eine halbe Stunde später geht er mit 146 raus."

Eine Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie mit 45 Patientinnen und Patienten habe diese Einschätzung bestätigt, berichtet Fischer. In 72% der Fälle sei es zu einer Senkung des Blutdrucks um 30 mmHg gekommen, gemessen nach zwei Jahren. Auch die Langzeitwirkungen seien positiv. Der Blutdruck bleibe anhaltend niedrig, wie verschiedene Studien gezeigt hätten. "Im Durchschnitt ist er, betrachtet über sechs Jahre, um 30 mmHg niedriger. Die unilaterale Technik ist sogar fast noch effektiver als die bilaterale. Und der große Vorteil: Es gibt fast keine Komplikationen mehr."

Vorgekommen seien vor allem Hämatome und Infektionen im Rahmen der Wundheilung. Auch Schluckbeschwerden und Schmerzen nach der Aktivierung seien möglich, ließen sich aber durch eine Anpassung der Programmierung beheben. Aus Fischers Sicht bringt die Barorezeptorstimulation bei einer therapie-resistenten Hypertonie deutliche nephroprotektive Effekte mit sich. Nur bei starker Arteriosklerose würde er von der Therapie abraten.

Quellen: Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2019, 11. Oktober 2019, Symposium „Hot Topics in der Nephrologie“