GLP-1-RA bei Psoriasis: Ein neuer Pfeiler in der Komorbiditätstherapie?

Eine auf dem EADV-Kongress 2025 vorgestellte Studie zeigt eine drastische Reduktion der Mortalität und des kardiovaskulären Risikos bei Psoriasis-Patienten unter Therapie mit GLP-1-RA. Die Ergebnisse könnten den klinischen Alltag in der Betreuung dieser Patientengruppe nachhaltig verändern.

GLP-1-Rezeptoragonisten bei Psoriasis: Mehr als nur Blutzucker- und Gewichtskontrolle?

(Paris) – Die Psoriasis ist längst als reine Hauterkrankung enttarnt und wird heute als systemische, chronisch-entzündliche Erkrankung verstanden, die mit einer signifikant erhöhten Inzidenz von Komorbiditäten assoziiert ist. Dazu zählen insbesondere das metabolische Syndrom, kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Substanzmissbrauch. Die adäquate Behandlung dieser Begleiterkrankungen ist ein zentraler Bestandteil der modernen Psoriasis-Therapie.

Neue Daten, die auf dem Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) 2025 vorgestellt wurden, rücken nun eine bekannte Wirkstoffklasse in ein völlig neues Licht: Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA).

Die Entwicklung: Signifikante Risikoreduktion über den metabolischen Effekt hinaus

Eine großangelegte, retrospektive Kohortenstudie – die größte ihrer Art – analysierte die Daten von über 6.000 Psoriasis-Patienten in den USA, die aufgrund von Diabetes oder Adipositas medikamentös behandelt wurden. Die eine Hälfte erhielt einen GLP-1-RA (z. B. Semaglutid, Liraglutid), die andere Hälfte alternative Antidiabetika oder Antiadiposita.

Die Ergebnisse nach 24 Monaten weisen auf eine deutliche Reduktion der untersuchten Endpunkte hin:

Diese Effekte waren nach dem Matching der Kohorten nach Alter, Geschlecht und Komorbiditäten mittels Propensity-Score-Matching robust und konsistent. Bemerkenswert war zudem, dass diese Vorteile bei Psoriasis-Patienten besonders ausgeprägt schienen, was auf eine mögliche Synergie zwischen der systemischen Entzündung und den Wirkmechanismen der GLP-1-RA hindeutet.

Stand der Dinge und mögliche Wirkmechanismen

Bislang lag der Fokus beim Einsatz von GLP-1-RA bei Psoriasis-Patienten auf der Behandlung der häufigen Komorbiditäten Typ-2-Diabetes und Adipositas. Die neuen Daten deuten darauf hin, dass der Nutzen weit darüber hinausgeht und auf möglichen anti-inflammatorischen und neurobiologischen Mechanismen beruhen könnte.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass GLP-1-Rezeptoragonisten Vorteile bieten könnten, die über ihre Wirkung auf Gewicht und Blutzuckerkontrolle hinausgehen, insbesondere für kardiovaskuläre und psychiatrische Ergebnisse bei Menschen mit Psoriasis. Wir vermuten, dass die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors proinflammatorische Mediatoren hemmen kann, die bei Menschen mit Psoriasis erhöht sind.“

Professor Ralf Ludwig, Hauptautor der Studie

Zudem, so Ludwig weiter, befinden sich GLP-1-Rezeptoren auch in Hirnarealen, die für die Stimmungsregulation und das Belohnungssystem relevant sind. Dies könnte die überraschend starke Reduktion von Alkohol- und Substanzmissbrauch erklären.

Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis? 

Diese Studienergebnisse haben das Potenzial, die Behandlungsstrategie für Psoriasis-Patienten mit metabolischen Komorbiditäten grundlegend zu verändern. Für den niedergelassenen oder klinisch tätigen Arzt bedeutet dies:

  1. Ganzheitliche Therapieentscheidung: Bei einem Psoriasis-Patienten, der eine Therapie für Typ-2-Diabetes oder Adipositas benötigt, könnten GLP-1-RA zu einer bevorzugten Behandlungsoption werden. Der duale Nutzen – die effektive Behandlung der metabolischen Störung bei gleichzeitiger massiver Reduktion kardiovaskulärer und psychiatrischer Risiken – stellt einen erheblichen Mehrwert dar.
  2. Interdisziplinäre Relevanz: Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Dermatologie, Diabetologie, Kardiologie und Psychiatrie. Ein Psoriasis-Patient ist ein Systemerkrankungs-Patient.
  3. Patientenaufklärung: Die Beobachtung, dass eine Medikamentengruppe mit einer Senkung des langfristigen Risikos für Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod assoziiert ist, ist ein starkes Argument in der Patientenberatung und kann die Adhärenz fördern.
  4. Sicherheitsprofil: Die Studie bestätigte, dass das Sicherheitsprofil der GLP-1-RA bei Psoriasis-Patienten dem der Allgemeinbevölkerung entspricht, ohne signifikante Zunahme von Nebenwirkungen wie Hypoglykämie oder gastrointestinalen Beschwerden.

Ausblick: Ein Paradigmenwechsel in der Komorbiditätstherapie?

Die auf dem EADV-Kongress präsentierten Daten sind ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten und ganzheitlichen Versorgung von Menschen mit Psoriasis. Während der traditionelle Fokus auf der Kontrolle der Hautsymptome lag, rückt die proaktive Steuerung der systemischen Risiken immer stärker in den Mittelpunkt.

Obwohl es sich um eine retrospektive Analyse handelt, ist die Signalwirkung enorm. Prospektive, randomisierte Studien werden folgen müssen, um diese Ergebnisse zu bestätigen und zu untersuchen, ob auch Psoriasis-Patienten ohne manifeste Diabetes- oder Adipositas-Diagnose von einer GLP-1-RA-Therapie profitieren könnten. Bis dahin bieten diese Erkenntnisse jedoch bereits eine solide Grundlage für fundierte Therapieentscheidungen im klinischen Alltag.

Quellen: 
  1. Olbrich, H., Kridin, K., Ludwig, R. J. et al. (2025). GLP-1RA and reduced
    mortality, cardiovascular and psychiatric risks in psoriasis: a large-scale
    cohort study. Presented at the EADV Congress 2025.
  2. National Psoriasis Foundation. (n.d.). Psoriasis statistics.
    https://www.psoriasis.org/psoriasis-statistics/
  3. Ludwig RJ, Herzog C, Rostock A, Ochsendorf FR, Zollner TM, Thaci D, et al.
    Psoriasis: a possible risk factor for development of coronary artery
    calcification. Br J Dermatol. 2007 Feb;156(2):271–6.
  4. Takeshita J, Grewal S, Langan SM, Mehta NN, Ogdie A, Van Voorhees AS, et
    al. Psoriasis and comorbid diseases: Epidemiology. J Am Acad Dermatol.
    2017 Mar;76(3):377–90.
  5. Gao N, Kong M, Li X, Zhu X, Wei D, Ni M, et al. The Association Between
    Psoriasis and Risk of Cardiovascular Disease: A Mendelian Randomization
    Analysis. Front Immunol. 2022;13:918224
  6. Wang W, Volkow ND, Berger NA, Davis PB, Kaelber DC, Xu R. Association of
    semaglutide with risk of suicidal ideation in a real-world cohort. Nat Med.
    2024 Jan;30(1):168–76.
  7. Alfaris N, Sumithran P, & Muskiet MHA. (2025). The expanding role of GLP-1
    receptor agonists: A narrative review. The Lancet eClinicalMedicine, 25,
    100295.