Die steigende Belastung durch Magen-Darm-Krebs

Eine Gruppe von Experten der ESMO GI 2025 beleuchtet kritische Trends und neue therapeutische Strategien zur Bekämpfung der weltweit steigenden Zahl von Magen-Darm-Krebserkrankungen.

20 Millionen neue Krebsfälle pro Jahr

Dr. Elisabete Weiderpass, Direktorin der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), eröffnete die Debatte mit einigen zum Nachdenken anregenden Statistiken. Weltweit gibt es jedes Jahr etwa 20 Millionen neue Krebsfälle, die rund 10 Millionen Todesfälle verursachen. machen 24 % aller neuen Krebsfälle aus und sind für einen überproportionalen Anteil (34 %) der krebsbedingten Todesfälle weltweit verantwortlich.

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Virtuelle Pressekonferenz der ESMO, Donnerstag, 3. Juli 2025. © ESMO 2025

Diese Zahlen spiegeln die erhebliche Belastung durch bösartige Tumoren wie Darm-, Magen-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen- und Gallenblasenkrebs wider. „Die Gesamtzahl der Menschen, die an diesen Krebsarten erkranken, steigt weltweit“, erklärte Dr. Weiderpass und führte diesen Anstieg hauptsächlich auf das Bevölkerungswachstum und die Alterung der Bevölkerung zurück. Besonders besorgniserregend ist die Zunahme der Darmkrebsfälle bei jüngeren Bevölkerungsgruppen. Dr. Weiderpass wies darauf hin, dass in 27 der 50 untersuchten Länder die Darmkrebsraten bei Patienten unter 50 Jahren steigen, was einen Trend mit potenziell weitreichenden Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit signalisiert.

Die Zahl der Krebsfälle steigt, sogar unter jungen Menschen

Professor Michel Ducreux (Gustave Roussy, Frankreich) ging näher auf das Phänomen des früh auftretenden Darmkrebses ein. Ursprünglich wurde angenommen, dass erbliche Syndrome wie das Lynch-Syndrom aufgrund von Tumoren mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI) die erhöhten Raten bei jüngeren Patienten erklären könnten. Detaillierte Analysen ergaben jedoch, dass die meisten dieser früh auftretenden Krebserkrankungen mikrosatellitenstabil (MSS) sind und oft als fortgeschrittene, aggressive Erkrankung auftreten.

„Dies ist kein MSI-Krebs, sondern MSS-Krebs, und oft eine sehr fortgeschrittene Erkrankung“, betonte Prof. Ducreux. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass früh auftretender Darmkrebs eine biologisch eigenständige Entität darstellen könnte, die einzigartige therapeutische Ansätze erfordert. Er betonte, dass die Überlebensraten dieser Patienten variieren können und dass weitere Forschung entscheidend ist, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen.

H. pylori-Infektion und Ernährungsfaktoren bei Magenkrebsrisiko

Dr. Elizabeth Smyth (Oxford University Hospitals NHS Foundation Trust, Großbritannien) sprach über Magenkrebs und hob die bekannte Rolle der hervor, insbesondere bei distalen Magenkrebsarten. Mit der Entwicklung der Länder und dem Rückgang der H. pylori-Prävalenz sinken auch die damit verbundenen Magenkrebsraten. Allerdings bleiben Lebensstilfaktoren weiterhin entscheidend. Eine salzreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Tabakkonsum und ein begrenzter Zugang zu frischem Obst und Gemüse tragen erheblich zum Magenkrebsrisiko bei. Dr. Smyth betonte, dass veränderbare Risikofaktoren weiterhin eine zentrale Rolle bei den Präventionsbemühungen spielen.

Darüber hinaus ging Dr. Smyth auf die steigende Inzidenz von Krebserkrankungen am gastroösophagealen Übergang ein, die eher mit Fettleibigkeit und saurem Reflux als mit Ernährungsfaktoren in Verbindung stehen, und zeigte auf, wie sich die Krebsepidemiologie parallel zu den weltweiten Veränderungen des Lebensstils entwickelt.

Fortschritte bei Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist aufgrund der späten Diagnose und der inhärenten Resistenz gegenüber Behandlungen nach wie vor eine der tödlichsten Krebsarten. Prof. Ducreux hob die Forschungsergebnisse zu KRAS-Mutationen als potenziellen Durchbruch hervor: Die neuartigen KRAS-Inhibitoren bieten erstmals Hoffnung auf gezielte Therapien in einem bisher kaum erschlossenen Gebiet.

