Haut und Seele im Gleichgewicht: Das biopsychosoziale Modell in der Dermatologie – Einblicke für die Praxis

Prof. Peters erklärt, wie biologische, psychische und soziale Faktoren bei Hautentzündungen untrennbar verbunden sind. Fallbasierte Beispiele verdeutlichen die praktische Anwendung dieser Erkenntnisse in der Therapieplanung.

Interview mit Prof. Eva Peters

Die Suche nach psychosozialen Interaktionen als Schlüssel

Um die Balance zwischen Bio, Psycho und Sozial zu verstehen, rät Prof. Peters, zunächst nach Interaktionen der psychosozialen Ebene mit der Hauterkrankung zu suchen. Dabei spielen zeitliche Korrelationen zwischen dem Beginn oder der Verschlechterung der Erkrankung und bedeutenden Lebensereignissen eine wichtige Rolle. Umbruchphasen wie der Übergang in neue Lebensabschnitte, Partnerschaftsveränderungen oder Jobwechsel stellen hohe Anforderungen an den Körper und die Psyche und können sich in veränderter Stresshormon- und Neuropeptidausschüttung manifestieren, was wiederum die Reaktionen auf Umweltfaktoren wie Allergene beeinflusst. „Wir haben ja so ein bisschen die Vorstellung, wir können zu einem Zustand jederzeit zurückkehren, den wir vielleicht einen homöostatischen, gesunden Ursprungszustand nennen. Und idealerweise bietet uns die Medizin eine Pille für das eine Problem, das uns gerade mal aus dieser Balance herausgebracht hat. Und wie wir alle wissen, selbst wenn wir einen kräftigen Schnupfen hatten, wir sind hinterher nie wieder ganz so, wie wir es vorher waren.“ Statt Homöostase spricht Prof. Peters von Allostase, der Fähigkeit, sich immer wieder neu biologisch und psychosozial einzurichten.

Fallbeispiel Neurodermitis: Triggerfaktoren und ganzheitliche Betrachtung

Anhand einer Neurodermitis-Patientin mittleren Alters, deren Ekzeme nach einer Ruhephase in der Pubertät wiederkehrten, illustriert Prof. Peters die Notwendigkeit, nach Triggerfaktoren zu fragen. Sie betont, dass eine rein symptomorientierte Behandlung ohne Berücksichtigung psychosozialer Belastungen oft nicht ausreichend greift. Eine umfassende Anamnese, die auch Lebensumstände und Stressoren erfasst, ist essenziell, um eine tragfähige therapeutische Beziehung aufzubauen und den Patienten als Ganzes zu sehen.

Wechselwirkungen und Verstärkungseffekte: Der Teufelskreis der Entzündung

Prof. Peters erläutert die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen und sozialen Faktoren. Eine Hautentzündung kann zu Schlafstörungen, sozialer Belastung und Stigmatisierung führen, was wiederum Stressreaktionen im Körper auslöst. Chronischer Stress kann den Cortisolrhythmus stören und zu einer erhöhten Nervenfaserdichte in Haut, Atemwegen und Darm führen, was die Ausschüttung von Neuropeptiden und somit Entzündungsreaktionen triggert oder verstärkt. Stress schwächt zudem die Hautbarriere, wodurch Allergene und Schadstoffe leichter eindringen können und Entzündungen begünstigen. Stress ist somit nicht nur Folge, sondern auch Ursache und Verstärker von Entzündungsprozessen.

Individuelle Analyse als Grundlage der Therapieplanung

Als Psychodermatologin mit doppelter Expertise betont Prof. Peters, dass die individuelle Gewichtung der bio-, psycho- und sozialen Faktoren im konkreten Fall maßgeblich die Therapieplanung beeinflusst. Gemeinsam mit den Patienten werden die führenden Faktoren für Symptome und Krankheitsverlauf identifiziert. Oft erkennen die Patienten selbst die Zusammenhänge, insbesondere im Hinblick auf Stressoren und ungesunde Bewältigungsmechanismen. Wichtig ist die Adressierung aller identifizierten Knotenpunkte.

Psychoedukation und die Rolle des Patientenverständnisses

Die Psychoedukation, also die Vermittlung des Konzepts der Wechselwirkungen zwischen Haut, Psyche und sozialem Umfeld, ist ein wichtiger Aspekt in der Behandlung. Prof. Peters betont, dass Wissen allein nicht heilt, aber Patienten in die Lage versetzt, ihre Situation besser einzuschätzen. Sie vergleicht die Veränderung ungünstiger Verhaltensmuster mit dem Erlernen des Fahrradfahrens – ein Prozess, der Zeit und Übung erfordert. Bei chronischen Stressoren wie Konflikten kann Psychotherapie helfen, neue Beziehungserfahrungen und Verhaltensweisen zu entwickeln.

Die Bedeutung der Psychotherapie und die Versorgungslage in Deutschland

Prof. Peters beobachtet in ihrer Praxis häufig die Notwendigkeit und den Erfolg von Psychotherapie bei Hautpatienten. Studien zeigen jedoch, dass dies insgesamt noch zu selten geschieht. Sie verweist auf die laufende Entwicklung einer neuen Leitlinie für psychosomatische Dermatologie, die darauf abzielt, das Wissen um diese Zusammenhänge zu verbreiten. Entgegen der oft geäußerten Klage über lange Wartezeiten betont Prof. Peters, dass Deutschland eine hohe Dichte an Psychotherapeuten aufweist und Therapieplätze in der Regel innerhalb von sechs bis zwölf Wochen gefunden werden können. Diese Information müsse breiter in das Bewusstsein dringen.