Onkopedia: Leitlinie zur Myelofibrose aktualisiert

Die Therapie der Myelofibrose ist vielfältiger und individualisierter geworden. Insbesondere der JAK-Inhibitor Momelotinib stellt eine neue Option für anämische Patienten dar.

Aktualisierter Therapiealgorithmus: Momelotinib als weitere Option

Die Myelofibrose hat unter den BCR-ABL1-negativen myeloproliferativen Neoplasien die schlechteste Prognose. Die einzige potentiell kurative Therapie ist die allogene Stammzelltransplantation (alloSZT). Die alloSZT führt zwar zu einer kompletten Regression der fibrose und zu einer kompletten molekularen Remission, sie ist allerdings mit einer nicht unerheblichen Morbidität und einer transplantationsassoziierten Mortalität von 10 bis 30% assoziiert. Die Rezidivrate nach fünf Jahren liegt bei 29%.

In die ist der JAK-Inhibitor Momelotinib integriert worden, der den Hämoglobinwert anhebt (doi: ). In der Ph3 MOMENTUM-Studie (doi: 10.1016/S0140-6736(22)02036-0) führte die Therapie mit Momelotinib im Vergleich zu Danazol zu klinisch signifikanten Verbesserungen der mit Myelofibrose verbundenen Symptome, werte und Milzreaktionen bei günstiger Sicherheit. Die SIMPLIFY-2-Studie (doi: 10.1007/s12325-024-02928-4) zeigte im vergangenen Jahr, dass sich bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Anämie und/oder Transfusionsbedarf die klinischen Ergebnisse verbesserten. Dies wurde durch die Umstellung von Ruxolitinib auf Momelotinib in Kombination mit unterstützenden Therapien gegen Anämie erreicht.

Laut Wolf weist Momelotinib einen einzigartigen Wirkmechanismus auf: Der JAK-Hemmer inhibiert zeitgleich den ATVR1-Rezeptor in der Leber. Damit wird eine Downregulation von Hepcidin erreicht und das führt dazu, dass mehr Eisen verfügbar ist. „Im Gegensatz zu den anderen JAK-Inhibitoren sehen wir hier nicht eine Anämie als , sondern ganz im Gegenteil - die Anämie verbessert sich“, erklärte Wolf. Die Ergebnisse sprechen für den künftigen Einsatz von Momelotinib als wirksame Behandlung bei Patienten mit Myelofibrose, insbesondere bei Patienten mit Anämie, so Wolf.

Anämie ist entscheidender Parameter für die Therapie

Dass die Anämie ein entscheidender Parameter für die Therapie ist, hat damit zu tun, dass Myelofibrose-Patienten häufig anämisch sind – entweder bereits durch die Grunderkrankung oder durch die Therapie. Je nach klinischer Dynamik und Ausprägung der Anämie kann mit einer initialen Dosis von 0,5 mg bis 1 mg Prednisolon pro Kilogramm Körpergewicht über drei Wochen begonnen werden. Anschließend sollte die Dosis reduziert und gegebenenfalls eine Dauertherapie mit niedrigen Dosen unterhalb der -Schwelle durchgeführt werden. 

Etwa ein Drittel der Patienten sprechen auf diese Therapie an, die meisten allerdings nur vorübergehend. Ein Eisenmangel als Ursache für die Anämie sollte ausgeschlossen oder, wenn vorliegend, behandelt werden. In der Leitlinie wird unter dem Aspekt Anämie explizit auf die in den beiden SIMPLIFY-Studien überzeugende Wirkung von Momelotinib auf die Myelofibrose bedingte Anämie hingewiesen.

Ruxolitinib-Versagen? Das RR6-Prognosemodell

Das (Scores 0 bis 4) ermöglicht es, unter den Patienten, die eine Ruxolitinib-Therapie erhalten, diejenigen zu ermitteln, deren Überleben eingeschränkt ist und die von einer sofortigen Umstellung der Behandlung profitieren könnten. Die multivariable Analyse ergab hierbei die folgenden Risikofaktoren:

  1. Ruxolitinib Dosis < 20 mg zweimal täglich bei Studienbeginn, in den Monaten 3 und 6,
  2. Tastbare Milzlängenreduktion gegenüber Studienbeginn ≤ 30% in den Monaten 3 und 6,
  3. Bedarf an roter Blutkörperchen in den Monaten 3 und/oder 6 und
  4. Bedarf an Erythrozyten-Transfusionen zu allen Zeitpunkten (d. h. zu Beginn und in den Monaten 3 und 6).