Dr. Lorenza Rimassa (IRCCS Humanitas Research Hospital, Italien) betonte darüber hinaus die biologische Aggressivität von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die meisten Diagnosen erfolgen in fortgeschrittenen Stadien, oft wenn Patienten vage Symptome wie Gewichtsverlust oder Bauchschmerzen aufweisen. Selbst wenn Tumore anfangs resezierbar sind, bleiben die Rückfallraten hoch, was die dringende Notwendigkeit wirksamerer systemischer Therapien und präzisionsmedizinischer Strategien unterstreicht.

Dr. Rimassa präsentierte auch wichtige neue Erkenntnisse zum hepatozellulären Karzinom (HCC), der häufigsten Form von primärem Leberkrebs. Sie beschrieb aktuelle Daten aus Phase-III-Studien, die zeigen, dass die Kombination lokaler regionaler Therapien wie der transarteriellen Chemoembolisation (TACE) mit Immuntherapien die Ergebnisse bei HCC im mittleren Stadium verbessert.

Ebenso vielversprechend ist das Aufkommen der bei HCC. Dr. Rimassa verwies auf laufende Forschungen zu molekularen Zielstrukturen wie der Überexpression von FGF19 und GPC3, die die therapeutische Landschaft verändern könnten. Obwohl es derzeit keine zuverlässigen Biomarker gibt, die die Wahl der Behandlung bei HCC leiten, deuten diese Studien auf eine Verlagerung hin zu maßgeschneiderten Therapieansätzen hin.

Lebensqualität von Krebspatienten

Dr. Elizabeth Smyth betonte, dass die Aufgabe der nicht nur darin besteht, das Überleben zu verlängern, sondern auch darin, Patienten zu einem guten Leben zu verhelfen. Von Patienten berichtete Ergebnisse sind entscheidend, um die tatsächlichen Auswirkungen einer Behandlung über Bildgebungsverfahren oder Überlebensstatistiken hinaus zu verstehen.

Die Lebensqualität wird in der Regel anhand validierter Fragebögen bewertet, die verschiedene Bereiche abdecken, darunter körperliche Symptome, emotionales Wohlbefinden und soziale Funktionsfähigkeit. Dr. Smyth merkte an, dass diese Informationen Aufschluss darüber geben können, wie sich Behandlungen auf das tägliche Leben der Patienten, ihr Energieniveau und ihre Fähigkeit, Beziehungen und normale Aktivitäten aufrechtzuerhalten, auswirken.

Neue digitale Technologien, wie beispielsweise tragbare Geräte, werden zunehmend als ergänzende Instrumente untersucht. Diese können das Aktivitätsniveau, Schlafmuster und andere Indikatoren für das Wohlbefinden objektiv verfolgen und bieten Einblicke, die über herkömmliche Patientenfragebögen hinausgehen.

Dr. Smyth betonte, dass Daten zur Lebensqualität mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Bewertung neuer Krebstherapien sind. Rahmenwerke wie die ESMO Magnitude of Clinical Benefit Scale (MCBS) beziehen neben den Überlebensraten auch Messgrößen zur Lebensqualität ein, um festzustellen, ob Behandlungen das Leben der Patienten tatsächlich verbessern. Die Zukunft der Onkologie liegt darin, sicherzustellen, dass Patienten nicht nur länger leben, sondern während ihrer gesamten Behandlung auch eine gute Lebensqualität behalten.

Blick in die Zukunft

Dr. Ducreux betonte die Notwendigkeit einer besseren Aufklärung und wies darauf hin, dass junge Menschen sich oft für unverwundbar gegenüber Krebs halten. Eine Änderung dieser Denkweise ist entscheidend für die Förderung der Früherkennung und die Verbesserung der Ergebnisse.

Am Ende der Informationsveranstaltung reflektierten die Referenten über die dringende Notwendigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse in die klinische Praxis umzusetzen. Von Flüssigbiopsien und zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) für die Früherkennung und Überwachung minimaler Restkrankheiten bis hin zu neuen Immuntherapien und gezielten Behandlungen ist die Zukunft der gastrointestinalen Onkologie sehr vielversprechend.

Die Referenten wiesen jedoch gemeinsam darauf hin, dass Innovationen mit Strategien einhergehen müssen, die einen gerechten Zugang gewährleisten, insbesondere in ressourcenarmen Regionen. Angesichts der weltweit steigenden Krebsinzidenz wird die Integration von Prävention, , personalisierten Therapien und patientenorientierter Versorgung entscheidend sein, um die Entwicklung von Magen-Darm-Krebs weltweit zu verändern.

Quelle:
  1. Ducreux M, Rimassa L, Smyth E, Weiderpass E, Lamarca E.  The rising burden of gastrointestinal cancers: insights and innovations to control the impact. ESMO Virtual Press Briefing. Thursday 3 July, from 13:00-13:45 CEST.