Kasuistik: Zweitlinienbehandlung bei R/R DLBCL
Beim rezidivierten oder refraktären diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom ohne Stammzelltransplantation stehen nur wenige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auf dem EHA-Kongress 2022 wurden mögliche Therapieoptionen anhand von Fallvorstellungen diskutiert.
R/R DLBCL: Alternativen zur Stammzelltransplantation
Beim R/R DLBCL gilt die Chemotherapie mit nachfolgender Konsolidierung durch eine autologe Stammzelltransplantation als die Standardtherapie in der Zweitlinie. Allerdings kommen nicht alle Erkrankten für eine Transplantation infrage. Speziell für diese Betroffenen gibt es mittlerweile mehrere andere Möglichkeiten. Hierzu zählen:2
- Chemotherapie nach dem Schema R-GemOx, R-GDP oder R-DHAP
- CAR-T-Zell-Therapie
- Polatuzumab mit Bendamustin und Rituximab (Pola-BR)
- Tafasitamab mit Lenalidomid
Dr. Johannes Düll stellt in seinem Vortrag die oben genannten Therapieschemata gegenüber. Er vergleicht hierbei die Daten für das jeweilige mediane progressionsfreie Überleben und kommt zu folgendem Schluss: Die Kombination aus Tafasitamab und Lenalidomid besitzt mit 12,1 Monaten das längste mediane progressionsfreie Überleben. Die von Düll vorgestellten Daten stammen aus der Publikation von Salles G. et al. aus dem Jahr 2020.1,2
Synergismus als Hoffnungsträger
Tafasitamab und Lenalidomid zeigen Wirksamkeit beim therapierefraktären diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom ohne Qualifikation zur autologen Stammzelltransplantation. Tafasitamab (MOR208) ist ein Fc-verstärkter, humanisierter monoklonaler Anti-CD19-Antikörper, der bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem B-Zell-Malignom präklinisch und als Einzelwirkstoff bereits Wirksamkeit gezeigt hat. Salles G. et al. konnten eine synergistische Wirkung von Tafasitamab in Kombination mit Lenalidomid beobachten. Die Forschungsgruppe wandte die Kombinationstherapie bei insgesamt 81 der 156 gescreenten Patienten an. Bei ihnen war zuvor ein histologisch gesichertes diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom diagnostiziert worden und sie hatten folgende Einschlusskriterien erfüllt:
- Therapierefraktärität bzw. Rückfall nach vorangegangener Behandlung mit ein bis drei systemischen Therapien (≥ 1 Anti-CD20-Therapie).1
- Keine Eignung zur Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation.1
Die Patienten erhielten intravenöses Tafasitamab (12 mg/kg) und orales Lenalidomid (25 mg/Tag) für bis zu 12 Zyklen (je 28 Tage) in Kombination. Eine Tafasitamab-Monotherapie kam im Anschluss bei Patienten mit stabiler oder besserer Erkrankung zum Einsatz. Die Therapie wurde beibehalten bis zum Fortschreiten der Erkrankung. Die Kombinationstherapie aus Tafasitamab und Lenalidomid zeigte beim Großteil der Patienten ein günstiges Sicherheitsprofil und gute Wirksamkeit. Die objektive Ansprechrate (ORR) lag bei 60%. Zu einem kompletten Therapieansprechen kam es bei fast der Hälfte der Patienten (48%).1
Zu den häufigsten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 zählten:
- Neutropenie (48%)1
- Thrombozytopenie (17%)1
- febrile Neutropenie (12%)1
Zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignisses kam es bei 51% der Patienten:
- Lungenentzündung (6%)1
- febrile Neutropenie (6%)1
- Lungenembolie (4%)1
- Bronchitis (2%)1
- Vorhofflimmern (2%)1
- kongestives Herzversagen (2%)1
Die Ergebnisse der von Salles G. et al. 2020 in der renommierten Fachzeitschrift "The Lancet" publizierten Studie brachten einer Patientengruppe Hoffnung, die keine Qualifikation zur autologen Stammzelltransplantation besaß. Ein komplettes Therapieansprechen war bei fast der Hälfte der Patienten vorhanden. Die Kombinationstherapie -bestehend aus Tafasitamab und Lenalidomid- stellt eine wichtige Therapieoption für diese spezielle Patientengruppe dar.1
Fallvorstellung
Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) stellt die häufigste Neoplasie des lymphatischen Systems dar. Unbehandelt führt diese Erkrankung rasch zum Tod. Daten der SCHOLAR-1-Studie zufolge lag die vollständige Ansprechrate bei Patienten mit refraktärem DLBCL bei lediglich 7%. Das mediane Gesamtüberleben betrug 6,3 Monate. Nur noch 20% der Patienten mit refraktärem DLBCL waren nach 2 Jahren noch am Leben.3 Auf dem diesjährigen EHA-Kongress referierte Düll zur Behandlung des therapierefraktären DLBCL. Der erste von ihm vorgestellte Fall befasste sich mit der Erstdiagnose des DLBCL.2
Fall aus der Praxis: Erstdiagnose DLBCL
Bei einer Patientin in der achten Lebensdekade und mit gutem Allgemeinzustand (ECOG 1) wurde vor drei Jahren die Diagnose DLBCL (Stadium IVB) gestellt. Im durchgeführten FDG-PET wurde des Weiteren eine Knochenmark- und Leberinfiltration nachgewiesen. Die Prognose lag gemäß dem aaIPI (age-adjusted international prognostic index) bei 3.
