Neurologische Kriegsfolgen: Millionen ohne Zugang zu Neurorehabilitation

Seit 1915 sind die neurologischen Kriegsfolgen bekannt - von Shell Shock bis zur heutigen PTSD. Doch die Versorgung verschlechtert sich: Allein in der Ukraine wurden 200 Ärzte getötet und 2000 Kliniken zerstört.

Vermehrtes Auftreten neurologischer Erkrankungen unter Hunger

Der Syrische Bürgerkrieg, der Russisch-Ukrainischer-Krieg, der Huthi-Konflikt, der Bürgerkrieg in Äthiopien, der Konflikt in Afghanistan und der Nahostkonflikt haben allesamt das Gesundheitssystem der betroffenen Regionen beeinträchtigt. In diesen Gebieten ist die Infrastruktur zum Teil stark zerstört worden, sodass Patienten Maßnahmen zur Neurorehabilitation nicht mehr wahrnehmen können. Dabei ist neurologische Rehabilitation gerade in Kriegsgebieten entscheidend - sowohl für die Behandlung vulnerabler Patientengruppen als auch für die Zukunft dieser Länder. Humanitäre Krisen und Hungersnöte verstärken das Problem zusätzlich, da sie vermehrt zu führen, die eine entsprechende Behandlung benötigen. Doch ohne Bewältigung der Hungersnöte können auch Maßnahmen zur Neurorehabilitation nicht anschlagen, so Dr. Taras Voloshyn, ein Orthopäde und Chirurg aus der Ukraine.1

Kriege hinterlassen neurologische Wunden in mehreren Generationen

Zum aktuellen Zeitpunkt wurden weltweit rund 44,3 Millionen Kinder gewaltsam aus ihren Heimatorten vertrieben. Sie alle benötigen Neurorehabilitation, doch der Zugang zu solchen Maßnahmen bleibt vielen verwehrt.1

Gezielte Minimierung von Ärzten in der Ukraine

Im ersten Kriegsjahr in der Ukraine wurden bereits 1106 Gesundheitseinrichtungen, 174 medizinische Einrichtungen zerstört und 106 medizinische Fachkräfte während ihrer Arbeit getötet. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Anzahl auf 200 getötete medizinische Fachkräfte und 2000 zerstörte Gesundheitseinrichtungen angestiegen, so Voloshyn.1

Russische Raketen trafen auf 630 im Krankenhaus befindliche Kinder

Unter diesen Kriegsbedingungen ist es kaum möglich eine adäquate Behandlung der betroffenen Patienten durchzuführen, vor allem, wenn gezielt Kinderkrankenhäuser durch russische Raketen angegriffen werden, wie es beim Beschuss des Kyiv „Okhmatdyt“ Krankenhaus der Fall war. Hier befanden sich noch 630 Kinder im Krankenhaus als die Rakete einschlug.1

Keine Antibiotika gegen zunehmend resistente Keime in der Ukraine 

Der hat starke Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die gesundheitliche Lage in der Ukraine: Seit Kriegsbeginn ist die Anzahl an Bewerbungen an medizinischen Hochschulen um 21 % eingebrochen. Aktuell ist die Hälfte der praktizierenden Ärzte in der Ukraine bereits über 50 Jahre alt. Auch die Anzahl an antibiotikaresistenten Infektionskrankheiten hat zugenommen, so Voloshyn. Gegen diese resistenten Keime gibt es bisher keine antibiotische Therapie.1

Neurorehabilitation als Grundvoraussetzung für eine gesunde Weltbevölkerung

Prof. Matilde Leonardi sprach über die neurologischen Effekte von Kriegen und ging darauf ein, wie Regierungen die Neurorehabilitation in Konfliktgebieten unterstützen können und müssen. Aktuell sind die Regierungen nicht ausreichend auf die neurologischen Folgen eines Krieges oder einer Krise vorbereitet. Neurorehabilitation sollte als grundlegende Versorgung nach dem humanitären Völkerrecht für jeden Menschen zugänglich sein, so Leonardi. Zusammenbrechende Versorgungsstrukturen und flüchtendes medizinisches Personal sind ein großes Problem in Kriegsgebieten, da sie massive Versorgungslücken hinterlassen. Neurorehabilitative Maßnahmen können so nicht mehr gewährleistet werden.2

Vom Shell Shock zur posttraumatischen Belastungsstörung

Bereits im Jahr 1915 wurde die Kriegsneurose – damals noch als Shell Shock bezeichnet – in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet beschrieben: Die Detonationen in Kriegssituationen hatten damals bei den Betroffenen zu schweren psychischen Störungen geführt. In 60-80 % der Fälle litten die betroffenen Patienten mit Shell Shock unter einer akuten Neurasthenie, in 10 % unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.2

Konsequenzen des Krieges für die neurologische Versorgung

Fazit für die Praxis

Mangelernährung und Stress können zu einem Anstieg neurologischer Erkrankungen führen. In Kriegssituationen werden gezielt medizinische Einrichtungen angegriffen, wodurch massive Versorgungslücken entstehen. Eine bessere Vorbereitung durch die Regierung ist notwendig, um Patienten aus Kriegsgebieten eine adäquate Neurorehabilitation zu ermöglichen. Das erhöhte Suizidrisiko von Veteranen muss beachtet werden. Hypoxie, Dehydrierung und Stress können zu einem akuten Schlaganfall führen. Trauma und Hypoxie können in einem Status epilepticus resultieren. Lösungen sind notwendig für den erhöhten Pflegebedarf der Veteranen. Antibiotikaresistente Infektionskrankheiten nehmen in Kriegsgebieten zu, sind nicht behandelbar und können sich weltweit verbreiten.

Quellen:
  1. Dr. Voloshyn, Taras, Challenges in neurorehabilitation in a war zone, Neurorehabilitation during wars, EAN-Kongress 2025, 21. Juni 2025, 10:35 - 11:02 EEST.
  2. Prof. Leonardi, Matilde, Neurorehabilitation during wars: Challenges for policymakers and health care systems, Neurorehabilitation during wars, EAN-Kongress 2025, 21. Juni 2025, 11:29 - 11:56 EEST