Onkopedia-Update: Neue Leitlinien für hämatologische Neoplasien

Von der patientenindividuellen CLL-Therapie über innovative Ansätze beim follikulären Lymphom bis zu vielversprechenden JAK-Inhibitoren bei Myelofibrose - aktuelle Daten.

CLL: Flexible Erstlinientherapie und neue Option bei BTKi-Resistenz

Bei der Chronisch Lymphatische (CLL) gibt es zwei relevante Neuerungen in der Onkopedia-Leitlinie: Die Daten der AMPLIFY-Studie (doi: 10.1056/NEJMoa2409804) und die Zulassung von Pirtobrutinib in der BTKi-refraktären Situation bei vorbehandelten CLL-Patienten. Das in AMPLIFY untersuchte orale, zeitlich begrenzte Therapieregime mit Acalabrutinib in Kombination mit dem BCL2-Inhibitor (BCL2i) Venetoclax (mit oder ohne Obinutuzumab) ermöglicht eine flexible und patientenindividuelle Therapieplanung für die Erstlinie der CLL.

Die zweite Neuerung ist Pirtobrutinib in der CLL (doi: 10.1200/JCO-25-00166). Alle Patienten waren intensiv vorbehandelt und BTKi-refraktär. Die 18-Monats-OS-Rate betrug 73,4% in der Pirtobrutinib-Gruppe und 70,8% in der Investigators-Choice-Gruppe (IC). Die mediane TTNT betrug 24 Monate unter Pirtobrutinib gegenüber 10,9 Monaten unter IC.  „Das PFS ist in dieser doch sehr intensiv vorbehandelten Gruppe sehr ermutigend“, betonte Wolf. In die aktuelle Leitlinie sind diese Studiendaten integriert worden.

Follikuläres Lymphom: Neue Therapieoptionen ab der zweiten Linie

Das Follikuläre Lymphom (FL), ein bösartiger Tumor aus der Gruppe der Non-, befällt vor allem jene Körperregionen, in denen ein hoher Anteil an lymphatischem Gewebe vorhanden ist. Verglichen mit anderen Krebserkrankungen ist das follikuläre Lymphom eine seltene Art der Neoplasie. In Deutschland treten jährlich etwa 7.000 bis 8.500 Fälle auf. In der Erstlinie hat sich nichts verändert, so Wolf. Aber es gibt eine zulassungsrelevante Studie ab der Zweitlinie.

In der InMIND-Studie (doi: 10.1182/blood-2024-212970) wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Tafasitamab plus Lenalidomid zusätzlich zu Rituximab gegenüber Lenalidomid zusätzlich zu Rituximab bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem (R/R) follikulärem Lymphom Grad 1 bis 3a oder R/R Randzonenlymphom – DE untersucht. Die Kombination kann frühestens ab der zweiten Linie eingesetzt werden und ist in der Leitlinie entsprechend vermerkt.

Zwei bispezifische CD20xCD3-Antikörper, Mosunetuzumab und Epcoritamab, sind nun in den USA für die Drittlinien- oder Spätbehandlung des follikulären Lymphoms zugelassen (doi: 10.3324/haematol.2024.285245). Ein drittes Mittel, Odronextamab, wird derzeit noch von den Zulassungsbehörden geprüft. In zulassungsrelevanten Phase-II-Studien zeigten die bispezifischen Antikörper Gesamtansprechraten von etwa 80% und vollständige Ansprechraten von 60 bis 70%, die in den meisten Fällen nach zwei Jahren noch anhielten. 

Wichtige Sicherheitssignale waren das Risiko von Infektionen, Neutropenie und das Zytokinfreisetzungs-Syndrom, das bei etwa der Hälfte der Patienten auftrat, jedoch selten hochgradig war. „Wir haben hier mehrere Optionen beim Follikulären Lymphom im zweiten Rezidiv“, sagte Wolf. Für das FL gibt es mit Liso-Cel nun auch ein weiteres CAR-T-Zell-Produkt mit einem sehr interessanten, positiven Toxizitätsprofil (doi: 10.1038/s41591-024-02986-9). Liso-Cel ist eine gegen das Antigen CD19 gerichtete und erreicht hohe Ansprechraten in der zweiten Linie und auch in späteren Linien.

