Amyloidose erkennen und zielgerichtet behandeln

Wie begründet sich der Verdacht auf eine kardiale Amyloidose und wie ist diagnostisch vorzugehen? PD Dr. Henrik ten Freyhaus, Oberarzt mit Schwerpunkt kardiale Bildgebung an der Universitätsklinik Köln, erläutert das Vorgehen an typischen Patientenfällen.

Pathophysiologie und Formen der Amyloidose: ATTR und AL im Vergleich

Die AL-Amyloidose ist eine hämatologische Systemerkrankung und immer auszuschließen – bevor man an eine Transthyretin-Amyloidose (ATTR-Amyloidose) denkt. Bei der ATTR ist das Eiweiß Transthyretin instabil und fällt auseinander. Die Einzelteile verkleben, die fehlgefalteten Eiweiße lagern sich im Körper ab und können eine Kardiomyopathie verursachen. 

Bei der ATTR unterscheidet man grundsätzlich zwei Formen: Die Wildtyp-ATTR-Amyloidose (wtATTR-CM), die als biventrikuläre Kardiomyopathie im höheren Lebensalter in erster Linie das Herz betrifft und nicht durch eine familiäre Vererbung gekennzeichnet ist. Und die hereditäre Form, die eine Kardiomyopathie, eine Polyneuropathie oder auch Mischformen hervorrufen kann. 

„Die Wildtyp-ATTR-Amyloidose begegnet uns wesentlich häufiger, sie macht 90 Prozent der Fälle aus“, so ten Freyhaus. Die hereditären Formen sind seltener. Bei der ATTR-Amyloidose ist das Überleben deutlich reduziert. Die AL-Amyloide weist eine noch schlechtere Prognose auf, die Patienten müssen deshalb schnell identifiziert und behandelt werden.

Wann ergibt sich der Verdacht auf eine kardiale Amyloidose?

Ten Freyhaus zeigte anhand mehrerer Patientenfälle, wann man an eine Amyloidose denken sollte. Patient Nr. 1 ist ein 73-jähriger Mann mit Diagnose Herzinsuffizienz und leichtgradig reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF). Behandelt wird die Erkrankung mit einem SGLT2-Hemmer, Sartan, Betablocker und einem niedrig dosierten Schleifendiuretikum. Nach vier Wochen stellte sich der Patient erneut vor. Die initiale Dyspnoe NYHA II hatte sich unter der Therapie auf NYHA III verschlechtert. Zudem war der Patient hypoton und das Sartan musste abgesetzt werden.

Der zweite, 75 Jahre alte Patient leidet seit vier Jahren an progredienter Dyspnoe NYHA II und zeigt seit drei Monaten atypische Angina-pectoris-Beschwerden. Er hat Bluthochdruck, aufgrund einer Eingefäßerkrankung der LAD unterzog er sich 2020 einer Koronarintervention, die jedoch keine Besserung brachte. Aus einem erhöhten LVEDP wurde die Diagnose HFpEF abgeleitet,  2021 folgte ein Echo und die Diagnose hypertrophe Kardiomyopathie gestellt. 2013 wurde bei dem Patient ein ein Karpaltunnelsyndrom rechts und 2015 links operiert. Beim dritten Patienten handelt es sich um einen 80-jährigen Mann mit Dyspnoe NYHA II-III seit einem Jahr, der an Hypertonie und paroxysmalem Vorhofflimmern leidet.

Hinweise aus Anamnese, Bildgebung und Verlauf

„Das sind sicherlich alles Patienten, die uns in der täglichen Praxis häufig begegnen und alle drei Fälle liefern Hinweise auf eine Amyloidose“, so Ten Freyhaus. Beim ersten Fall ist das ein fehlendes Ansprechen oder die Unverträglichkeit von RAS-Blockern/Betablockern und die Normalisierung einer vorbestehenden Hypertonie. Beim zweiten Fall sollte man beim beidseitigen Karpaltunnelsyndrom daran denken, dass ein systemisches Problem vorliegen könnte. Weitere Hinweise können eine Spinalkanalstenose, eine spontane Bizepssehnenruptur oder auch eine rasch progrediente Polyneuropathie sein. Im dritten Fall sollte man im Hinblick auf das Alter des Patienten und die HI in Erwägung ziehen, dass auch eine Amyloidose die Luftnot erklären könnte.

