Wie soziale Medien die dermatologische Praxis verändern
Die digitale Welt verändert das Gesicht der Dermatologie: Von Social Listening bei Hauterkrankungen bis zu dermatologischen Podcasts – wie Fachärzte die Online-Welt für eine bessere Patientenversorgung nutzen können.
Patientenversorgung im Wandel
In seinem Vortrag betonte der Vorsitzende Alexander Zink (München, Deutschland), dass sich im Zuge der Digitalisierung der Kontakt zwischen Ärzten und Patienten verändert: Was früher ausschließlich in den Räumlichkeiten der Kliniken stattfand, verlagert sich zunehmend auf die Smartphones der Patienten. Bis zu 90 % der Patienten mit atopischer Dermatitis recherchieren heute vor oder nach ihren Terminen im Internet, und ihre Suchanfragen prägen oft die Fragen, die sie in die Sprechstunde mitbringen.
Dieses als „Social Listening” bekannte Phänomen ermöglicht es Dermatologen, reale Einblicke in die Patientenanliegen zu erhalten. In seinem Vortrag präsentierte Prof. Zink eine aufschlussreiche Korrelation: Die Häufigkeit bestimmter Google-Suchanfragen korrespondiert mit den klinischen Daten des schwedischen Registers für atopische Dermatitis. Diese Übereinstimmung unterstreicht das Potenzial der digitalen Epidemiologie als komplementäres Instrument zur traditionellen medizinischen Forschung. Akne dominiert die Online-Gespräche, gefolgt von Ekzemen und Psoriasis, während seltenere Krankheiten um Aufmerksamkeit kämpfen.
Die Auswirkungen sind zweischneidig: Einerseits erhalten Dermatologen einen beispiellosen Einblick in die Prioritäten ihrer Patienten, andererseits hinterlässt die ärztliche Abwesenheit auf diesen Kanälen eine Lücke, die von Laien gerne gefüllt wird. Prof. Zink wies auch auf den rasanten Aufstieg von KI-Assistenten und KI-Influencern hin und prognostizierte, dass Tools wie ChatGPT zunehmend als Vermittler im Dialog zwischen Patienten und Ärzten fungieren werden. Für den Berufsstand ist dies sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance.
Wie man ein erfolgreicher Influencer im Bereich Dermatologie wird
Dr. Karlijn Clarysse (Antwerpen/Brüssel, Belgien) befasste sich mit einem zentralen Paradoxon: Trotz der starken Online-Präsenz der Dermatologie stammen nur 4 % der Inhalte zu diesem Thema von staatlich geprüften Fachärzten. Die Lücke wird von Beauty-Bloggern, Wellness-Coaches und kommerziellen Akteuren gefüllt.
Clarysse präsentierte Analysen von YouTube-Videos zum Thema Psoriasis, in denen viele unbewiesene oder schädliche Heilmittel beworben wurden. Für sie ist das kein Grund zum Rückzug, sondern ein Aufruf zu mehr Engagement. Soziale Medien, so argumentierte sie, können ein Instrument der öffentlichen Gesundheit sein, wenn sie verantwortungsbewusst genutzt werden.
Ihr Rat war pragmatisch: Wählen Sie Plattformen entsprechend Ihren Zielen aus (Instagram und TikTok für die Öffentlichkeitsarbeit, LinkedIn für das berufliche Networking, YouTube für die Aufklärung), definieren Sie eine Nische und legen Sie Wert auf Authentizität. Konsistenz beim Posten ist wichtig, aber ebenso wichtig ist Transparenz in Bezug auf finanzielle Unterstützung und Markenkooperationen. Durch vorbildliches, professionelles Verhalten können sich Dermatologen auf einem überfüllten Kanal hervorheben und gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit wahren.
Dr. Clarysse schloss mit einer Herausforderung: „Wenn wir den digitalen Raum nicht mit evidenzbasierten Stimmen füllen, werden es andere tun, und die Patienten werden ihnen folgen.“
Podcasts: Intimität und globale Reichweite
Dr. Hassan Galadari (Dubai, Vereinigte Arabische Emirate) lenkte den Fokus auf ein anderes Format und beschrieb Podcasts als die „langsamen Medien“ der Dermatologie: zugänglich, mobil und dialogorientiert. Mit mehr als 500 Millionen Hörern weltweit sind Podcasts zunehmend Teil des Alltags geworden.
Audio-Formate bieten Dermatologen einen besonderen kommunikativen Mehrwert. Hörer integrieren Podcasts oft nahtlos in ihren Alltag – sei es auf dem Weg zur Arbeit oder während körperlicher Aktivität. Diese Begleitfunktion schafft eine besondere Verbindung zwischen Sprecher und Publikum. Es entsteht ein Raum der Vertrautheit und persönlichen Ansprache, den andere Medienformate in dieser Form nicht ermöglichen. Die Produktionskosten sind gering: Ein Mikrofon, eine Bearbeitungssoftware und ein klares Konzept reichen aus, um loszulegen.
