Neues zur Immunthrombozytopenie

Die ITP fordert Mediziner mit komplexer Pathogenese und individualisierter Behandlung heraus. Wie moderne Diagnostik und innovative Wirkstoffe die Therapie verändern.

Grundlagen der Erkrankung

Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine erworbene Thrombozytopenie aufgrund einer Autoimmunreaktion gegen Thrombozyten und Megakaryozyten. Dabei liegt die Thrombozytenzahl per Definition wiederholt unter 100.000/µl, erklärte Trautmann-Grill.

Die Inzidenz der ITP liegt bei Erwachsenen bei etwa 0,2 bis 0,4 Neuerkrankungen pro 10.000 Einwohner pro Jahr, die Prävalenz beträgt 0,9 bis 2,6 pro 10.000 Einwohner. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 55 Jahren, wobei zunehmend ältere Personen an einer ITP erkranken. Mädchen und Frauen sind grundsätzlich häufiger betroffen, ab dem 60. Lebensjahr überwiegt dann jedoch das männliche Geschlecht.  

Die Pathogenese der ITP ist komplex. Man habe lange gedacht, dass es sich um eine hauptsächlich B-zellulär vermittelte Erkrankung handelt, bei der sich Autoantikörper gegen Thrombozyten bilden. Doch eine Erkenntnis der letzten 15 bis 20 Jahre sei, dass sich diese Autoantikörper nicht nur gegen die Thrombozyten richten, sondern auch gegen die Megakaryozyten im Knochenmark. „Man hat auch eine beeinträchtigte Megakaryopoese. Es liegt auch eine T-zelluläre Dysregulation vor und eine allgemeine Dysregulation in der Immunität“, erklärte Trautmann-Grill.

Klinische Phasen der Immunthrombozytopenie

Die Unterscheidung der ITP in drei Krankheitsphasen ist schon etwas älter (doi: 10.1182/blood-2008-07-162503) und wird derzeit überarbeitet, ein Update zur Einteilung wird für nächstes Jahr erwartet. Bislang wird unterschieden in eine:

  • Neu diagnostizierte ITP,
  • Persistierende ITP (3 Monate),
  • Chronische ITP (12 Monate).

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient eine Remission erreicht, ist zu Beginn der Erkrankung am höchsten und nimmt dann mit der Länge der Krankheitsdauer ab: „Aber auch Patienten, die chronisch erkrankt sind, können immer noch eine Remission erreichen“, betonte Trautmann-Grill.

Noch immer gibt es für die ITP keine verlässlichen Prädiktoren und keine bekannten Risikofaktoren für eine Chronifizierung. „Wir sind hier auf die Klinik und auf unsere individuelle Einschätzung angewiesen“, so die Expertin. Die Einteilung nach Stadien ist für die Behandlung relevant, denn für eine chronische ITP stehen mehr therapeutische Optionen zur Verfügung, z.B. der Syk-Inhibitor oder das Avatrombopag. Klassischerweise zeigen Patienten mit ITP relativ milde Blutungssymptome (Petechien, Hämatome) – „meist geringer ausgeprägt als bei vergleichbaren Thrombopenien anderer Ursache“, so Trautmann-Grill. Häufig gehen eine reduzierte Lebensqualität und Fatigue (bis zu 30%) mit der Erkrankung einher.

Initiale Diagnostik bei Verdacht auf ITP

Bei Verdacht auf das Vorliegen einer ITP empfiehlt Trautmann-Grill wie folgt vorzugehen:

  • Anamnese und Medikamentenanamnese
  • körperliche Untersuchung (auf Faktoren achten, die nicht zu einer ITP passen;  eine Splenomegalie z.B. ist kein Hinweis auf eine ITP)
  • Blutausstrich
  • Infektserologie durchführen (HIV, Hep B und C)
  • speziell bei jüngeren Patienten: Eine quantitative Messung der Immunglobuline, da Immunthrombopenie ein Symptom einer versteckten Immundefizienz sein kann.
  • evtl. eine Knochenmarkdiagnostik bei atypischem Befund und/oder bei älteren Patienten

