- DGK Herztage 2025. 25.-27. Oktober 2025 Congress Center Hamburg (CCH) Kardiologie aktuell: Hausarzt und Kardiologe – Wie kann Patientenversorgung sinnvoll funktionieren?
„Wie gut sind wir in der Patientenversorgung tatsächlich? Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sind wir exzellent“, berichtete Kleemann. Sieben von zehn Qualitätskriterien werden erreicht; noch adressiert werden müssten Rauchstopp, Schulung und vermehrte Bewegung. Also alles gut? Ein genauerer Blick lohnt sich. „Wir haben zwar 85% Statinverordnung erreicht, tatsächlich aber erreichen nur 27% der Patienten LDL-C-Werte unter 70 mg/dl. Und das bei Menschen, die schon einen Infarkt hatten, die eine manifeste KHK aufweisen – das können wir so nicht akzeptieren, da ist noch viel zu tun“, stellte Kleemann fest.
Der AOK-Gesundheitsreport 2025 zeigt, dass im Mittel 75% der Verordnungen vom Kardiologen im Hausärztebereich umgesetzt werden. „Das klingt ganz gut, heißt aber auch: Jede vierte Herztherapie wird nicht fortgeführt“, gab Kleemann zu bedenken. Dabei spielt es keine Rolle, ob Patienten im hausarztzentrierten Vertrag oder in der strukturierten Versorgung sind. „Das heißt: Alle Versorgungskonzepte, von denen wir hoffen, dass sie die Adhärenz und die Weiterverordnung gewährleisten oder besser werden, haben keinen Effekt“, sagte Kleemann. Er sieht eine der Hauptursachen dafür im langen Weg von der Medikamentenzulassung bis zum Rezept:
Eine echte Hilfe in der Unübersichtlichkeit sind die KBV-Medikationskataloge, in denen genau definiert wird, was verordnet werden darf und kann. Es gibt 14 Kataloge, sechs sind aus dem kardiologischen Bereich, berichtete Kleemann.
Für Kleemann liegt es auf der Hand, weshalb die Blickrichtung von Hausärzten und Kardiologen manchmal so unterschiedlich ist: Es liegt an den unterschiedlichen Patientengruppen. Beispiel Brustschmerzen: Wie viele Patienten beim Hausarzt mit Brustschmerz haben eine KHK? Ungefähr drei, vier Prozent. Beim Kardiologen sind es schon 30, 35 Prozent. In einem kardiovaskulären Notfallzentrum kommt man auf fast 70 Prozent. Die Blickrichtung ist unterschiedlich, aber auch die Erfahrung im Umgang mit der Erkrankung ist es.
Hausärzte und Kardiologen könnten aber nur miteinander die Patientenversorgung bestreiten, betonte Kleemann. Die ideale Vorstellung ist, dass der Kardiologe bei unklarer Diagnose, unzureichendem Therapieerfolg und besonderen Risikopatienten eingebunden wird. Der Hausarzt übernimmt die Langzeitbehandlung. Der Kardiologe überweist zum Hausarzt zurück, zur alleinigen dauerhaften Behandlung, nimmt Verlaufsuntersuchungen bei Risikopatienten vor und übernimmt bei schweren Fällen auch die Langzeitbehandlung.
„Wir Kardiologen unterscheiden uns aber von anderen Facharztgruppen. Ein HNO-Arzt oder ein Orthopäde ist aus hausärztlicher Sicht bedarfsweise gefragt. Wir als Fachinternisten sind aber ein kontinuierlicher Partner und um die Versorgung zu verbessern, werden wir einen Teil der kardiologisch erkrankten Patienten zu einem gewissen Zeitpunkt auch intensiver mitversorgen müssen “, betonte Kleemann.
Dass sich mit Zusammenarbeit schon bei geringer Intervention viel erreichen lässt, zeigt beispielsweise CorBene (doi: 10.1007/s00059-011-3568-7). Ziel ist die enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt, niedergelassenem Kardiologen, Krankenhauskardiologen und Rehabilitationseinrichtung bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Der Kardiologe kümmert sich um die Diagnoseabsicherung, Verordnung der leitliniengerechten Medikation und die elektronische Dokumentation. Der Hausarzt ist eng eingebunden, prüft und achtet auf die Einhaltung der Kontrollintervalle.
„Wir sehen: Wird eine Versorgung kardiologisch gesteuert mit den Hausärzten zusammen, dann erreichen wir einen Überlebensvorteil, selbst mit so wenigen Interventionen“, betonte Kleemann. Auch Herzinsuffizienz-Netzwerke (HF-NETs) und HeartFailure-Units (HFUs) seien eine gute Entwicklung, die unbedingt fortgesetzt werden müsse – nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass „bis 2035 11.000 Hausärzte altersbedingt fehlen werden.“
Immer mehr und immer ältere Patienten müssen von weniger Ärzten versorgt werden. Deshalb müsse über Strukturen gesprochen und Strukturen verändert und weiterentwickelt werden, betonte Kleemann. Er verwies auf die Blaupause des Telemonitorings bei Herzinsuffizienz. Das Telemonitoring nach G-BA-Anforderungen ist ein strukturiertes telemedizinisch gesteuertes Behandlungsprogramm in der Hand des telemedizinischen Zentrums des Kardiologen mit Eingliederung des Hausarztes und Übernahme der Verantwortung durch den Patienten. Der Patient erfasst mittels externen und implantierten Devices wie ICTs diverse Parameter, so dass Kardiologe und/oder Hausarzt die Möglichkeit haben, den Patienten, ohne ihn persönlich zu sehen, in seiner Erkrankung zu begleiten.
„Der Riesenvorteil dabei ist die Möglichkeit einer gemeinsamen Patientenakte, wo Medikationsanpassungen bereits möglich und abgebildet sind, wo direkte Rückmeldungen möglich sind, die automatisiert werden müssen. Das ist noch nicht optimal und ausbaufähig, aber wir haben hier schon mal ein Modul, mit dem wir künftig die Versorgung noch weiter verbessern können “, so Kleemann.
Er berichtete von ersten Erfahrungen: „Der Patient ist ein Jahr lang verfolgt worden und wir haben Langzeitdaten. Das ist sehr gut, erfordert aber auch viel Arbeit und immer mal wieder Korrekturen durch den Arzt“. Etwa, wenn plötzlich das Gewicht der Patientin innerhalb von 24 Stunden um 20 kg steigt – und sich herausstellt, dass nicht die Patientin, sondern deren Ehemann sein Gewicht telemedizinisch übermittelt hat. Bei allen möglichen Fehlern könne so die telemedizinische Betreuung der Zukunft aussehen. „Wir müssen uns Gedanken machen über Digitalisierung und die Vernetzung der Strukturen über die Sektorengrenzen hinweg. Wir brauchen gemeinsame Patienten-Plattformen mit klaren Patientenpfaden und Terminvergaben und müssen eine Plattform für neuere Methoden finden“, schloss Kleemann.