50 bis 80% der Patienten erreichen nach Erstlinientherapie keine Langzeitremission. Wird keine Remission erreicht oder kommt es innerhalb von sechs Monaten zu einem Rezidiv, beginnt die Zweitlinientherapie mit TRA, Fostamatinib oder einer Splenektomie, auch die Gabe von Rituximab (Off-Label) kann erwogen werden. Treten im Rezidiv keine oder nur minimale Blutungen auf, kann abgewartet oder therapiert werden. Tritt nach mehr als sechs Monaten therapiefreier Zeit ein Rezidiv auf, kann eine erneute Steroidtherapie erwogen werden – bei langer Remissionsdauer und gutem Ansprechen der Ersttherapie, betont Chromik. Eltrombopag und Avatrombopag eignen sich für die chronische ITP, mit der Gabe von Eltrombopag oder Romiplostim kann unmittelbar nach Steroidversagen begonnen werden.
TPO-RA wie Eltrombopag, Romiplostim (als Injektion) oder Avatrombopag (oral) weisen Ansprechraten zwischen 59 und 88% auf. Switchen ist möglich, da keine Kreuzresistenz vorliegt. Unter der Zweitlinientherapie mit TPO-RAs erreichen 70 bis 80% der Patienten ein Langzeitansprechen (doi: 10.3324/haematol.2016.161968). Allerdings, so Chromik, weisen TPO-RAs keine direkte immunmodulatorische oder antiinflammatorische Wirksamkeitauf. Der SYK-Inhibitor Fostamatinib zeigt in einer 5-Jahres-Langzeitstudie (doi:10.1177/20406207211010875) ein dauerhaftes Ansprechen. 70% der Patienten profitieren und die Sicherheit sowie Effizienz waren in allen Subgruppen stabil. Fostamatinib erhöht die Thrombozytenzahl und schützt Thrombozyten vor dem Abbau. Eine frühe Therapie führt zu erhöhten Ansprechraten (doi: 10.1111/bjh.16959). Auch Real-World-Daten (doi: 10.1182/blood.2024024250) zu Fostamatinib aus Spanien zeigen eine gute Wirksamkeit in allen Patientengruppen, ein hohes Ansprechen in frühen Therapielinien und ein gutes Sicherheitsprofil mit einem niedrigen Risiko für thrombotische Ereignisse. Ein Ausschleichen der TPO-RA-Therapie ist bei ausgewählten Patienten möglich.
Neue Horizonte: CAR-T-Zell-Therapie in der ITP-Behandlung
Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine Therapie mit genetisch modifizierten T-Zellen. Sie wurde ursprünglich als Krebsbehandlung entwickelt, 2011 wurde erstmals ihr Einsatz bei CLL publiziert, 2012 bei kindlicher ALL. Die CAR-T-Zelltherapie werde bei den rezidivierten Lymphomen und auch bei den Myelomen eingesetzt, berichtete Trautmann-Grill. ALL sei eine eher seltene Indikation, aber auch da sei die CAR-T-Zelltherapie mittlerweile gut etabliert.
Dem Patienten werden Lymphozyten entnommen und im Anschluss werden sie modifiziert. Ein Gentransfer erfolgt und der CAR wird auf der Oberfläche der T-Zelle exprimiert. Diese modifizierten CAR-T-Zellen werden aktiviert und dann dem Patienten zurückgegeben. Der Patient muss entsprechend vorbereitet sein und erhält vor der Rückgabe eine milde Chemotherapie zur Lymphodepletion, was mit einem stationären Aufenthalt von zwei Wochen verbunden ist. „Verglichen mit einer Stammzelltransplantation ist der Eingriff eher unspektakulär“, so Trautmann-Grill.
Auch bei den Autoimmunerkrankungen hat die CAR-T-Zelltherapie inzwischen einen zunehmenden Stellenwert. 2024 wurde eine Fallserie (doi: 10.1056/NEJMoa2308917) mit 15 schwer autoimmun erkrankten Patienten publiziert, die mit CAR-T-Zellen behandelt worden waren: Darunter acht Patienten mit systemischem Lupus Erythematodes, drei Patienten mit Myositis und vier mit Systemischer Sklerose. Zum Zeitpunkt der Publikation hatten die Patienten ein medianes Follow-up von 15 Monaten und 11 Patienten wiesen eine komplette Krankheitskontrolle auf. Besonders bemerkenswert war die Symptomverbesserung bei den Patienten mit Systemischer Sklerose. Die CAR-T-Zelltherapie erwies sich als gut verträglich.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Phase-II-Studien zur CAR-T-Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen, Phase-III-Studien sind in Planung. CAR-T-Zelltherapien sind eine etablierte und sehr wirksame Therapie bei hämatologischen Malignomen und sie sind eine vielversprechende neue Option bei B-Zell-vermittelten Autoimmunerkrankungen. Die CAR-T-Zell-Therapie bei refraktärer ITP erzielt eine komplette Remission, weist eine gute Verträglichkeit auf und führt zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität. Eine Weiterentwicklung sowie klinische Studien zur CAR-T-Zell-Therapie bei refraktärer ITP sind wünschenswert, schloss Trautmann-Grill.