Trautmann-Grill betont, dass es aufgrund der Seltenheit der ITP wenig qualitativ gute Daten gibt und kaum randomisierte Studien. Die Leitlinien zur Therapie der ITP basieren auf Expertenempfehlungen. Es gibt keinen spezifischen Labortest auf ITP, die Erkrankung ist eine  Ausschlussdiagnose. Für eine ITP sprechen:

  • ein bis auf die niedrige Thrombozytenzahl normales Blutbild (außer Blutungsanämie),
  • nach Gabe von Steroid/IVIG Verdopplung der Thrombozyten, mindestens ein Anstieg auf >30 Gpt/l.

Steroide in der Erstlinientherapie

Für die Erstlinientherapie gilt: Bei keinen oder geringen Blutungen und einer Thrombozytenzahl von >20-30x109 pro Liter kann entweder abgewartet werden oder die Gabe von Dexamethason oder Prednisolon erfolgen. Liegen höhergradige Blutungen vor, wird die Gabe eines Steroids plus i.v. Immunglobuline empfohlen. Trautmann-Grill erinnerte daran, dass Steroide aufgrund der Nebenwirkungen bei ITP auf maximal 6 bis 8 Wochen begrenzt werden sollten. 

Tritt keine Remission ein oder entwickelt sich ein Rezidiv, sieht die Behandlung in der  Zweitlinie so aus: Bei keinen oder minimalen Blutungen warten und beobachten. Wünscht der Patient eine Therapie, kommt die Gabe eines Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten wie z.B. Avatrombopag, Eltrombopag oder Romiplostim infrage.

Entwickeln die Patienten nach dem TPO-RA erneut ein Rezidiv, kann man auf einen weiteren TPO-RA wechseln, Fostamatinib (ein Tyrosinkinase-Inhibitor) geben oder Rituximab (Off Label) einsetzen. TPO-RA wie Eltrombopag, Romiplostim (Injektion) oder Avatrombopag (oral) weisen Ansprechraten zwischen 59 und 88% auf: „Es gibt keine Kreuzresistenz, deshalb kann man switchen“, so Trautmann-Grill. Eltrombopag und Romiplostim können direkt nach Steroidversagen gegeben werden. Therapiefreie Remissionen sind in 20 bis 30% der Fälle möglich. Wichtig ist, die Mittel nicht abrupt abzusetzen, sondern zu tapern.

Bis zu 10% der ITP-Patienten erreichen keine anhaltende Remission unter TPO-RA oder Immunsuppression. Als mögliche therapeutische Strategie für diese Patienten kommen dann Kombinationen aus:

  • TPO-RA plus Fostamatinib oder 
  • TPO-RA plus Immunsuppression infrage.

Eine weitere, neue Option ist der orale BTKi Rilzabrutinib, der die B-Zell-Aktivierung, die Thrombozyten-Phagozytose und die Inflammation blockiert. In der LUNA 3-Studie (doi: 10.1182/blood.2024027336) wurde Rilzabrutinib gegen Placebo getestet. Primärer Endpunkt war ein anhaltendes Thrombozytenansprechen (>50 Gpt/l bei 2/3 von mindestens 8 Blutabnahmen in 12 Wochen). Rilzabrutinib zeigt ein sehr gutes Verträglichkeitsprofil. Eine überlappende Gabe mit TRA ist möglich und sinnvoll, bei Respondern besserte sich auch die Fatigue, berichtete Trautmann-Grill. Am 24. Oktober hat die EMA die EU-Zulassung von Rilzabrutinib für die Behandlung der ITP empfohlen.

Referenzen
  1. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), 24.-27. Oktober 2025, Messe Köln. https://www.jahrestagung-haematologie-onkologie.com/ Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: Next Level Hämatologie: Neuer Standard bei Myelom, GVHD & ITP? Was Hämatologen jetzt wissen müssen, um Ihre Patienten optimal zu versorgen, 25. Oktober 2025.