- Gerischer, Lea (Berlin). Vortrag: Kann es Porphyrie sein? Sitzung: Alnylam: RNA-Interferenz – Angekommen in der Neurologie? Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) 2025, Berlin, 12.11.2025.
AHP beruht auf genetisch bedingten Enzymdefekten der hepatischen Häm-Biosynthese. Dabei reichern sich neurotoxische Zwischenprodukte wie δ-Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG) an. Vier Formen sind bekannt:
Typisch ist der Beginn im jungen Erwachsenenalter (20–40 Jahre). Die Mehrheit der Genträger bleibt jedoch beschwerdefrei. Frauen werden häufiger symptomatisch; ein Grund hierfür: weibliche Hormone gelten als ein Triggerfaktor.
Zu Beginn stehen bei der akuten hepatischen Porphyrie (AHP) meist autonome Symptome und Schmerzen im Vordergrund – typischerweise abdominell, aber auch im Bereich von Rücken oder Beinen.
Im weiteren Verlauf entwickeln sich neurologische Manifestationen, die sowohl das zentrale als auch das periphere Nervensystem betreffen können. Zentralnervöse Symptome wie Krampfanfälle, Verwirrtheit oder Bewusstseinsstörungen können im Rahmen eines enzephalopathischen Syndroms auftreten. Später kann sich zusätzlich eine motorische Neuropathie mit peripheren Paresen entwickeln, die in fortgeschrittenen Fällen axonale Varianten des Guillain-Barré-Syndroms (AMAN/AMSAN) imitieren – einschließlich einer potenziell lebensbedrohlichen Atemlähmung durch aufsteigende Lähmung. Auch eine Hyponatriämie ist bei akuten Porphyrieschüben ein häufiges und relevantes Begleitphänomen.
Neben dieser ausgeprägten Akutsymptomatik können zwischen den Attacken persistierende Beschwerden bestehen bleiben. Dazu zählen chronische Schmerzen, Übelkeit, , Schwäche und Taubheitsgefühle.
Die Bandbreite möglicher Fehldiagnosen ist groß: Zentralnervöse Verläufe können mit einer Autoimmunenzephalitis verwechselt werden, periphere Manifestationen ähneln nicht selten dem Guillain-Barré-Syndrom – letzteres gilt als eine der häufigsten Fehleinschätzungen bei unerkannter Porphyrie. Auch psychiatrische Fehlzuordnungen kommen vor, etwa bei stressassoziierten Symptomen, wenn vorschnell eine psychosomatische Genese vermutet wird.
Ein akuter Schub entsteht meist durch das Zusammenwirken mehrerer auslösender Faktoren. Diese stimulieren die Häm-Synthese und verstärken dadurch bei bestehendem Enzymdefekt die Anreicherung der toxischen Porphyrie-Vorstufen. Bekannte Auslöser sind:
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Der entscheidende Schritt zur Diagnosestellung ist ein Urin-Test. Hier finden sich erhöhte Konzentrationen von ALA und PBG im frischen Spontanurin. Wichtig: Die Urinprobe muss lichtgeschützt (z. B. in Alufolie verpackt) ins Labor gesandt werden. Eine isolierte Messung der Gesamtporphyrine im Urin reicht übrigens nicht aus (unspezifische Erhöhungen z. B. durch Medikamente möglich) – es müssen gezielt die akuten Porphyrie-Marker ALA und PBG bestimmt werden.
Die Behandlung einer akuten Porphyrie-Attacke stützt sich auf vier Säulen:
Bei rezidivierenden oder schweren Attacken ist Givosiran indiziert – ein RNA-Interferenz-Wirkstoff, der gezielt die hepatische ALA-Synthese hemmt. Die Wirksamkeit wurde in mehreren Studien bestätigt:
Akute hepatische Porphyrien sollten bei unklaren Kombinationen aus Bauchschmerzen und neurologischen Ausfällen differenzialdiagnostisch stets mitbedacht werden – besonders bei jüngeren Patientinnen. Entscheidend ist, frühzeitig an Porphyrie zu denken, die entsprechende Urindiagnostik (ALA/PBG) einzuleiten und unverzüglich mit einer spezifischen Therapie zu beginnen. In der Akutphase ist Hämin indiziert, bei rekurrierender AHP zudem Givosiran.