Wie vergrößern Neutropenien das Risiko für AML und MDS?

Schwere angeborene Neutropenien erhöhen das Risiko für das myelodysplastische Syndrom und die akute myeloische Leukämie. Was weiß man heute über die hämatologischen Prozesse, die zur Leukämogenese führen?

Interview mit Prof. Julia Skokowa

Leukämogenese bei Patienten mit angeborenen Mutationen

Menschen mit angeborenen Mutationen in bestimmten Genen sind bereits als Säuglinge anfällig für bakterielle Infektionen. Obwohl Neutropenien mit Wachstumsfaktoren (Zytokinen) behandelt werden können, entwickeln etwa 20% von ihnen MDS oder AML. Die deregulierte Expression von Transkriptionsfaktoren, Zytokinrezeptoren und Effektormolekülen führt zur Blockade und übermäßigen Proliferation der hämatopoetischen Stammzellen, und damit zur Leukämogenese. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse kann zu gezielten Therapien führen, die das Risiko minimieren und den Verlauf dieser Erkrankungen verbessern.

Rolle der Seneszenz bei Leukämien und präleukämischen Symptomen

Für Prof. Skokowa ist der Begriff Seneszenz bei der chronischen Neutropenie nicht ganz passend. Darum verwendet sie den Ausdruck "Quieszenz". Denn die Zellen befinden sich nur in einem Ruhezustand und sind nicht gänzlich inaktiv. Genetische Mutationen oder andere Mutationen, die im Kontext der Leukämogenese eine Rolle spielen, können diese Zellen aufwecken, wodurch sie eine übermäßige Proliferation erfahren und letztendlich leukämogen werden.

Welchen Einfluss hat das Alter auf die Leukämogenese?

Kürzlich wurde festgestellt, dass mit zunehmendem Alter spezifische Mutationen bei Patienten auftreten und diese Mutationen zur klonalen Expansion bestimmter Blutzellen führen können, was als klonale Hämatopoese bezeichnet wird. Dabei proliferiert eine bestimmte hämatopoetische Stammzelle dominanter als andere. Die Mutationen, die zur klonalen Hämatopoese führen, spielen eine wichtige Rolle in den epigenetischen regulatorischen Mechanismen all dieser Prozesse.

Hämatopoese und Leukämogenese: Rückfallrisiko bei hämatologischen Malignomen?

Obwohl Leukämiezellen unter dem Mikroskop uniform erscheinen, weisen sie eine Heterogenität auf. Es gibt Leukämie-Stammzellen, ruhende Zellen und bereits proliferierende Zellen, von denen einige spezifische neue Genmutationen oder chromosomale Translokationen aufweisen. Der Therapie-Response der Patienten hängt von dieser Heterogenität ab und bestimmt, ob ein Rückfall auftritt oder nicht.

Faktoren und Strategien zur Überwindung der Therapieresistenz

In zunehmendem Maße werden Faktoren identifiziert, die zu resistenten Leukämien führen. In der Gruppe von Patienten, die untersucht wurden, wurde kürzlich entdeckt, dass bestimmte Proteine stark in den Leukämie-Zellen exprimiert werden und mit der Therapieresistenz in Verbindung stehen. Ein beträchtlicher Anteil der Leukämie-Stammzellen, Seneszenten oder Quieszenten trägt zur Entwicklung von Therapieresistenzen bei.