Digitale Assistenz mit Grenzen – Künstliche Intelligenz in der Dermatologie

KI in der Dermatologie: Zwischen innovativem Fortschritt und ethischen Fragestellungen. Was bedeutet das für den Praxisalltag?

KI in der Bildanalyse: Verheißung und Vorsicht

Viele dermatologische Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) basieren auf Bildverarbeitung mittels . Algorithmen erkennen Läsionen, beurteilen deren Form, Größe, Farbe und Oberfläche. Klassifikation und Segmentierung erlauben die Differenzierung zwischen benigner und maligner Hautveränderung und liefern damit eine diagnostische Einschätzung – teilweise mit ähnlicher oder sogar höherer Genauigkeit als erfahrene Dermatologen.

Darüber hinaus wird KI in der Verlaufskontrolle chronischer Hauterkrankungen wie Psoriasis oder atopischer Dermatitis eingesetzt. Hier können Patientenbilder zwischen den Arztterminen analysiert, Trends über Wochen dokumentiert und fluktuierende Krankheitsverläufe sichtbar gemacht werden. Insbesondere im häuslichen Umfeld, etwa bei venösen Ulzera, ermöglicht dies eine individuelle und situationsgerechte Anpassung therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen.

Doch der klinische Einsatz ist nicht ohne Risiko. Ein viel zitiertes Beispiel: Systematische Fehler in der Datengrundlage können dazu führen, dass bestimmte Hauttypen oder Merkmale nicht korrekt erkannt werden. So erwies sich etwa in einem Trainingsdatensatz die KI unfähig, rote Hauttumoren bei rothaarigen Patienten zu identifizieren – weil diese schlicht nicht im Trainingsmaterial vorkamen, was schwerwiegende Fehldiagnosen zur Folge haben kann.

Therapieplanung & Kommunikation: Ergänzung statt Ersatz

Neben der Diagnostik bietet KI zunehmend auch Unterstützung bei Therapieentscheidungen. Systeme, die mit großen Datenmengen arbeiten, analysieren klinische Parameter, setzen Scores in Zusammenhang und geben strukturierte Behandlungsvorschläge – beispielsweise bei Ekzemen, oder chronischer Urtikaria.

KI-basierte Sprachverarbeitungssysteme wie ChatGPT positionieren sich mit umfassenden, didaktisch aufbereiteten Antworten als scheinbare „All-in-one-Berater“. Klinische Tests zeigten: KI kann durchaus strukturierte, einfühlsame Empfehlungen geben – etwa zu Hautpflege oder medikamentösen Optionen. Doch die Grenze zwischen Unterstützung und Gefahr verläuft fließend. Denn das System kann überzeugend falsch liegen, auch wenn die Antwort sprachlich kohärent und professionell formuliert ist. Die emotionale Wahrnehmung überlagert dann oft die faktische Richtigkeit – eine Herausforderung, der sich Ärzte im Gespräch mit Patienten vermehrt stellen müssen.

Das bestätigen auch Patientenvertretungen: Viele Betroffene recherchieren vor dem Arztbesuch online, nutzen Chatbots und Foren, um sich zu informieren. Häufig bringen sie diese Informationen aktiv in die Sprechstunde ein – verbunden mit der Erwartung, dass ihr Arzt ihnen hilft, die Einordnung vorzunehmen.

Aufklärung, Qualitätssicherung und Transparenz

Für Ärzte besteht daher die dringende Aufgabe, sowohl über den Nutzen als auch über die Grenzen der aufzuklären: KI ist kein Ersatz für ärztliche Entscheidungskompetenz, sondern ein Zusatzinstrument – potenziell hilfreich bei standardisierten Fragestellungen, nicht aber geeignet für individualisierte Diagnostik und Therapie. Dieses Verständnis ist gerade im Kontext chronischer oder seltener dermatologischer Erkrankungen besonders wichtig.

Ein zentrales Problem: Der „Black-Box-Charakter“ vieler KI-Anwendungen. Häufig bleiben die Datenquellen, Entscheidungslogiken und Parameterkonfigurationen undurchsichtig – sowohl für Patienten als auch für medizinisches Fachpersonal. Dies erschwert die Validierung und Einordnung der Ergebnisse. Daher wird eine Etablierung von Post-Market Surveillance gefordert, eine transparente Dokumentation der Trainingsdaten sowie Qualitätskontrollen, die dem Standard regulierter Medizinprodukte entsprechen.

Patientenorientierter Einsatz: Perspektiven aus der Versorgung

Susanna Palkonen, Direktorin der European Federation of Allergy and Airways Diseases Patients’ Associations (EFA), wies darauf hin, wie groß der Informationshunger Betroffener oft ist. Besonders wenn es um Alltag, Pflege, emotionale Belastung oder soziale Rechte geht. Hier könne die KI niedrigschwellige, strukturierte Erstinformationen liefern. Eine echte ärztliche Begleitung aber bleibt durch nichts zu ersetzen.

Fazit: KI ist bereits fester Bestandteil der dermatologischen Arbeitsrealität. Um Qualität und Patientensicherheit langfristig zu gewährleisten, braucht es jedoch klare ethische Richtlinien, regulatorische Maßnahmen und eine kritische Fortbildung des Fachpersonals. Nur dann kann KI ihr Potenzial entfalten – als präzises Werkzeug und nicht als gefährlicher Ratgeber.

Quellen:
  1. Prof. Dr. Dr. Alexander Zink, Dr. Karlijn Clarysse.Social media in my daily practice (Session ID D3T03.2), EADV Congress 2025, Virtual/Paris, Friday, 19 Sep, 10:15 - 11:45 CEST.
  2. Mrs. Tammi Shipowick, Prof. Aleksandra Lesiak, Dr. Catherine van Montfrans. AI and social media strategies in dermatological practice (Session ID D2T14.1), EADV Congress 2025, Virtual/Paris, Thursday, 18 Sep, 08:30 - 10:00 CEST.