- Nerv und Muskel, DGN-Kongress, Berlin, 12.–15.11.2025.
Es gibt viele verschiedene entzündliche Erkrankungen der Muskeln und . Jede einzelne kommt nicht oft vor, aber insgesamt betreffen sie doch eine nennenswerte Anzahl von Menschen. Es ist wichtig, behandelbare Krankheiten früh zu erkennen, weil die Zeit eine große Rolle für den Erfolg der Therapie und die langfristigen Aussichten spielt. Wenn eine Diagnose zu spät gestellt wird, kann das zu bleibenden Muskelschäden führen, die auch durch spätere Behandlungen nicht mehr ganz behoben werden können.
Die Pathophysiologie variiert je nach Erkrankungstyp und umfasst unterschiedliche Schädigungsmechanismen. Bei immunogenen Myopathien führen Autoantikörper zur Muskelzellschädigung, wobei unterschiedliche Subtypen spezifische Antikörperprofile aufweisen können. Die genauen Mechanismen der Autoimmunität sind nicht vollständig verstanden, jedoch zeigen histopathologische Untersuchungen charakteristische Entzündungsmuster und Infiltrate. Bei hereditären Myopathien liegen genetische Defekte vor, die spezifische Muskelproteine oder -funktionen beeinträchtigen und zu strukturellen Veränderungen, metabolischen Störungen oder Störungen der neuromuskulären Übertragung führen können.
Mitochondriale Myopathien entstehen durch Defekte in der mitochondrialen oder in Genen im Zellkern, die für Proteine der Mitochondrien zuständig sind. Das führt zu einer gestörten Energieversorgung der Muskelzellen. Bestimmte Biomarker wie spezifische Antikörper (z.B. Anti-Jo-1, Anti-SRP, Anti-HMGCR), Enzymdefekte (z.B. Alpha-Glukosidase-Mangel bei M. Pompe) oder genetische Mutationen (z.B. SMN1-Deletion bei SMA) können diagnostisch wegweisend sein und ermöglichen eine gezieltere therapeutische Intervention.
Bei Verdacht auf eine neuromuskuläre Krankheit gibt es vier wichtige Punkte, die man beachten muss. Erstens muss man sicherstellen, dass die Beschwerden wirklich von neuromuskulären Ursachen kommen. Bei solchen Krankheiten haben Patienten oft deutliche Probleme mit bestimmten Bewegungen, zum Beispiel beim Treppensteigen. Unspezifische Beschwerden wie allgemeine Müdigkeit oder konstante Schmerzen ohne Besserung nach Ruhe sprechen eher gegen eine klassische neuromuskuläre Erkrankung.
Der zweite wichtige Aspekt ist die Beurteilung der zeitlichen Dynamik. Hier unterscheidet man zwischen subakutem und chronischem Verlauf und analysiert die Progressionsrate (rasch vs. langsam progredient). Die Erfassung von Remissionsphasen und deren Dauer (Tage, Wochen, Jahre) sowie das Manifestationsalter (Kindheit, junges oder fortgeschrittenes Erwachsenenalter) liefern wichtige diagnostische Hinweise auf bestimmte Erkrankungsentitäten.
Das dritte Kriterium umfasst die Erfassung des Verteilungsmusters der Muskelschwäche. Typische Muster sind das okulobulbäre Syndrom mit Beteiligung der Augen- und Rachenmuskulatur, das Gliedergürtelsyndrom mit Schwäche der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur, distale Myopathien sowie die fazioskapulohumerale Muskeldystrophie. Die proximale Tetraparese stellt dabei das häufigste klinische Manifestationsmuster dar und erfordert eine differenzierte Abklärung.