CML: Asciminib setzt neue Standards in der Erstlinientherapie

Die Chronisch Myeloische Leukämie (CML) erfordert eine langfristige Therapie mit einem hochwirksamen und gut verträglichen Wirkstoff. Der BCR::ABL1-Inhibitor Asciminib zeigte in der ASC4FIRST-Studie (doi: 10.1056/NEJMoa2400858) bei neu diagnostizierter Ph+ CML in der chronischen Phase (CML-CP) eine überlegene Wirksamkeit und ein günstiges Sicherheitsprofil im Vergleich zu anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) der zweiten Generation. Asciminib hat das Potenzial, zur Standardtherapie für Patienten mit neu diagnostizierter chronischer myeloischer Leukämie in der chronischen Phase zu werden. Mehr Patienten erreichen ihr Therapieziel, ohne die Behandlung wechseln zu müssen. „Asciminib ist eine hochwirksame Substanz in der CML-Firstline“, betonte Wolf. In der Onkopedia-Leitlinie ist es bereits an erster Stelle ergänzt.

Myelofibrose: Molekulare Risikostratifizierung und anämieverbessernde Therapie

Die hat unter den BCR::ABL1-negativen myeloproliferativen Neoplasien die schlechteste Prognose. Dennoch sind Krankheitsverlauf und Überlebensdauer sehr heterogen. Wie Wolf berichtet, wird in der Leitlinie der bereits 2018 publizierte molekulare, mutations-basierte MIPSS70-Risikoscore hervorgehoben. Die Leitlinie lege hier den Fokus auf die zusätzliche Erfassung von molekulargenetischen und zytogenetischen Parametern, wie z.B. im MIPSSv2, der damit Risikoscores wie z.B. den DIPSS ablösen soll. 

„Hintergrund dieser Änderung ist, dass wir durch diese zusätzlichen krankheits-biologischen Faktoren frühzeitig und präzise die Kandidaten für eine allogene Stammzelltransplantation erfassen wollen“, betonte Wolf. Die allogene Stammzelltransplantation ist und bleibt die einzige kurative Option und habe sich in den letzten Jahren im Hinblick auf die Überlebensraten nochmals deutlich verbessert, sodass dieses Verfahren für möglichst alle dafür in Frage kommenden Patienten Anwendung finden müsse.

Der zweite Aspekt ist die Integration von Momelotinib in die Leitlinie. Der JAK-Inhibitor hebt den Hämoglobinwert. In der Ph3 MOMENTUM-Studie (doi: 10.1016/S0140-6736(22)02036-0) führte die Therapie mit Momelotinib im Vergleich zu Danazol zu klinisch signifikanten Verbesserungen der mit Myelofibrose verbundenen Symptome, der Anämiewerte und der Milzreaktion bei günstigem Sicherheitsprofil. In der 2017 publizierten SIMPLIFY-1-Studie (doi: 10.1200/JCO.2017.73.4418) führte Momelotinib gegenüber Ruxolitinib innerhalb der 24-wöchigen Studienlaufzeit zur signifikanten Erhöhung der Rate transfusions-freier Patienten, die Rate wurde fast verdoppelt. Momelotinib führte nicht zu einer erhöhten Rate des Milzansprechens. Den Stellenwert des JAK-Inhibitors sieht Wolf in der Erstlinie vor allem bei Patienten mit symptomatischer und/oder transfusionsbedürftiger und in der Zweitlinie nach JAKi-Vortherapie. In der Zweitlinie sind für Patienten, die für die allogene Stammzelltransplantation nicht geeignet sind, nur begrenzte Therapiemöglichkeiten vorhanden.

Quelle:
  1. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), 24.-27. Oktober 2025, Messe Köln. Fortbildung: Onkopedia: Was ist neu? 26. Oktober 2025.