HIV und Co-Infektionen: Wege zur Eliminierung

HIV kommt selten allein. Deshalb schaut die Forschung nicht nur bei HI-Viren genauer hin, sondern auch bei den wichtigsten Erregern anderer Infektionen. Im kanadischen Montreal ging es bei der AIDS 2022 deshalb neben HIV auch um Hepatitiden und Tuberkulose.

Diskussion zur Bekämpfung von Infektionen

Unter der Leitung des deutschen Virologen Jürgen Rockstroh diskutierten Marina Klein (Kanada) und Jacqueline Huh (Schweiz) mit dem Publikum über Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Infektionen, ihre Gemeinsamkeiten, ihre Unterschiede und vor allem über Wege aus den jeweiligen Epidemien.

Klein, die in Montreal am Research Institute des Gesundheitszentrums der McGill University als Ärztin und Infektiologin arbeitet, widmete sich einem Vergleich zwischen HIV, Hepatitis B (HBV) und C (HCV). Danach gelten für den Umgang mit den drei Infektionen unterschiedliche Herausforderungen. Das fange bei der Frage nach den Testungen an. Technisch sei HIV am einfachsten zu diagnostizieren, denn prinzipiell könnten einfach zu handhabende Tests überall verfügbar sein. Anders ist das bei HBV, weil diese Infektion in komplexen Phasen verläuft und deshalb mit DNA-Tests nachgewiesen wird. Für HCV-Tests hingegen sind bei chronischer Infektion RNA-Tests erforderlich.

Behandlung: der Zugang ist entscheidend

Auch bei der Behandlung der drei Infektionen gibt es große, strukturell relevante Unterschiede. HIV verlangt wie HBV grundsätzlich nach einer lebenslangen antiretroviralen Therapie. Bei HCV ist dagegen mit der Behandlung auch die Heilung möglich. Das Problem für alle drei Infektionen: der Zugang zu den vorhandenen Medikamenten, vor allem in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommensverhältnissen.

Prävention braucht Harm Reduction und Gerechtigkeit

In der Prävention bestehen für die drei Erreger unterschiedliche Herausforderungen. Eine Impfung existiert nur für HBV, diese ist jedoch hochwirksam. Sie könnte aber noch viel besser eingesetzt werden, vor allem bei Kindern in Hochprävalenzländern. Für eine erfolgreiche HCV-Prophylaxe sind vor allem Maßnahmen der Schadensminderung ("Harm Reduction") entscheidend, allen voran die Entkriminalisierung von entsprechendem Drogengebrauch. Für die HIV-Prävention fehlt weiterhin eine Impfung, deshalb kommen vielfältige Ansätze in Frage, die allerdings nicht überall dort verfügbar sind, wo sie gebraucht werden. Klein nannte dabei die wirksame antiretrovirale Therapie (ART) ebenso wie die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP).

Insgesamt zeigte Klein, welche Probleme die unterschiedlichen und ungerechten Verhältnisse beim Zugang zu Prävention und Therapie für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen. Ob jemand von den bestehenden Möglichkeiten profitieren kann, hänge zu sehr davon ab "who you are and where you are". Beispielsweise erreichen Maßnahmen und Angebote Frauen und marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu selten. Sie forderte, die bisherige vertikale Betrachtung der Infektionen in einen ganzheitlichen Blick auf Gesundheit zu überführen.

Dezentralisierung wirksam gegen TB

Jacqueline Huh, Mitgründerin der Initiative Re-Imagining TB-Care aus der Schweiz, richtete den Blick auf die Bekämpfung der Tuberkulose (TB).

Um die dreifache Belastung durch HIV, TB und Covid zu reduzieren, forderte sie in ihrem Vortrag vor allem eine umfassende Versorgung, also "integrated services" für Gesundheit. Dabei wären insbesondere die Bevölkerungsgruppen, die am stärksten belastet sind, zu berücksichtigen. Solche Gruppen und Communitys müssten zudem entstigmatisiert und miteinander verbunden agieren können. Huh berichtete von zwei Pilot-Projekten, die ihre Organisation mit Uganda und Vietnam plant. Es liegt dabei in den Händen der jeweiligen Länder, wie sie beispielsweise ihre Versorgung dezentralisieren – und so auch die Zugänge zu den Angeboten der Tuberkuloseversorgung erleichtern.

Alle Länder verantwortlich

Im Austausch mit dem Publikum zeigte sich, dass es noch ein weiter Weg ist, um HIV, Hepatitis und Tuberkulose zu eliminieren, wie es UNAids und die Weltgesundheitsorganisation als Ziel vorgeben. Es fehlen zwar auch weiterhin medizinische Möglichkeiten wie Impfungen, aber grundsätzlich sei der wissenschaftliche Fortschritt als schnell und wirksam zu beurteilen. Daher ist, so die Fachleute, für den Umgang mit den jeweiligen Pandemien nicht nur die Wissenschaft, sondern wesentlich auch der politische Wille entscheidend. Beispielsweise habe Ägypten, ein Land mit bestenfalls mittleren Einkommen, sich bei HCV vorbildlich engagiert. Doch ohne verstärkte Maßnahmen im öffentlichen Gesundheitswesen aller betroffenen Länder wird die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen und Todesfälle bei allen Infektionen weiter steigen.

 

Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur AIDS 2022.

Über Neuigkeiten zu HIV und anderen Infektionskrankheiten sprachen auch die Referenten beim STI-Kongress 2022. Hier finden Sie die Berichterstattung zum STI-Kongress 2022.

 

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