In der Regel werden Patienten mit Luftnot einer Bildgebung unterzogen, in erster Linie ist das eine Echokardiographie. Liegt eine Amyloidose vor, ist eine links- oder biventrikuläre „Hypertrophie“ zu sehen, bei der es sich um eine Vergrößerung des Extrazellulärraums durch die Einlagerung von Amyloid handelt. Typischerweise sind im EKG keine Hypertrophiezeichen zu sehen. Auf eine kardiale Amyloidose sollte gescreent werden, wenn die Myokarddicke bei ≥ 12 mm liegt, ohne dass es dafür eine gute Erklärung gibt und klassischerweise eines der folgenden Kriterien vorliegt:

Wie geht man diagnostisch vor?

Für Patienten mit Verdacht auf Amyloidose gibt es ein diagnostisches Schema. Zunächst stellt sich die Frage, ob es einen Multiorganbefall oder eine chronisch inflammatorische Erkrankung gibt. Das ist selten der Fall, weshalb die Patienten an ein spezielles Zentrum verwiesen werden sollten. Viel wahrscheinlicher ist, dass das nicht der Fall ist und es folgt eine Basiserhebung mit der Abnahme von Biomarkern (Troponin T + NTproBNP). Liegen diese im Normbereich, ist eine kardiale Amyloidose nahezu ausgeschlossen. Sind die Biomarker positiv, sollte der Ausschluss einer AL-Amyloidose (Immunfixation Serum + Urin, quantitative Bestimmung freier Leichtketten im Serum) und dann die erweiterte Bildgebung (Skelett-Szintigraphie oder Kardio-MRT) erfolgen.

Die Echokardiographie bei Patient 1 zeigt eine biventrikuläre Hypertrophie, eine Verdickung des Interatrialen Septums (IAS) und der AV-Klappen sowie eine reduzierte Longitudinalbewegung der Mitralklappenebene. Man sieht eine biatriale Dilatation und eine postkapilläre pulmonale Hypertonie. Im Strain – der longitudinalen Verkürzung der einzelnen Myokardsegmente – ist eine apikale Schonung typisch für die ATTR-Amyloidose. Man versteht darunter die Störung des longitudinalen Strains in den basalen Segmenten mit nahezu normaler longitudinaler Funktion der apikalen Segmente. Das Fehlen einer apikalen Schonung sollte aber nicht dazu führen, dass eine Amyloidose ausgeschlossen wird.

MRT bei Verdacht auf infiltrative Kardiomyopathie 

Wenn der Verdacht auf eine infiltrative Kardiomyopathie besteht, sollte ein MRT gemacht werden (ESC-Leitlinien 2021). Mittels MRT lässt sich nicht nur das Late Enhancement – das veränderte Aussehen des Herzmuskels – begutachten. Über die T1-Zeit nach Kontrastmittelgabe ist auch das Extrazellulärvolumen ermittelbar. Dieses ist bei der Amyloidose erhöht. So lässt sich die ATTR-Amyloidose recht gut von anderen Kardiomyopathien unterscheiden.

Bei Patient Nr. 2 zeigen sich im MRT HFpEF und ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom. Man sieht, dass das Late Enhancement sehr gut zu einer kardialen Amyloidose passt. Eine Szintigraphie wurde durchgeführt – mit typischem, diagnosesicherndem Befund für eine ATTR-Amyloidose. Bei Patient Nr. 3 mit HFpEF zeigt sich im MRT die typische Morphologie und das Late Enhancement. Die Szintigraphie dazu war hier nicht diagnosesichernd – „das kommt durchaus manchmal vor“, so Ten Freyhaus. Bei unklarer Diagnose sollte dann eine Myokardbiopsie folgen. Die histologischen und immunologischen Befunde zeigen eine ausgeprägte kardiale Amyloidose. Die genetische Diagnostik – die mittels Laborüberweisungsschein 10 budgetneutral erfolgen kann – ist auch bei älteren Patienten im Hinblick auf weitere betroffene Familienmitglieder sinnvoll.

Quellen:

1. 91. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 23. bis 26. April, Congresscentrum Rosengarten, Mannheim.
https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kongresse/dgk-jahrestagung-2025.html
Symposium: Achtung Amyloidose! Erkennen und zielgerichtet behandeln
25. April, organisiert von: Alnylam Germany GmbH

https://link.springer.com/article/10.1007/s12181-023-00653-w (Schema)

https://www.escardio.org/Guidelines/Clinical-Practice-Guidelines/Acute-and-Chronic-Heart-Failure (ESC-Leitlinien)