Die primäre Therapie erfolgte extern mit sechs Zyklen R-miniCHOP und anschließend mit der zweimaligen Gabe von Rituximab. Im Anschluss wurde zur Befundkontrolle ein FDG-PET durchgeführt. Hierbei zeigte sich keine Regression. Für die weitere Behandlung der Patientin mit primär refraktärer DLBCL erfolgte die Überweisung in ein Zentrum (Universitätsklinik Würzburg).2
R/R DLBCL erfolgreich therapiert durch die Kombination aus Tafasitamab und Lenalidomid
Im weiteren Verlauf wurde nun die Medikation mit Tafasitamab/Lenalidomid gemäß dem Regime der L-MIND-Studie eingeleitet. Der positive Effekt der Therapie zeigt sich in der Bildgebung: Die nach der Primärbehandlung nachweisbare, initiale Leberinfiltration war nach drei Zyklen der Zweitlinientherapie komplett rückläufig (siehe Abbildung 1). Auch eine Befundkontrolle nach dem sechsten Zyklus bot keinen Anhalt für ein Rezidiv.2
Neutropenie und COVID-19 unter der Therapie
Die Behandlungsdauer betrug bis dato 10 Monate; in diesem Zeitraum musste keine Dosisanpassung der Arzneimittel erfolgen. Zwar kam es unter der Therapie mehrfach zur Neutropenie, diese war aber nach einer G-CSF-Gabe nur von kurzer Dauer. Andere unerwünschte Begleiterscheinungen, wie etwa infusionsbedingte Reaktionen, traten nicht auf.2
Während der Behandlung mit Tafasitamab/Lenalidomid erkrankte die Patientin zudem an COVID-19. Erfreulicherweise zeigte sie keinerlei Symptome und überstand die Infektion komplikationslos.2
Fazit für die Praxis
- Für Patienten mit R/R DLBCL, die keine Eignung für eine Stammzelltransplantation besitzen, stellt die Kombinationstherapie aus Tafasitamab/Lenalidomid eine überlebenswichtige Therapieoption dar.1,2
- Der Einsatz von Tafasitamab/Lenalidomid als Zweitlinientherapie bei R/R DLBCL ist erfolgreich und sicher.2
- Tafasitamab und Lenalidomid besitzen ein adäquates Sicherheitsprofil.2
- Die Kombinationstherapie Tafasitamab/Lenalidomid geht mit einem relativ langen progressionsfreien Überleben einher.2
- Bei fast der Hälfte der Patienten ist ein komplettes Therapieansprechen möglich.1
- Ein objektives Ansprechen (ORR) ist sogar bei mehr als der Hälfte der Patienten (60%) erreichbar.1
- Salles G. et al. (2020). Tafasitamab plus lenalidomide in relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (L-MIND): a multicentre, prospective, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol. 2020 Jul;21(7):978-988.
- Düll, Johannes, Dr. med., Universitätsklinik Würzburg, Vortrag: Second-line treatment in R/R DLBCL with tafasitamab/lenalidomide: a case study. Sitzung: Incyte – Pearls of Knowledge: New Insights into Treatment of Relapsed/Refractory Diffuse Large B-Cell Lymphoma, EHA Kongress 2022, Wien, 10.06.2022.
- Crump M. et al. (2017). Outcomes in refractory diffuse large B-cell lymphoma: results from the international SCHOLAR-1 study. Blood. 2017 Oct 19;130(16):1800-1808.