Wird das Leukämie-Risiko vorhersagbar?

Mit steigendem Lebensalter kommt es zu einer natürlichen Anreicherung von Aberrationen und Mutationen innerhalb der Hämatopoese. Dadurch kann sich die Wahrscheinlichkeit, an einer Leukämie zu erkranken, individuell erhöhen. Doch sind diese molekularen Veränderungen auch prädiktiv einsetzbar?

Mit molekularen Markern zu zielgerichteten Therapieansätzen 

Mit steigendem Lebensalter kommt es zu einer natürlichen Anreicherung von Aberrationen und Mutationen innerhalb der Hämatopoese. Dadurch kann sich die Wahrscheinlichkeit, an einer Leukämie zu erkranken, individuell erhöhen. Doch sind diese molekularen Veränderungen auch diagnostisch bzw. prädiktiv einsetzbar? – Eine spannende Frage mit hoffnungsvoller Antwort.

Betrachtet man die Pathogenese der Leukämien, so fällt zuerst die enorme Heterogenität der Erkrankungen auf, sind diese doch in erster Linie eine Folge meist zahlreich vorausgegangener, molekulargenetischer Veränderungen im blutbildenden System. Häufig betroffene Gene und Genprodukte sind beispielsweise BCR-ABL, p53, DNMT3A u. a.

Solche Genveränderungen treten mit steigendem Lebensalter ganz natürlich auch bei gesunden Menschen auf. Im Alter > 70 Jahren, so aktuelle Messungen, weisen zwischen 10 % und 50 % aller Testpersonen, solche Genmutationen auf. Dennoch erkrankt nicht jeder Mensch im Alter an einer Leukämie.

In einigen Fällen reichern sich die Mutationen jedoch in der Hämatopoese an und bilden einen zahlenmäßig vergrößerten Klon innerhalb der Blutzellen. Diese sogenannte klonale Hämatopoese (CHIP = clonal hematopoiesis of indeterminate potential) kann schließlich das Risiko, an einer hämatologischen Neoplasie zu erkranken, deutlich erhöhen. Daneben gelten aber ebenso Chromosomenaberrationen im peripheren Blut sowie der Verlust des Y-Chromosoms in den Blutzellen von Männern höheren Alters als Risikoprädiktoren für die Entstehung einer Leukämie.

CHIP als Ausgangspunkt der akuten myeloischen Leukämie (AML)

Das Risiko des Übergangs beispielsweise von der CHIP in eine AML steigt Studien zufolge mit der Anzahl gleichzeitig nebeneinander bestehender Mutationen und ist dabei unabhängig davon, ob die Genveränderung in einem Kandidatentreibergen oder innerhalb eines unbekannten Treibergens auftritt.

Für die AML besteht ein höheres Risiko für einen Übergang von der CHIP hin zur Leukämie, wenn z. B. TP53 oder U2AF1 von Mutationen und einer Klonalisierung betroffen sind. Pre-AML-Fälle zeigten Analysen zufolge ferner häufig Mutationen in Genen, welche für Splicing-Faktoren kodieren.

Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt sich das Übergangsrisiko in eine Leukämie wie folgt vereinfacht zusammenfassen: "Je mehr Mutationen zu finden sind und je größer der mutierte Klon ist, desto wahrscheinlicher wird der Übergang von einer CHIP in eine Leukämie."

Fazit

Mit steigendem Lebensalter nimmt auch die Prävalenz der klonalen Hämatopoese zu, welche als ein Risikofaktor für hämatologische Malignitäten gilt. Insbesondere Chromosomenveränderungen, wie Aberrationen oder Genmutationen, stellen eine Prädisposition für Leukämien dar. Interessanterweise steigt das Risiko unabhängig davon an, ob sich die Mutationen primär in sogenannten Kandidatentreibergenen oder in unbekannten Treibergenen finden.

Die Technologie der ultra-sensitiven Sequenzierung zeigte unlängst, dass CHIP eine sehr hohe Prävalenz in der älteren Allgemeinbevölkerung haben. Menschen mit Pre-AML-CHIP besitzen darüber hinaus mehr Mutationen, eine höhere Anzahl an Allelkopien sowie ein spezifisches Mutationsprofil, z. B. der Splicing-Faktoren, in Zellen der Hämatopoese.

Das Wissen um solche molekularen Marker könnte dabei helfen, Hochrisikopatienten zu selektionieren und neue, zielgerichtete Therapieansätze zu entwickeln. Überdies ist die individualisierte, molekularbiologische Diagnostik bei Leukämiepatienten ein guter Weg hin zur personalisierten Krebsmedizin.

Quelle:
Krämer A. "State of the Art: Molekulare Pathologie der Leukämien", Plenar: Leukämien. 33. Deutscher Krebskongress 2018, Berlin, 23.02.2018.