Sekundäre Immundefekte im Kontext neuer Therapien
Im Kontext neuer Therapien muss mit verschiedensten Infektionen gerechnet werden, Weide unterschied grundsätzlich:
- Bakterielle Infektionen,
- Pilzinfektionen,
- Virusinfektionen,
- Sekundäre Immundefekte (SID) mit dem Schwerpunkt IgG-Mangel.
Im Hinblick auf alle Patienten, die eine zytoreduktive Therapie erhalten, auch bei Patienten mit höher dosierter Steroidtherapie, empfiehlt Weide, dass auf dem Medikamentenplan dokumentiert wird: Bei Fieber über 38°C sofort Moxifloxacin 400 mg pro Tag und Kontakt zur Praxis aufnehmen. „Es ist immens wichtig, dass die Patienten ihr Moxifloxacin zuhause haben, mit der Einnahme muss sofort begonnen werden“, betonte Weide. Er berichtete, in seiner Praxis keine routinemäßige antibakterielle Prophylaxe durchzuführen - aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung. Bei Patienten mit hohem Risiko sollte eine antibakterielle Prophylaxe im Einzelfall erwogen werden.
Die wichtigste Pilzinfektion für die Praxis ist die Pneumocystis jirovecii. Ein hohes Risiko besteht für Patienten mit ALL, nach allogener Stammzelltransplantation, unter Langzeittherapie mit Steroiden und bei Therapie mit Fludarabin plus Cyclophosphamid plus Rituximab. Ein intermediäres Risiko liegt vor:
- nach R-CHOP14 oder BEACOPP eskaliert
- nach Therapie mit Nukleosid-Analoga
- nach Ganzhirnbestrahlung plus hochdosierte Steroide
- bei einer CD4-Zellzahl von <200/µl.
Eine besondere Indikation liegt bei Alemtuzumab, Idelalisib und Ganzhirnbestrahlung plus Temozolomid vor. Besteht die Neutropenie <7 Tage, empfehlen die Onkopedia-LL keine Routine-Indikation zur antimykotischen Prophylaxe, sondern eine individuelle Risikoabschätzung. Bei einer Neutropenie ≥ 7 Tage eine antimykotische Prophylaxe, z.B. bei AML/MDS mit Posaconazol.
Virusinfektionen spielen bei allen hämatologischen Patienten eine große Rolle. Zu den Risikofaktoren zählen: Maligne hämatologische Grunderkrankung, Immunsuppression durch Steroide, GvHD, Zytopenien und Immunglobulinmangel. Reaktivierungen von Virusinfektionen sind häufig bei Tumorpatienten, deshalb ist die Impfung gegen Gürtelrose wichtig. Die Letalität von Virusinfektionen, insbesondere CRVs ist hoch. Abstriche bzw. bronchoalveoläre Lavagen sichern die Diagnose von CRVs. Ein Screening auf Hepatitis B und C vor Chemotherapie ist zwingend erforderlich.
Bei chronischer Hepatitis B ist eine antivirale Prophylaxe unter Chemotherapie notwendig. Bei Hepatitis C ist eine antivirale Therapie vor der Chemotherapie im Einzelfall sinnvoll. Auch sollte an Virus-Koinfektionen wie z.B. HIV gedacht werden. Weide betonte, dass Impfungen wichtig sind, um sekundäre Immundefekte mit IgG-Mangel abzumildern. CAR-T-Zell-Therapien und bispezifische Antikörper steigern das Risiko durch SID. Ein Immunmonitoring (T-Helferzellen, Serum-IgG-Spiegel) ist unerlässlich. Sofern die EMA-Kriterien erfüllt sind, sollte mit einer IgG-Substitution begonnen werden. Eine subkutane IgG-Substitution ist dabei einer intravenösen Substitution nicht unterlegen.
- Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), 24.-27. Oktober 2025, Messe Köln. https://www.jahrestagung-haematologie-onkologie.com/ Grifols Deutschland Industriesymposium: Cutting Edge: Moderne Therapie der ITP und Management sekundärer Immundefekte, 26. Oktober 2025.