Kardiologie am Wendepunkt: So gelingt die Balance zwischen Hightech und Work-Life

Trotz aller Herausforderungen: Dr. Birkenhagen sieht eine positive Prognose für die Kardiologie. Ihr "Rezept" für die Zukunft: smarte Technologien, der Elan junger Ärzte und eine stärkere Vernetzung der Generationen.

Interview mit Dr. Annette Birkenhagen

Innovation und junger Elan als Hoffnungsträger

Frau Dr. Birkenhagen betont die Bedeutung technischer und digitaler Weiterentwicklungen für den kardiologischen Arbeitsalltag. Sie ist überzeugt, dass deren Integration zur Verbesserung der Versorgung beiträgt. Ein weiterer Hoffnungsschimmer sind für sie die jungen Kolleginnen und Kollegen, die mit viel Elan und neuen Ideen in das Fachgebiet kommen. „Wenn wir es schaffen, sie zum Beispiel auch durch flexible Arbeitszeitmodelle gut bei uns zu integrieren, das bringt uns, denke ich, wirklich voran.“ Sie hebt zudem die positive Zusammenarbeit zwischen erfahrenen und jungen Kardiologen hervor, bei der Wissen und Erfahrung auf neue, patientenzentrierte Ansätze treffen.

Die "doppelte Facharztschiene": Ein deutsches Erfolgsmodell

Die in Deutschland etablierte „doppelte Facharztschiene“, also die parallele Tätigkeit von Kardiologen im niedergelassenen und stationären Bereich, sieht Frau Dr. Birkenhagen als internationale Besonderheit und einen positiven Wert. Sie unterstreicht die klare Trennung der Aufgabenbereiche: Kliniken für hochkomplexe Eingriffe und Praxen für die Langzeitbetreuung. Dieses System hat sich über Jahrzehnte bewährt und ist erhaltungswürdig.

Veränderte Arbeitszeitmodelle: Ein Wunsch der jungen Generation

Die Arbeitszeiten von Kardiologen haben sich tendenziell verlängert, mit Wochenarbeitszeiten von 48 bis 52 Stunden. Frau Dr. Birkenhagen beobachtet jedoch einen klaren Trend bei jüngeren Kollegen hin zu Arbeitszeitmodellen mit geringerer Stundenzahl, wie Teilzeit und Jobsharing. Die Work-Life-Balance mit Familie und kulturellen Aktivitäten spielt eine größere Rolle. Sie sieht diese Entwicklung positiv und erwartet, dass das klassische Vollzeitmodell zunehmend von flexibleren Modellen abgelöst wird.

Strategien für eine bessere Work-Life-Balance in der Praxis

Zur Verbesserung der Work-Life-Balance in der Praxis empfiehlt Frau Dr. Birkenhagen mehrere Strategien. Dazu gehören ein gut funktionierendes Team mit qualifizierten MFAs und die Bereitschaft des Arztes zur Delegation. Die Integration sinnvoller digitaler Systeme für Terminmanagement, Befundrückfragen und -erstellung kann ebenfalls entlasten. Entscheidend ist aber auch ein kollegiales Arbeitsklima und die Freude an der Arbeit. „Es kommt nicht unbedingt darauf an, wirklich weniger zu arbeiten, sondern es kommt mehr darauf an, intelligenter zu arbeiten, also das Team zu integrieren und die Freude an der Arbeit wieder neu zu schaffen.“

Auswirkungen neuer Gesetze und Reformen auf die kardiologische Versorgung

Frau Dr. Birkenhagen äußert sich zu den Auswirkungen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) und des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG). Das KHVVG könnte zu einer Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft und einer Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Sektor führen, was eine Konkurrenzsituation für niedergelassene Kardiologen darstellen kann. Das GVSG zielt auf die Stärkung der Primärversorgung ab, was den direkten Zugang von Patienten zum Facharzt einschränken könnte. Hier sieht sie die Gefahr, dass gerade in einem spezialisierten Gebiet wie der Kardiologie unnötige Hürden für die Patientenversorgung entstehen können.

Zukunft der Notfallversorgung in der Kardiologie

Die Notfallversorgung in der Kardiologie ist ein kritischer Bereich, in dem Minuten über Leben und Prognose entscheiden. Frau Dr. Birkenhagen begrüßt die geplanten Reformen, die auf integrierte Leitzentralen und eine bessere Vernetzung zwischen Rettungsstellen, Notfallversorgern und Kliniken abzielen. Es darf nicht sein, dass Patienten unnötig Zeit in einer Schleife zwischen verschiedenen Versorgungsstufen verlieren. Sie sieht die Zukunft in einer besseren Integration, möglicherweise auch durch digitale Systeme und vernetzte Strukturen, sowie in der stärkeren Einbindung kardiologischer Schwerpunktpraxen in die Notfallpläne.