Der vierte Aspekt betrifft die Erhebung relevanter Begleitbefunde. Die Serum-Kreatinkinase (CK) ist bei den meisten Muskelerkrankungen erhöht, von leicht (300-400 U/l) bis stark (bis 10.000 U/l). Der Referenzwert liegt unter 200 U/l, wobei die Messung in Ruhe erfolgen sollte, da körperliche Aktivität den Wert erhöht. Eine CK-Bestimmung nach sportlicher Betätigung kann falsch positive Ergebnisse liefern und sollte vermieden werden. Das Antikörperprofil kann bei immunogenen Myopathien unterstützend wirken, ist jedoch nicht allein diagnosesichernd. Spezifische Tests für behandelbare Erkrankungen wie Morbus Pompe (Enzymtest) oder SMA (genetische Diagnostik) sollten bei entsprechendem Verdacht großzügig eingesetzt werden.
Elektrophysiologische Tests wie EMG, Neurographie und Serienstimulation helfen, zwischen und Nervenproblemen zu unterscheiden. Spontanaktivität kann bei beiden Arten von Erkrankungen auftreten, ist aber kein eindeutiges Zeichen für aktuelle Muskelschäden. EMG-Ergebnisse sollten immer zusammen mit anderen klinischen Befunden und Diagnoseergebnissen betrachtet werden.
Die bildgebende Diagnostik mittels Muskel-MRT hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie zeigt aktive Muskelschäden (Ödeme in STIR-Sequenzen) und chronische Veränderungen (fettige Degeneration in T1-Sequenzen). Durch die Kombination dieser Befunde kann man besser entscheiden, wo eine Biopsie sinnvoll ist, am besten in einem Muskel mit Ödem, aber ohne ausgeprägte fettige Degeneration. Manchmal zeigen bestimmte Krankheiten typische Muster von Muskelveränderungen, die bei der Diagnose helfen können.
Die Muskelbiopsie ist weiterhin sehr wichtig in der neuromuskulären Diagnostik. Die histopathologische Untersuchung ist entscheidend für die definitive Diagnosestellung, insbesondere bei inflammatorischen Myopathien. Neben der konventionellen offenen Biopsie steht neuerdings die vakuumgestützte Nadelbiopsie unter Ultraschallkontrolle zur Verfügung. Diese Methode ist weniger invasiv, ambulant durchführbar und ermöglicht durch ultraschallgesteuerte Präzision die Gewinnung mehrerer Gewebeproben für eine umfassende Diagnostik. Die neue Technik hat die Akzeptanz bei Patienten erhöht und kann bei bestimmten Fragestellungen die offene Biopsie ersetzen.
Die histopathologische Auswertung hat durch die immunhistochemische Analyse spezifischer Markerproteine (MAC1, MAC2, C5B9, P62) enorme Fortschritte gemacht. Aus der Kombination dieser Marker lassen sich verschiedene Myositisformen präziser identifizieren. Der Algorithmus basierend auf diesen Markern erlaubt eine differenzierte Klassifikation immunogener Myopathien und hat die diagnostische Genauigkeit deutlich verbessert. Eine korrekte Einordnung ist therapeutisch relevant, da verschiedene Subtypen unterschiedlich auf Therapien ansprechen können.
Patient berichtet über seit einigen Wochen bestehende Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Überkopfarbeiten, ggf. mit Myalgien. Diagnostisches Vorgehen:
Das häufigste Leitsymptom in der neuromuskulären Sprechstunde. Diagnostisches Vorgehen:
| Erkrankung | Diagnostischer Nachweis | Therapeutische Option |
|---|---|---|
| Morbus Pompe | Enzymdefekt: Alpha-Glukosidase | Enzymersatztherapie |
| Spinale Muskelatrophie (SMA) | Genetisch: SMN1-Deletion | Antisense-Therapie oder Risdiplam |
| Inflammatorische Myopathien | Histopathologie + Antikörper | Immunsuppression, ggf. spezifische Biologika |
| Myasthenia gravis | Antikörper gegen AChR/MuSK | Cholinesterasehemmer, Immunsuppression |