Neue ESC-Empfehlungen zur Revaskularisationstherapie
Die neuen ESC-Empfehlungen zur Myokardrevaskularisation bei CCS belegen Vorteile gegenüber Medikamententherapie. Prof. Mehilli erläutert die Wahl zwischen Bypass und PCI und verteidigt die Revaskularisationsempfehlung bei eingeschränkter Ventrikelfunktion.
Evidenzbasierte Prognoseverbesserung: Revaskularisation reduziert kardiale Mortalität bei CCS
Dass die Myokardrevaskularisation die Angina-pectoris-Symptomatik bei chronischer KHK reduziert, zeigen verschiedene Studien, etwa eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020 oder eine Arbeit aus dem Jahr 2023. Deshalb kommt die neue ESC-LL hier zu einer Klasse-1-Empfehlung. Dass die Revaskularisation auch die Prognose verbessern kann, zeigt eine große Metaanalyse mit 25 RCTs. Sie ergab, dass bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit die Revaskularisation plus medikamentöser Therapie zu einer geringeren kardialen Sterblichkeit führte – verglichen mit der alleinigen medikamentösen Therapie. Der kardiale Überlebensvorteil nach der Revaskularisation verbesserte sich im Langzeitverlauf (mittleres Follow-up 5,7 Jahre) und war mit weniger spontanen Myokardinfarkten verbunden (Reduktion um 26%).
Diese Daten wurden, so Mehilli, von der ISCHEMIA-Extend-Studie unterstützt. Deren Ergebnisse zeigen ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Mortalität und ein höheres Risiko für nicht-kardiovaskuläre Mortalität bei einer initialen invasiven Strategie. Vor allem bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung zeigte sich eine 22%-ige Reduktion der kardiovaskulären Mortalität.
Die ESC-LL empfiehlt deshalb bei Patienten mit CCS die Myokardrevaskularisation zur Prognoseverbesserung bei komplexer koronarer Herzerkrankung. Die Indikationen sind damit ähnlich zur Vorgängerversion: Symptome, die nicht auf Medikamente ansprechen und/oder eine signifikante Stenose des linken Hauptstamms, der proximalen linken anterioren absteigenden Arterie oder mehrerer großer epikardialer Arterien.
Überlegenheit der Revaskularisation bei STICH, keine Unterschiede bei REVIVED
Mehilli wies daraufhin, dass in die genannten Studien Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion meist ausgeschlossen waren. Zwei wichtige Studien adressieren Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie. In STICH RCT, einer Studie, die vor 20 Jahren begonnen wurde, wurde die alleinige medikamentöse Therapie bei Patienten mit komplexer KHK und LVEF ≤ 35% mit der chirurgischen Revaskularisation verglichen. Im 2-Jahresverlauf war eine Tendenz für die Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zu beobachten.
Im 10-Jahresverlauf zeigte sich dann eine eindeutige Überlegenheit der kardialen Revaskularisation im Vergleich zu alleiniger medikamentöser Therapie. In der REVIVED-BCIS2-Studie wurden Patienten mit eingeschränkter Ventrikelfunktion und KHK randomisiert auf alleinige medikamentöse Therapie oder auf PCI mit medikamentöser Therapie. In dieser Studie zeigte sich in den zwei Jahren allerdings kein Unterschied zwischen den Gruppen.
Um nachzuvollziehen, weshalb STICH einen Unterschied gezeigt hat und REVIVED keinen, muss man sich das Studiendesign genau anschauen. Bei REVIVED waren 700 Patienten eingeschlossen, bei STICH 1.200 Patienten. Es wurden unterschiedliche medikamentöse Therapien miteinbezogen. In der REVIVED-Studie waren die Patienten im Schnitt 70 Jahre alt, in der STICH-Studie durchschnittlich 60 Jahre alt. In STICH erlitten fast 80% der Studienteilnehmer einen Myokardinfarkt, in der REVIVED-Studie lediglich 50%.
Aber: In der REVIVED-Studie erhielten 35% der Patienten im ersten Jahr nach Diagnose einen Defibrillator, in der STICH-Studie waren es nur 3%. Mehilli wies darauf hin, dass das Follow-up in REVIVED kürzer war und die Mortalität deutlich geringer war als in der STICH-Studie. „Das bedeutet, dass man bei dieser geringen Mortalität viel mehr Patienten braucht, um einen Unterschied zwischen zwei Therapien darzustellen“, so Mehilli. Aus diesem Grund wurde jetzt in der neuen LL die Empfehlung zur Revaskularisation für Patienten mit schwerer KHK und eingeschränkter Ventrikelfunktion nicht herabgestuft, stellte Mehilli klar.
