- Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 30.04. bis 03.05.2025, City Cube, Berlin.
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Sitzung: Freie Vorträge 2, 1. Mai
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Um Menschen mit Vitiligo und psychischen Erkrankungen (Mental Health Diseases, MHD) diagnostisch zu validieren, hatten Augustin und sein Team Routinedaten einer bundesweiten Krankenkasse aus dem Zeitraum 2016 bis 2020 ausgewertet. Eingeschlossen waren die Daten von knapp 2,9 Millionen gesetzlich Versicherten.
Augustin hob hervor, dass Sekundärdaten, zu denen auch Krankenversicherungsdaten zählen, ein großes Bias-Risiko aufweisen: Nicht alle Menschen, die krank sind, gehen auch zum Arzt und lassen sich behandeln. „Sie tauchen also erst gar nicht im Abrechnungssystem der Krankenkassen auf. Bei Vitiligo spielt das eine große Rolle.“
Die von Augustin und seinem Team in den Krankenkassendaten gefundene Prävalenz der Vitiligo liegt bei 0,2%. Die Prävalenz der Vitiligo in den Primärdaten (100.000 von Dermatologen befragte Personen) liegt hingegen bei 0,8%. „Das ist vier Mal mehr. Das heißt: Nur ein Viertel derjenigen, die in Deutschland an Vitiligo leiden, gehen damit zum Dermatologen. Vielleicht, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass man ihnen nicht helfen kann“, berichtete Augustin.
Dass die Datenlage zu Menschen mit Vitiligo und MHD in Deutschland beschränkt ist, hat mehrere Gründe: Inkonsistenzen bei der Diagnosestellung, Fehlklassifizierung, unvollständige Kodierung sowie Verzerrung zwischen vergangenen und aktiven Diagnosen.
Ziel der Untersuchung war, die Fehleranfälligkeit der Beschreibung “Vitiligo und MHD” in den Krankenkassendaten zu prüfen. Die Forscher führten zunächst eine systematische Literaturrecherche durch und screenten Leitlinien und Guidelines. Dazu fanden mehrstufige Konsensusverfahren mit Klinikern und Experten zur Identifikation relevanter Aufgreifkriterien (219 ICD-10 Codes, 53 therapeutische Behandlungen, 12 Arzneimittel) statt. Schließlich wurden drei Falldefinitionen aufgestellt, wie man MHD in den GKV-Daten feststellen kann:
1. Wer war überhaupt in der Versorgung?
2. Und in Verbindung mit Medikamenten?
3. Und in Verbindung mit Psychotherapie?
Die drei Falldefinitionen wurden auf die Daten angewendet und hinsichtlich ihrer Plausibilität durch Kliniker verglichen. Untersucht wurde auch, wie sich verschiedene Erkrankungen gegeneinander verhalten: Etwa Vitiligo versus Atopische Dermatitis, Vitiligo versus Psoriasis und Vitiligo versus kein Vitiligo. Angepasst für Alter und Geschlecht mittels des Propensity-Score-Matchings wurde die Strukturgleichheit zwischen den einzelnen Erkrankungsgruppen herbeigeführt.
Die Gesamtprävalenz von Vitiligo in den GKV-Daten (n=4931) lag bei 0,19%. Das wären in Deutschland etwa 148.437 Personen. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren, Frauen waren häufiger von Vitiligo betroffen. Unter den MHD traten am häufigsten depressive Episoden (stabile Prävalenzschätzung nach allen Falldefinitionen) und somatoforme Störungen auf. Augustin wies daraufhin, dass die Anwendung von Falldefinition 3 (in Verbindung mit Psychotherapie) die tatsächlichen Prävalenzen unterschätzen könnte, etwa, wenn keine akute therapeutische Behandlung stattfinde oder wenn die Therapie privat bezahlt würde.
Beim Vergleich der Vitiligo-Patienten mit Patienten mit Atopischer Dermatitis zeigte sich ein ähnliches Bild der MHD, wobei psychische Auffälligkeiten durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom und schizo-affektive Störungen bei Psoriasis-Patienten deutlich häufiger auftraten. Augustin hält Sensitivitätsanalysen zur Validierung der Falldefinitionen und Langzeitstudien zur Verbesserung der Klassifikationskriterien für psychische Erkrankungen für notwendig. Er empfahl darüber hinaus, Vitiligo-Patienten auf psychische Komorbiditäten zu screenen. Denn die Patienten mit hoher psychischer Belastung würden von einer effektiven Therapie ganz besonders profitieren.
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