Symptomatische Hyperurikämie – viel mehr als nur Gicht

Neues zur symptomatischen Hyperurikämie stellte Dr. Anne-Kathrin Tausche vom Universitätsklinikum Dresden auf dem DGRh-Kongress in Frankfurt vor. Die Inzidenz der Hyperurikämie liegt bei 10%, die Inzidenz der Gicht bei 1,4%. Die erste nationale Gichtleitlinie, die S2e-Leitlinie Gichtarthritis wurde soeben publiziert.

Neues zur symptomatischen Hyperurikämie stellte Dr. Anne-Kathrin Tausche vom Universitätsklinikum Dresden auf dem DGRh-Kongress in Frankfurt vor. Die Inzidenz der Hyperurikämie liegt bei 10%, die Inzidenz der Gicht bei 1,4%. Die erste nationale Gichtleitlinie, die S2e-Leitlinie Gichtarthritis wurde soeben publiziert.

Therapieziel bei der Behandlung der symptomatischen Hyperurikämie ist die stabile klinische Remission, die als Freiheit von Gichtanfällen und Rückbildung von Tophi definiert ist. “Wir sind noch dabei zu lernen dass Gicht eben nicht nur eine Arthritis ist, sondern dass es sich dabei um eine Systemerkrankung handelt”, so die Rheumatologin.

Sie fügte hinzu: “Gicht und Hyperurikämie ist nicht nur Folge falschen Verhaltens. Die Vorwürfe gingen oft in die Richtung: Du isst zu viel, Du trinkst zu viel, Du bist selbst schuld”, so Tausche. Doch das sei nicht der Fall. Vielmehr sei die Hauptursache die verminderte renale Harnsäure-Ausscheidung.

Allein die funktionelle Niereninsuffizienz verursacht eine fünf- bis sechsfache Erhöhung des Gichtrisikos (OR 5,9). Mit dem Alter kommen Komorbiditäten dazu, Diuretika erhöhen das Gichtrisiko ebenfalls: Schleifendiuretika erhöhen das Gichtrisiko mit einer OR 2,64, Thiazide und Analoga mit einer OR 2,30 und kaliumsparende Diuretika mit einer OR 1,06.

“Das sind eine ganze Reihe Faktoren, die der Patient überhaupt nicht beeinflussen kann”, so Tausche. Hinzu kommen beeinflussbare Faktoren: Der Bier- und Fleischkonsum, auch die vermeintlich gesunden Smoothies enthalten viel Fructose – 13 g in 100 ml – “das verursacht eine schlechte Harnsäure-Ausscheidung und erhöht über den ATP-Verbrauch auch selbst die Harnsäure”, erklärt Tausche. Damit sei Gicht immer eine Kombination aus Faktoren die sich beeinflussen lassen und Faktoren, die nicht durch eine Verhaltensänderung beeinflussbar sind.

Diagnostisch fällt die Hyperurikämie durch heftigen, raschen und anfallsartigen Schmerz auf. Entsprechend der Leitlinie sollte immer eine Gelenkpunktion angestrebt werden. “Ein Muss besteht dann, wenn eine unklare Arthritis vorliegt, dahinter könnte auch eine septische Arthritis stecken und auch bei atypischer Präsentation muss punktiert werden”. Folgen sollte dann eine Mikroskopie mit Nachweis von Harnsäurekristallen, neben der mikrobiologischen Untersuchung, mit der eine septische Arthritis ausgeschlossen werden kann. Hilfreich ist der Einsatz von Ultraschall und die Dual-Energy-Computer-Tomographie (DECT).

“Bei der Therapie der Gicht ist eine kausale Behandlung wesentlich. Das bedeutet: Die Harnsäure senken.” Unterstützend kann die DAESH-Diät empfohlen werden, die die Harnsäure ein wenig senke. Mittel der ersten Wahl zur Senkung der Harnsäure sind ansonsten die Urikostatika Allopurinol und Febuxostat. Können Urikostatika nicht eingesetzt werden oder lässt sich die Harnsäure nicht ausreichend senken, kommen Urikosurika (Benzbromaron oder Probenecid) infrage. Auch Kombinationen sind möglich.

Tausche rät davon ab, den Patienten im akuten Gichtanfall auf Allopurinol zu setzen. “Dazu muss der Harnsäurewert erhoben werden, doch der ist im akuten Anfall zu niedrig um aussagekräftig zu sein”. Tausche empfiehlt deshalb zunächst die Schmerzen des Gichtanfalls zu behandeln und dann nach dessen Abflauen die Ursachen zu bekämpfen. Anfallsprophylaxe mit Colchicin 0,5 mg 1-2 x tgl. oder NSAR(GC niedrig dosiert). Ziel ist eine treat-to-target-Therapie auf

< 360 µmol/l (<6 mg/dl), liegt eine tophöse Gicht vor sollte der Zielwert bei: < 300 µmol/l (< 5mg/dl) liegen. Laborkontrollen sollten initial häufiger gemacht werden, später vierteljährlich

Die Gicht gehört in das Umfeld des metabolischen Syndroms, betont Tausche. Patienten mit symptomatischer Hyperurikämie bzw. haben oft ein assoziiertes metabolisches Syndrom und/oder weisen andere Komorbiditäten auf (Niereninsuffizienz, pAVK) und leiden an einer (chronischen) Inflammation: All das führt zu einem höheren kardiovaskulären Risiko. Dass erhöhte Harnsäurewerte ganz direkt mit kardiovaskulären Ereignissen und auch mit dem plötzlichen Herztod verknüpft sind, zeigt eine Studie von Kleber et al. aus 2015.

Weitere metabolische Erkrankungen sollten deshalb unbedingt mit behandelt werden. Gicht triggere immer wieder Inflammation, auch wenn sie subklinisch bleibe, so Tausche und fügte hinzu: “Der Anfall ist nur die Spitze des Eisbergs”. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Bei der Bildung von Harnsäure ist die Xanthinoxidase aktiv. Als Nebeneffekt bilden sich Radikale und führen zu Gefäßkonstriktionen und einer erhöhten Gefäßsteifigkeit. Umgekehrt gilt: Wird die Xanthinoxidase gehemmt, bessert sich die Gefäßfunktion. Wichtig sei deshalb eine kausale Behandlung der metabolischen Störung. Initial die Gabe von Xanthinoxidase-Inhibitoren und zur Senkung der Harnsäure die Gabe von Urikosurika und ggf. Kombinationen. “Harnsäure bedeutet eben nicht nur Arthritis. Und eine symptomatische Hyperurikämie ist mehr als Gicht”, schloss Tausche.

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Quelle: 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Congress Center Messe Frankfurt, 31. August bis 3. September

Berlin Chemie AG: Symptomatische Hyperurikämie (Gicht) Update, 7 Uhr bis 8.15 Uhr, Freitag, 2. September2016.