Bei chirurgisch geeigneten CCS-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung und LVEF ≤ 35% wird eine Revaskularisation mit einem koronaren Bypass empfohlen, um das Langzeitüberleben zu verbessern. Bei ausgewählten Patienten mit funktionell signifikanter Mehrgefäßerkrankung und LVEF ≤ 35%, die ein hohes chirurgisches Risiko aufweisen oder nicht operabel sind, kann die PCI als Alternative zur CABG erwogen werden. „Bei all diesen Empfehlungen gilt, dass es sich um eine partizipative Entscheidung handelt“, betonte Mehilli.
FAME-3: kein Unterschied zwischen PCI und chirurgischer Revaskularisation
In der SYNTAXES-Studie zeigt sich über 10 Jahre kein Unterschied in der Mortalität der Patienten, die mit CABG und PCI revaskularisiert worden waren. Einen Unterschied in der Mortalität sieht man bei den Patienten mit Dreigefäßerkrankungen. In diesem Kollektiv zeigt sich ein Vorteil der chirurgischen Revaskularisation. Man müsse berücksichtigen, dass die Studie relativ alt sei, eine Studie aus den Anfangszeiten der interventionellen Kardiologie.
Jetzt stehen moderne Studien wie die FAME-3-Studie zur Verfügung. Die im Lancet erschienenen Langzeitergebnisse zeigen erstmalig keinen signifikanten Unterschied zwischen interventioneller (FFR-gesteuerter) und chirurgischer Revaskularisation bei Patienten mit einer koronaren 3-Gefäßerkrankung im klassischen kombinierten Endpunkt aus Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt und erneuter Revaskularisation.
Bei Patienten mit Diabetes und Dreigefäßerkrankung liegt im Vergleich zur CABG eine höhere Mortalität vor, wenn sie mittels PCI revaskularisiert werden. Die ESC-Leitlinie empfiehlt deshalb CCS-Patienten mit Mehrgefäßerkrankung und Diabetes, die nicht ausreichend auf eine medikamentöse Therapie ansprechen, chirurgisch zu revaskularisieren, um Symptome und Therapieergebnisse zu verbessern.
Bei CCS-Patienten mit sehr hohem Chirurgie-Risiko sollte eine PCI gegenüber einer alleinigen medikamentösen Therapie erwogen werden, um Symptome und unerwünschte Ereignisse zu reduzieren. Bei komplexen Läsionen soll die PCI mit intravaskulären Verfahren zur Bildgebung (IVUS oder OCT) zusätzlich zu Druckmessungen erfolgen.
Für CCS-Patienten mit Dreigefäßerkrankung, erhaltener LVEF, ohne Diabetes und ohne ausreichendes Ansprechen auf Medikamente empfehlen die Leitlinien-Autoren eine CABG. Bei CCS-Patienten mit erhaltener LVEF ohne Diabetes, unzureichendem Ansprechen auf Medikamente und einer signifikanten Dreigefäßerkrankung von geringer bis mittlerer Komplexität gilt hingegen: Wenn eine PCI eine ähnlich vollständige Revaskularisation wie die CABG bieten kann, wird die PCI empfohlen, da sie weniger invasiv ist und im Allgemeinen keine schlechteren Überlebenschancen hat.
- 91. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 23. bis 26. April 2025, Congresscentrum Rosengarten, Mannheim.
https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kongresse/dgk-jahrestagung-2025.html
Sitzung: Chronisches Koronarsyndrom, 25. April
https://www.escardio.org/Guidelines/Clinical-Practice-Guidelines/Chronic-Coronary-Syndromes (ESC-Leitlinie)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32794407/ (Metaanalyse)
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2310610 (Arbeit)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34002203/ (Metaanalyse)
https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.062714 (ISCHEMIA-Extend)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27040723/ (STICH RCT)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36027563/ (REVIVED-BCS2)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31488373/ (SYNTAXES)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40174598/ (FAME-3)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30428398/ (höhere)