- DGK Herztage 2025. 25.-27. Oktober 2025 Congress Center Hamburg (CCH). Kardiologie aktuell: Hausarzt und Kardiologe – Wie kann Patientenversorgung sinnvoll funktionieren?
Die Nationale Versorgungs-Leitlinie (NVL) bildet die Grundlage für das DMP. Nowak erinnerte daran, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) aus der NVL KHK zurückgezogen hat. Er verwies dazu auf die Stellungnahme der DGK. Hauptkritikpunkte waren und sind:
Was hat sich mit den Anpassungen der DMP-A-RL geändert? Nowak hob positiv hervor, dass die gesicherte Diagnose einer KHK künftig auch mittels einer Computertomographie-Koronarangiographie (CCTA) erfolgen kann. Ein wenig streiten könne man über die Einordnung der ACE-Hemmer: Die Zielgruppe wurde hier auf das Vorliegen eines akuten Koronarsyndroms in der Vorgeschichte eingegrenzt.
Im DMP ist erwähnt, dass eine elektive Koronarangiographie nur indiziert ist, wenn sich nach Aufklärung und Beratung die Frage der Prognoseverbesserung durch eine Bypass-Operation stelle. „Also eine Koronarangiografie mit dem Ziel einer Bypass-OP. Nur 3 bis 4% aller Patienten, die eine Koronarangiografie bekommen, brauchen eine Bypass-OP“, stellte Nowak klar. Die Daten, die eine Prognoseverbesserung durch die Bypass-OP zeigen, seien unstrittig, aber sehr alt, so Nowak. Entsprechend wurden veraltete Techniken zur PCI eingesetzt, doch die interventionelle Kardiologie habe sich enorm weiterentwickelt. „Daten zeigen, dass die Myokard-Revaskulariation nicht nur die Symptomatik, sondern auch die Lebensqualität und Prognose verbessert“, betonte Nowak. Studien (doi: 10.1093/eurheartj/ehab246) zeigen ebenfalls, dass die Revaskularisation plus Medikation auch der alleinigen Medikamentengabe überlegen ist. Die alleinige Fokussierung auf die Bypass-OP sei aus Kardiologen-Sicht „inadäquat“, so Nowak.
Wie Nowak berichtete, heißt es im DMP, dass „vorzugsweise eine Strategie der festen Dosis (hoch oder moderat) oder alternativ eine Zielwert-Strategie gemeinsam mit der Patientin und dem Patienten unter Berücksichtigung des Nutzen-Schadens-Risikos vereinbart werden“ sollten. Seiner Einschätzung nach handelt es sich bei der Feste-Dosis-Strategie und der evidenzbasierten, international empfohlenen Zielwert-Strategie mittlerweile um einen Glaubenskrieg in Deutschland.
„In Großbritannien und in Polen bekommen die Hausärzte eine Prämie, wenn sie ihre Patienten in den Zielwert bringen. Das ist wichtig, weil es einen linearen Zusammenhang zwischen dem LDL-Cholesterin-Spiegel und dem Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses gibt“, erklärte Nowak. Es gebe immer mehr Daten, die das bestätigten.
Und auch die AkdÄ schreibt: Je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto höher ist der zu erwartende Nutzen einer Statintherapie. Hilfreich für die Behandlungsentscheidung ist deshalb die Kalkulation des individuellen kardiovaskulären Risikos. „Die Zielwert-Strategie ist nichts anderes als zu sagen: Die Patienten mit dem höchsten Risiko benötigen die stärkste Senkung des LDL-Cholesterins“, betonte Nowak. „Wenn man einen Hochrisikopatienten behandeln will und gar nicht weiß, welche Werte er tatsächlich erreicht, ist das ein Blindflug und der Patient wird unter Umständen unzureichend behandelt“, gab er zu bedenken. Finanzielle Gründe könnten kaum als Argument für die feste-Dosis-Strategie herangezogen werden, denn ein hochintensives Statin wie Rosuvastatin weise für die Basistherapie Tagestherapiekosten von 22 Cent auf, eine Zigarette kostet dagegen etwa 40 Cent.
Nowak verwies auf ein aktuelles Update der ESC zum Management von Dyslipidämien: Der Benefit, so die ESC, hänge davon ab, wie stark das LDL-C gesenkt wird. Werde nicht gemessen und nicht kontrolliert, lasse sich das nicht sagen. „Beim Blutdruck wissen wir auch: Es gibt Patienten, die kommen mit einer Tablette aus und es gibt Patienten, die brauchen 10 Tabletten“, sagte Nowak. Es habe Diskussionen mit der DEGAM gegeben, in denen argumentiert wurde, es gäbe keine konsistenten Nutzen-Belege für eine Titration der Statin-Dosis.
„Das ist nicht so ganz richtig“, sagte Nowak und verwies auf die „Treat Stroke to Target“-Studie (doi: 10.1056/NEJMoa1910355), die zwar nicht für KHK-Patienten, jedoch für Patienten nach Schlaganfall oder TIA gezeigt hatte, dass die Patienten mit LDL-C <70 mg/dl ein geringeres kardiovaskuläres Risiko aufwiesen. In der LODESTAR-Studie (doi:10.1001/jama.2023.2487) konnte die Nicht-Unterlegenheit der Zielwert-Strategie gegenüber der Hochdosis-Statintherapie gezeigt werden.
Die Studienautoren sehen das als zusätzlichen Beleg, dass man mit dem Treat to Target-Vorgehen gute LDL-C-Spiegel für den Patienten erreichen kann, sagte Nowak. Und auch der G-BA schreibt in der AM-RL-Anlage III Nr. 35a-c, dass die „stufenweise Ausschöpfung der Lipidsenker Statine, Ezetimib, Bempedoinsäure und PCSK9-Hemmer wirtschaftlich“ sei, solange der LDL-C-Wert nicht ausreichend gesenkt werden könne.
Laut DMP kann Ezetimib nur als Ersatz eingesetzt werden, wenn die Patienten eine Statinunverträglichkeit aufweisen. Dabei zeigten aktuelle Registerdaten aus Schweden, dass gerade die Patienten, die eine frühe Kombination aus Ezetimib und Statinen bekommen hatten, am meisten profitierten, berichtete Nowak. Er verwies auf die Erhebung ‘The underwhelming German life expectancy’, die zeigt: In Deutschland wird viel Geld für die Medizin und das Gesundheitswesen ausgegeben, trotzdem ist die Lebenserwartung verglichen mit anderen Ländern nicht besser, sondern teilweise eher schlechter. „Außer den USA schneiden wir überall schlechter ab und am deutlichsten wird das bei den kardiovaskulären Erkrankungen. Das hängt auch damit zusammen, dass Prävention in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt wird“, schloss Nowak.