Dr. Galadari schlug praktische Strategien vor: Arbeiten Sie mit einem Co-Moderator zusammen, um die Energie aufrechtzuerhalten, verflechten Sie klinische Inhalte mit persönlichen Erzählungen und entwickeln Sie eine wiedererkennbare Markenidentität. Beliebte Formate sind Patientenaufklärung, das Entlarven von Mythen sowie psychosoziale Aspekte dermatologischer Erkrankungen. Der Schlüssel liegt darin, ein Gleichgewicht zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und einfacher Zugänglichkeit zu finden und sicherzustellen, dass die Autorität des Spezialisten die Unterhaltung bereichert und nicht unterdrückt.
Ethik, Professionalität und Selbstschutz
Der letzte Vortrag von Dr. Alia Ahmed (London, Großbritannien) beleuchtete die Risiken und Chancen. Sie skizzierte ein Szenario, in dem Begeisterung schnell zu einer Belastung werden kann.
Das Posten von Patientenbildern ohne ausdrückliche Zustimmung, selbst wenn diese anonymisiert sind, bleibt ein Verstoß gegen die Ethik. Der Austausch privater Nachrichten mit Patienten verwischt berufliche Grenzen. Emotionale Reaktionen auf Trolle oder feindselige Kommentare können Konflikte eskalieren lassen.
Dr. Ahmed riet Dermatologen, standardisierte Antworten für direkte Patientenanfragen zu verwenden und diese an offizielle klinische Kanäle weiterzuleiten. Sie ermutigte ihre Kollegen außerdem, ihre eigene Online-Identität zu pflegen und persönliche von beruflichen Inhalten klar zu trennen.
Eine weitere Gefahr wird oft übersehen: Burnout. Die Forderung nach ständigen Beiträgen in Verbindung mit der Kritik, der man ausgesetzt ist, kann die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Für Dr. Ahmed ist Selbstfürsorge nicht nebensächlich, sondern von zentraler Bedeutung. „Wenn wir erschöpft sind“, so Dr. Ahmed, „können wir unseren Patienten weder online noch offline helfen.“
Über die Patientenaufklärung hinaus: der Beruf im Internet
Während der Fragerunde ging die Diskussion über die individuelle Praxis hinaus. Patientenorganisationen wurden als wichtige Verbündete hervorgehoben: Ihre Plattformen verbreiten evidenzbasierte Inhalte und bieten Unterstützung durch die Gemeinschaft.
Mehrere Wissenschaftler wiesen auf den Wert sozialer Medien für die wissenschaftliche Kommunikation hin. Beiträge, die Studienergebnisse oder Aktualisierungen von Leitlinien zusammenfassen, können, wenn sie präzise formuliert sind, ein breiteres Publikum erreichen als traditionelle Fachzeitschriften. Dermatologen beschrieben auch die Nutzung geschlossener Gruppen für den Austausch unter Kollegen, in denen Fälle, Protokolle und Lehrmaterialien geteilt werden können.
Die Doppelrolle – Aufklärung von Patienten und Vernetzung von Fachleuten – macht soziale Medien zu einem klinischen und akademischen Ökosystem.
Die digitale Zukunft der Dermatologie gestalten
Soziale Medien werden nicht verschwinden; ihr Einfluss auf die Dermatologie ist bereits heute tiefgreifend. Die Frage ist nicht, ob Dermatologen sich daran beteiligen sollten, sondern wie.
Die gemeinsame Botschaft von Zink, Clarysse, Galadari und Ahmed war klar: Dermatologen müssen den digitalen Raum bewusst und ethisch verantwortungsvoll nutzen. Indem sie Patienten online zuhören, zuverlässige Inhalte erstellen, mit neuen Medien experimentieren und Grenzen wahren, können sie soziale Plattformen in Instrumente für Aufklärung und Zusammenarbeit verwandeln.
Wie der EADV-Kongress 2025 gezeigt hat, ist die digitale Welt kein optionales Zusatzelement der klinischen Arbeit. Diese Dimension stellt einen unverzichtbaren Bestandteil moderner Medizin dar. Dermatologen, die sich dieser Perspektive öffnen, leisten einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung ihres Fachgebiets – hin zu mehr Informationsaustausch, stärkerer Vernetzung und erhöhter Resilienz in der dermatologischen Praxis.
- Zink A. Impact of social media on patient care. Session “Social media in my daily practice” (Session ID D3T03.2A), EADV Congress 2025, Paris/Virtual, 19 Sept 2025, 10:15–10:35 CEST.
- Clarysse K. How to be a successful derm influencer. Session “Social media in my daily practice” (Session ID D3T03.2B), EADV Congress 2025, Paris/Virtual, 19 Sept 2025, 10:35–10:55 CEST.
- Galadari H. Successful podcasts. Session “Social media in my daily practice” (Session ID D3T03.2C), EADV Congress 2025, Paris/Virtual, 19 Sept 2025, 10:55–11:15 CEST.
- Ahmed A. The don’ts in social media. Session “Social media in my daily practice” (Session ID D3T03.2D), EADV Congress 2025, Paris/Virtual, 19 Sept 2025, 11:15–11:35 CEST.