Arzneimittelinteraktionen bei Patienten mit Herzinsuffizienz

Polypharmazie ist ein großes Sicherheitsproblem bei HI und erschwert eine leitliniengerechte Therapie. Wie man typische Stolpersteine bei HI-Patienten umgeht, erklärte Dr. Dutzmann auf den DGK Herztagen 2025.

Je mehr, desto besser?

Patienten mit Herzinsuffizienz schlucken mitunter viele verschiedene Medikamente. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie damit auch entsprechend der Leitlinie therapiert werden. Das zeigt eine Studie (doi: 10.1016/j.jacadv.2024.101126) aus 2024, in der Polypharmazie bei Patienten mit Herzinsuffizienz untersucht wurde. Die Ergebnisse: Nur 13% nahmen vier oder weniger Pillen ein, 87% der Studienteilnehmer nahmen hingegen fünf oder mehr Medikamente ein. 

Die Daten zeigen auch: Je mehr Pillen die Patienten einnehmen mussten, desto weniger konsequent wurde die Leitlinien-Medikation umgesetzt. „Wenn Patienten viele Medikamente verordnet bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie mit einer kompletten Herzinsuffizienz-Medikation nach Hause gehen“, betonte PD Dr. Jochen Dutzmann, Oberarzt für klinische Forschung an der Klinik für Kardiologie in Halle und niedergelassener Hausarzt.

Nicht nur, dass Patienten mit Herzinsuffizienz nicht nach Leitlinie therapiert werden. Es gibt auch viele Patienten, die Medikamente bekommen, die ihre Erkrankung verschlimmern, erinnerte Dutzmann. Eine Stellungnahme (doi: 10.1007/s40256-020-00396-z) der American Heart Association aus 2020 zeigt: Jeder zweite Patient mit Herzinsuffizienz erhält Medikamente, die seine Erkrankung verschlimmern. „Polypharmazie ist ein relevantes Problem und stellt eine wesentliche Hürde zur Initiierung leitliniengerechter Therapien dar“, betonte Dutzmann.

Polypharmazie bei Herzinsuffizienz signifikant mit Mortalität assoziiert

Polypharmazie ist signifikant mit frühzeitigem Tod (RR 1,31, 95% KI 1,07-1,61) assoziiert, zeigt eine Studie aus 2022 (doi: 10.1038/s41598-022-24285-4); eine reine kardiovaskuläre Polypharmazie dagegen nicht; eine leitliniengerechte Medikation schützt vor frühzeitigem Tod, so Dutzmann. Von den individuellen gesundheitlichen Folgen abgesehen beschert Polypharmazie auch gesundheitsökonomische Probleme: „Es kostet, wenn man viel und vor allem unreflektiert verschreibt“, sagte Dutzmann. Denn: Treten Nebenwirkungen auf, gehen die Betroffenen häufiger zum Arzt, brauchen neue Rezepte, müssen in die Notaufnahme oder stationär aufgenommen werden. Diese Kosten summieren sich in den USA auf 528 Milliarden Dollar - das sind 16% der US-Gesundheitsausgaben. Ein ESC-Positionspapier aus 2022 (DOI: 10.1093/ehjcvp/pvaa108) nennt die häufigsten und relevantesten Stolpersteine, einige davon zeigte Dutzmann exemplarisch an verschiedenen Patientenfällen auf.

Eine 75-jährige Patientin mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) und Arthroseschmerzen behandelte sich selbst und ohne Absprache mit dem Arzt mit Ibuprofen aus der Apotheke. Das Problem: Ibuprofen und andere NSAR verursachen Natrium- und Wasserretention – schlecht für Menschen mit HI. Die Empfehlung: „Man sollte immer OTC-Medikamente bei Patienten erfragen und in solchen Fällen Analgetika-Alternativen wie Paracetamol empfehlen“, sagte Dutzmann.

Achtung: Johanniskraut beeinträchtigt die Wirkung von Gerinnungshemmern

Eine 68-jährige Patienten mit VHF wird mit Edoxaban therapiert und behandelte ihre depressive Verstimmung mit Johanniskraut. Nach sechs Wochen erleidet sie einen Schlaganfall. Der Grund: Das in Johanniskraut enthaltene Hyperforin ist ein Induktor des P-Glykoproteins (P-gp). Es wird keine suffiziente Dosierung von Edoxaban erreicht und das Schlaganfallrisiko steigt. Auch nach Phytotherapeutika sollte daher unbedingt gefragt werden.

Ein 78-jähriger Patient mit VHF und eingeschränkter Nierenfunktion (GFR 45 ml/min) wird mit Edoxaban und dem Antiarrhythmikum Amiodaron therapiert. Keine überraschende Kombination, so Dutzmann. Tatsächlich aber weisen Patienten, die DOAKs und Amiodaron bekommen, ein erhöhtes Blutungsrisiko auf, wie ein aktueller Review zeigt. „Wenn ich einen Patienten habe, der diese Kombination erhält und ständig gastrointestinale Blutungen entwickelt, ist es nicht hilfreich, ein DOAK nach dem anderen auszuprobieren“, betonte Dutzmann. Stattdessen solle man die Gabe von Amiodaron überdenken und eine Alternativstrategie suchen.

Ein 72-jähriger Patient mit KHK wird mit Atorvastatin 20 mg therapiert und entwickelt eine Pneumonie. Er entwickelt fünf Tage nach der Clarithromycin-Therapie eine Myopathie und zeigt erhöhte Creatinkinase-Werte (CK 4500 U/l). Statine werden über CYP3A4 metabolisiert, Makrolid-Antibiotika hingegen hemmen CYP3A4. Die Folge: Die Statinkonzentration steigt und damit das Risiko, eine statin-induzierte Myopathie zu entwickeln. Eine schon ältere Studie zeigt die Statintoxizität unter Makrolid-Antibiotika.  Dutzmann empfahl, auf ein anderes Antibiotikum auszuweichen; wenn das nicht möglich ist, sei es besser, das Statin drei Tage zu pausieren.

Referenzen
  1. DGK Herztage 2025. 25.-27. Oktober 2025 Congress Center Hamburg (CCH)
    Sektion Young DGK: Tipps und Tricks abseits des Lehrbuchs. 25. September 2025.