Aus der Berechnung der RR6-Risikokategorie ergeben sich 3 prognostische Gruppen:

  • niedriges Risiko (kein schlechter prognostischer Faktor [d. h. Score 0]; 19,1% der Patienten; medianes OS, nicht erreicht);
  • mittleres Risiko (Score 1 bis 2; 45,2% der Patienten; medianes OS, 61 Monate; 95% der Patienten; KI, 43-80); und
  • hohes Risiko (Score 2,5 oder mehr, 35,6% der Patienten; medianes OS, 33 Monate; 95% KI, 21-50).

Das frühzeitige Erkennen von Patienten mit unter der Ruxolitinib-Therapie ermöglicht das rechtzeitige Umstellen auf eine Zweitlinientherapie einschließlich der Planung und Durchführung einer alloSZT.

Symptom-Erfassung über validierte Skalen

Eine strukturierte Bewertung der Symptome anhand validierter Skalen (z. B. MPN10 oder MPN-SAF) ist zu Beginn und im Verlauf unerlässlich, um die Lebensqualität und die individuelle Belastung durch die Myelofibrose zu erfassen und anschließend den Behandlungserfolg zu validieren, hebt die Leitlinie hervor. Zur einheitlichen klinischen Einschätzung der Symptomlast werden sogenannte Symptom-Scores (MPN Symptom Assessment Scores) empfohlen. 

Der üblicherweise eingesetzte Score MPN-SAF TSS (MPN Symptom Assessment Form Total Symptom Score) besteht aus zehn relevanten Symptomen, die am repräsentativsten für die MF-Erkrankung sind (z.B. , Splenomegalie-assoziierte Symptome, konstitutionelle Symptome) und wird jeweils in Schweregrade von 0 bis 10 eingeteilt, so dass sich insgesamt ein Wert zwischen 0 und 100 ergibt. Der MPN-SAF-TSS wird vor allem verwendet, um das Ansprechen auf eine Therapie zu beurteilen.

Nutzung von mutations-basierten Risikoscores bei PMF

Die sollte die Molekular- und Zytogenetik verstärkt nutzen. Auch wird empfohlen, mutationsbasierte Risikoscores bei PMF zu nutzen. Der bereits 2018 publizierte molekulare, mutationsbasierte Risikoscore MIPSS70 (doi: 10.1200/JCO.2017.76.4886) wird hervorgehoben. Die Leitlinie legt den Fokus auf die zusätzliche Erfassung von molekulargenetischen und zytogenetischen Parametern, wie z.B. im MIPSSv2, der damit Risikoscores wie z.B. den DIPSS ablösen soll. Hintergrund dieser Änderung ist die Tatsache, dass durch diese zusätzlichen krankheitsbiologischen Faktoren frühzeitig und präzise die Kandidaten für eine alloSZT erfasst werden sollen.

Präfibrotische Myelofibrose: ET oder MF?

Eine präfibrotische Myelofibrose (präPMF) stellt eine Untergruppe der Myelofibrose dar und liegt phänotypisch zwischen einer Essentiellen Thrombozythämie und einer Myelofibrose mit fließenden Übergängen. Die Leitlinie empfiehlt, aus anamnestischen, klinischen und labortechnischen Parametern (, Blutungen, Mikrozirkulationsstörungen, Splenomegalie, LDH, Anämie, Leukozytose, Thrombozythämie) zu ermitteln, ob eine ET-ähnliche oder eine MF-ähnliche präPMF Erkrankung vorliegt. Die Unterscheidung hat Folgen für den Risikoscore und die Behandlungsempfehlungen.

Ähnelt die präPMF phänotypisch einer ET sollte sie vom Risiko her wie eine ET stratifiziert (IPSET Thrombosis Score oder revised IPSET Score) und entsprechend behandelt werden. Gleicht die präPMF eher einer MF, sollte die Prognose der Erkrankung durch die entsprechenden molekulargenetischen, zytogenetischen und klinischen Risikofaktoren bestimmt werden. Hier sollte der DIPSS- oder DIPSS-plus-Score Anwendung finden.

Quelle:
  1. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), 24.-27. Oktober 2025, Messe Köln. Fortbildung: Onkopedia: Was ist neu? 26. Oktober 2025.