Therapie des Ovarialkarzinoms: Welche Bedeutung haben PARP-Inhibitoren?

PARP-Inhibitoren sind zum Standard beim rezidivierenden Ovarialkarzinom nach einer Platin-basierten Chemotherapie geworden. Sie könne auch schon früher im Krankheitsverlauf eingesetzt werden, wie Studien zeigen. Besonders stark profitieren Patientinnen mit BRCA-Mutation.

Das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben verlängern

PARP-Inhibitoren sind zum Standard beim rezidivierenden Ovarialkarzinom nach einer Platin-basierten Chemotherapie geworden. Sie könne auch schon früher im Krankheitsverlauf eingesetzt werden, wie Studien zeigen. Besonders stark profitieren Patientinnen mit BRCA-Mutation.

Bei der 11th International Charité Mayo Conference gab Prof. Dr. Jonathan A. Ledermann einen Überblick zum Einsatz von PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom. Ledermann arbeitet an den University College London Hospitals. 

"Diese Erkrankung hatte lange Zeit eine schlechte Prognose", berichtet der Onkologe. "Wir sehen in Studien, dass das mediane progressionsfreie Überleben unter einer Platin-basierten Chemotherapie mit oder ohne Angiogenesehemmer gerade einmal 11 bis 19 Monate beträgt." Ledermann ergänzt: "Rund 70 Prozent aller Patientinnen mit First-Line-behandlung entwickeln innerhalb von drei Jahren Rezidive." Das zeige, vor welcher Herausforderung Onkologen stünden, um die Behandlungsergebnisse zu verbessern. Doch mit PARP-Inhibitoren zeige sich ein Silberstreif am Horizont.

Neue Wirkstoffklasse verhindert DNA-Reparaturen

Die Pharmaka haben – verglichen mit diesen Behandlungsstrategien – einen völlig anderen Wirkmechanismus. Sie hemmen das Enzym Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP). PARP ist an der Reparatur einzelsträngiger DNA-Brüche beteiligt, wie sie beispielsweise durch Zytostatika entstehen. Ziel der Behandlung von Patienten mit PARP-Inhibitoren ist, zu verhindern, dass maligne Zellen Defekte im Erbgut selbst beheben.

Liegen zusätzlich Veränderungen in den Genen BRCA1 oder BRCA2 vor, werden Krebszellen besonders empfindlich auf PARP-Inhibitoren, denn sie haben keine Möglichkeit mehr, Defekte im Erbgut zu reparieren. Patientinnen mit Ovarialkarzinom und BRCA-Mutation sprechen besonders gut an – das betrifft rund 50 Prozent aller Fälle.

Umfangreiche Studiendaten

Mittlerweile gebe es zahlreiche methodisch hochwertige Studien zu PARP-Inhibitoren, wie Ledermann betont. Einige Beispiele: In die randomisierten, placebokontrollierten Phase-3-Studie ENGOT-OV16/NOVA wurden Patientinnen mit Platin-sensitivem, rezidiviertem Ovarialkarzinom aufgenommen. Hatten sie eine BRCA-Mutation in der Keimbahn, erhöhte sich ihr progressionsfreies Überleben im Vergleich zu Placebo von 5,5 auf 21,0 Monate. Bei Frauen ohne diese Mutation stieg der Wert 3,0 auf 9,3 Monate.

Die Studie SOLO-2 war vom Design her eine randomisierte, placebokontrollierte Phase-2-Studie. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit Keimbahn-BRCA1/2-mutiertem Ovarialkarzinom, Eileiterkarzinom oder primärem Peritonealkarzinom. Die mediane Überlebenszeit betrug unter Verum 51,7 Monaten, in der Placebo-Gruppe waren es 38,8 Monate. Nach fünf Jahren lebten in der PARP-Gruppe noch 42,1 Prozent aller Teilnehmerinnen; in der Placebo-Gruppe waren es 33,2 Prozent. Ledermann betont, das Gesamtüberleben sei schwer zu beurteilen – sowohl wegen der langen progressionsfreien Phasen als auch wegen des Crossover-Designs. Aus der Placebo-Gruppe wurden 38 Prozent aller Frauen in die PARP-Gruppe überführt.

PARP-Inhibitoren auch als frühe therapeutische Option

Mittlerweile gebe es, wie Ledermann betont, etliche Hinweise auf den Nutzen für andere Patientengruppen. Im Rahmen der randomisierten, placebokontrollierten Phase-3-Studie PRIMA untersuchten Onkologen einen PARP-Inhibitor als Erstlinientherapie bei Patientinnen, die auf Platin-basierte Chemotherapie-Protokolle angesprochen haben. In der gesamten Kohorte betrug das progressionsfreie Überleben 13,8 Monate versus 8,2 Monate. Bei der 24-monatigen Zwischenanalyse errechneten die Forscher als Gesamtüberlebensrate 84 Prozent versus 77 Prozent. Patientinnen mit einem bestimmten Defekt in der DNA-Reparatur, der homologen Rekombinationsdefizienz, profitierten noch deutlicher. Ihr progressionsfreies Überleben betrug 21,9 Monate gegenüber 10,4 Monaten bei Placebo.

Nicht zuletzt zeigten Wissenschaftler bei PAOLA-1, dass sich PARP-Inhibitoren erfolgreich mit Angiogenesehemmern kombinieren lassen. In diese randomisierte doppelblinde Phase-3-Studie wurden Frauen mit neu diagnostiziertem Ovarialkarzinom eingeschlossen. Sie erhielten einen Angiogenesehemmer plus PARP-Inhibitor oder plus Placebo. In der Gruppe mit beiden Wirkstoffen lag das progressionsfreie Gesamtüberleben bei 22,1 Monaten, in der Vergleichsgruppe nur bei 16,6 Monaten. Teilnehmen konnten alle Frauen unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus.

Gute Verträglichkeit, orale Galenik

"Generell werden PARP-Inhibitoren gut vertragen", sagt Ledermann. Alle Substanzen der Gruppe zeigten ein ähnliches Profil an Nebenwirkungen. Im hämatologischen Bereich, etwa bei schweren Anämien, gebe es Unterschiede. "Auch ihre Aktivität ist ähnlich", so der Referent. Vorteilhaft sei die Anwendung in Tablettenform; Patientinnen müssten nicht ins Krankenhaus.

Quelle: 11th International Charité Mayo Conference, Presidial Lecture, 07.05.2021
Autor: Michael van den Heuvel