Small Fiber Neuropathie: Diagnostische Herausforderungen

Warum konventionelle Diagnostik oft versagt und welche modernen Methoden den entscheidenden Durchbruch bei dieser diagnostischen Herausforderung bringen können.

Diagnostik im Fokus

Die Small Fiber Neuropathie (SFN) betrifft die dünn myelinisierten A𝛿-Fasern und die unmyelinisierten C-Fasern, die für Nozizeption und thermische Wahrnehmung zuständig sind. Die C-Fasern übernehmen zudem noch autonome Funktionen. Die SFN ist häufig eine längenabhängige Erkrankung, erfordert aber auch die Abklärung von nicht längenabhängigen Verteilungsmustern (z.B. bei chronischem Beckenschmerz oder ).

Ätiologisch weist die SFN ein breites Spektrum möglicher Ursachen auf, weshalb eine umfassende Abklärung dringend geboten ist. In Deutschland stehen metabolische Faktoren wie Diabetes mellitus häufig im Vordergrund. Differentialdiagnostisch sollten zudem Vitamin-B12-Mangel und immunvermittelte Erkrankungen berücksichtigt werden. Weitere relevante Auslöser umfassen Infektionen (z.B. HIV), toxische Substanzen (z.B. Alkohol), Chemotherapie-induzierte Neuropathien sowie hereditäre und genetische Erkrankungen. Nicht selten tritt eine SFN auch syndromal bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder auf. Trotz ausführlicher Diagnostik bleibt bei einem Teil der Patienten die Ursache ungeklärt (idiopathische SFN). Interessanterweise konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen idiopathischer und kausaler SFN hinsichtlich Schmerzintensität und funktionellen Einschränkungen nachgewiesen werden.

Patienten mit typischen Symptomen (z.B. brennende Füße) zeigen in der klinischen Untersuchung mittels Elektroneurographie (ENG) keine Auffälligkeiten, da die ENG nur die schnell leitenden, großen Nervenfasern erfasst und eben nicht die A𝛿- und C-Fasern.

Erweiterte Diagnostik: QST und Hautbiopsie

Für die Erfassung der kleinen Nervenfasern sind alternative Methoden notwendig – Standard ist die Quantitative Sensorische Testung (QST): Für die Small Fibers die thermische Unterscheidungsschwelle, Warm- und Kaltschwelle (thermische Testungen). Darüber hinaus gibt es mechanische testungen, etwa die Druckschmerzschwelle und die dynamisch mechanische Allodynie. Nach Normdaten wird ein Funktionsgewinn (gain of function, z.B. Hyperalgesie) oder ein Funktionsverlust (loss of function, z.B. Hypästhesie) der Empfindlichkeit festgestellt.

Die Bestimmung der intraepidermalen Nervenfaserdichte über eine Hautbiopsie ist zunehmend etabliert.

Die Besta- und NEURODIAB-Kriterien definieren die Diagnosekriterien, wobei sie sich in der Regel ähneln. Bei Besta müssen mindestens zwei von drei Kriterien erfüllt sein: Hinweise auf eine SF-Schädigung sowie entweder pathologisch thermische Schwellen im QST oder Auffälligkeiten der intraepidermalen Nervenfaserdichte in der Hautbiopsie. Bei NEURODIAB ergeben sich die Kriterien wie folgt:

Diagnosekriterien
Mögliche SFN Rein klinische Symptome liegen vor.
Wahrscheinliche SFN Klinik + Nachweis einer SF-Schädigung in einer objektiven Testmethode. Suralis-Neurographie unauffällig.
Definitive SFN Klinik + pathologische IENFD in der Hautbiopsie (der Goldstandard) oder pathologische Befunde in QST und autonomen Tests.

Die Paradoxe Hitzeempfindung

Die paradoxe (Wahrnehmung von Hitze bei Kälte), die oft bei der thermischen quantitativen sensorischen Testung (QST) zutage tritt, kann als Prädiktor einer SFN verstanden werden. Eine Beobachtungsstudie bei Patienten mit diabetischer Neuropathie (doi: 10.1097/j.pain.0000000000003652) zeigte:

  • Die Häufigkeit der paradoxen Hitzeempfindung war bei Patienten mit bereits diagnostizierter Neuropathie deutlich erhöht.
  • Patienten mit paradoxer Hitzeempfindung entwickelten über fünf Jahre häufiger eine thermische Hypästhesie (unabhängig vom Vorliegen neuropathischer Schmerzen) und zeigten eine Assoziation mit geringerer Nervenleitgeschwindigkeit des N. suralis.

Weitere klinische und prognostische Aspekte

  • Genetik: Lacosamid zeigt eine signifikante Wirksamkeit bei der Behandlung der SFN, insbesondere bei Patienten mit spezifischen genetischen Mutationen in den spannungsabhängigen Natriumkanälen. Klinische Studien belegen eine höhere Ansprechrate im Vergleich zu Placebo, wobei die Deaktivierung der betroffenen Natriumkanäle physiologisch messbar war. Interessanterweise scheinen bestimmte Genvarianten mit einer neuronalen Übererregbarkeit zu korrelieren, was den therapeutischen Nutzen von Lacosamid bei dieser Subgruppe von SFN-Patienten erklären könnte.
  • sNfL: Serum-Neurofilament-Leichtketten (sNfL) erwiesen sich bei der Diagnostik der idiopathischen SFN im Vergleich zu Gesunden als wahrscheinlich nicht hilfreich. Auch bei schmerzhafter/schmerzloser oder unterschiedlichen Schmerzintensitäten zeigten sich keine Unterschiede. Die Konzentrationen korrelierten jedoch mit der Nervenfaserdichte.
  • Diabetische Polyneuropathie (DPN): Eine 5-Jahres-Studie zum Verlauf zeigte, dass etwa ein Drittel der DPN-Patienten Schmerzen entwickelten und ein Drittel eine Schmerzlinderung erfuhren (doi: 10.1097/j.pain.0000000000003649).
    • Prognostisch ungünstig: Weibliches Geschlecht, schlechte Nervenwerte, ausgedehnte Hypästhesie.
    • Prognostisch günstig: Niedriger BMI, niedriges Cholesterin, bessere Nervenfunktion.
  • Kombinationsschmerzen: Das gleichzeitige Vorliegen von neuropathischen und myofaszialen Schmerzen führt bei Patienten oft zu mehr , und einem deutlich erhöhten Impairment. Hier ist es besonders wichtig, nach weiteren Grunderkrankungen zu schauen, um das Outcome der Patienten zu verbessern.
Quelle:
  1. Enax-Krumova, Elena (Bochum); Maihöfner, Christian (Fürth); Krämer-Best, Heidrun (Gießen). Vortragsreihe: Schmerz. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) 2025, Berlin, 12.11.2025.