Mit Intersektionalität für mehr Chancengleichheit bei Frauen mit HIV und AIDS

Das globale Gesundheitswesen muss dekolonisiert werden. Frauen mit HIV aus allen Teilen der Welt müssen nicht nur mit Programmen versorgt, sondern auch dazu befähigt und darin unterstützt werden, selbst ihre Programme zu entwickeln.

3 Dinge, die Frauen mit HIV und AIDS weltweit dringend benötigen

  1. HIV-Programme, die nicht eurozentrisch sind

  2. Programme, die frei von Diskriminierung und Marginalisierung sind

  3. Beteiligung

Warum das globale Gesundheitswesen dekolonisiert werden muss

Wenn man Wikipedia befragt, und damit den Begriff "Feminismus" auf eine sehr grundlegende Verständnisebene reduziert, lernt man, dass es sich dabei um einen Oberbegriff für eine Reihe unterschiedlicher Bewegungen handelt, die für "Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen jeglichen Geschlechts sowie gegen Sexismus eintreten".

Das globale öffentliche Gesundheitswesen wird noch immer von einer eurozentristischen Perspektive dominiert, in der Männer das Sagen haben. Frauen sind in diesem Bereich unterrepräsentiert, genauso wie nicht westliche Vorstellungen davon, wie ein öffentliches Gesundheitswesen beschaffen sein könnte. Ebenso wird der Feminismus als westliche Erfindung - oder Errungenschaft, je nachdem - gehandelt. Das sagt erst einmal nichts weiter aus, als dass es eine Gruppe von Menschen gab, die über genügend Macht und die Gelegenheit verfügten, Feminismus für sich zu beanspruchen und ihm eine Herkunft zuzuweisen: eine durchweg koloniale Praxis. Darüber, wie Feminismus entstanden ist und gelebt wird, sagt es nichts aus. Es ist die Macht über das Narrativ, die zählt. Zahlreiche Gesellschaften, die traditionell matriarchal geführt wurden, bevor Feminismus überhaupt zum Begriff wurde, kommen in der feministischen Geschichtsschreibung gar nicht vor und auch nicht zu Wort. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Leben und die Behandlung nicht weißer Frauen, die mit HIV infiziert oder an AIDS erkrankt oder anderweitig davon betroffen sind.

Was könnte also eine Dekolonisierung des globalen Gesundheitswesens bedeuten? Was brauchen Frauen weltweit, die mit HIV leben, um angemessen behandelt zu werden? Um diese Fragen zu beantworten, muss man zunächst anerkennen, dass es sich bei Frauen, die von HIV betroffen sind, nicht um eine homogene Gruppe handelt. Hautfarbe, Herkunft, soziale Zugehörigkeit, Sprache, sexuelle Orientierung, sexuelle Identität und vieles mehr sind miteinander verschränkte Faktoren, die benannt und berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht, bedarfsgerechte Angebote zu machen. Differenz muss anerkannt und zur Grundlage gemacht werden. Dazu benötigt man intersektionale Angebote. Denn auch wenn alle Betroffenen sich mit demselben gesundheitlichen Problem konfrontiert sehen, gibt es jeweils ganz unterschiedliche Faktoren, die den Umgang damit und ihre Bedürfnisse bestimmen.

Zugangsbarrieren müssen ab-, Teilhabe aufgebaut und Wissensformen anerkannt werden, die jenseits des westlichen akademischen Systems real existent sind. Zugang zu den dominanten Wissenssystemen muss ermöglicht werden, denn die Chance auf Bildung ist noch immer weitestgehend durch die Herkunft determiniert. Frauen weltweit brauchen Zugang zu medizinischen Therapien, zu Geburtenkontrolle, sie müssen ihre Sexualität frei leben können, ihre Würde und Selbstbestimmung muss gewahrt werden.

Das bedeutet, betroffene Frauen aus allen Teilen der Welt nicht nur mit Programmen zu versorgen, sondern sie dazu zu befähigen und darin zu unterstützen, selbst ihre Programme zu entwickeln. 

Dieser Kommentar basiert auf dem Vortrag “Intersectional feminist approaches” von Morolake Odetoyinbo auf der diesjährigen AIDS-Konferenz. esanum hat die 24. Internationale AIDS-Konferenz in Montreal, Kanada, vom 29.07. - 02.08.22  begleitet. Hier geht es zur Konferenz-Berichterstattung.