Die digitale Praxis: Aus "Big Data" wird "Smart Data"

Digitalisierung ist das große Wort, mit dem die Medizin im 21. Jahrhundert zukunftsfähig gemacht werden soll. Für die niedergelassene Praxis bleibt dies allerdings oft noch Zukunftsmusik. Ärzte vertrauen lieber auf Altbewährtes, wie Fax und Praxissoftware. Dem Patientenwunsch entspricht dies nicht, wie eine aktuelle Umfrage der apoBank zeigt.

Fühlt ein Patient sich dieser Tage schlecht, geht er zum Arzt. Dieser wird ihn untersuchen, zu einer Diagnose kommen und den Betreffenden anschließend an die Apotheke weiterleiten oder zu einem Fachkollegen bzw. ins Klinikum überweisen.

In nicht allzu ferner Zukunft soll das gleiche Szenario dann so aussehen: Der Patient überwacht ständig seine Gesundheit. Bei Auffälligkeiten sucht er selbst nach Informationen oder konsultiert eine digitale Beratung. Gegebenenfalls erhält der Patient der Zukunft daraufhin eine digitale Behandlung, indem er an eine Apotheke oder einen ambulanten Arzt weitergeschickt wird. Die Apotheke wird per Drohnenkurier die benötigten Medikamente in kürzester Zeit zustellen lassen. Der Arzt verweist wiederum an einen Facharzt, das Klinikum oder ebenfalls an die Apotheke. Die Digitalisierung soll dabei als Mittler und zugleich als verbindendes Element zwischen Arzt und Patient wirken.

Mehr als jeder zweite Patient möchte digitale Medizin

Doch ist ein solches Zukunftsszenario überhaupt erwünscht? Dieser Frage ging die apoBank kürzlich nach und gab eine Statista-Umfrage in Auftrag, an der 1.000 Menschen über 18 Jahre teilnahmen. Mehr als 60 % der Teilnehmer wünschten sich demnach eine digitale Kommunikation mit ihrem jeweiligen Arzt. Gut zwei Drittel (68 %) setzten dabei auf mobile Endgeräte. Die Top 3 der Patienten-Wunschliste waren laut Umfrage die Online-Terminvergabe, E-Mail sowie die Videosprechstunde. Darüber hinaus sprachen sich 62 % für die elektronische Patientenakte aus und würden sogar einwilligen, ihre Daten an andere Ärzte weiterzugeben.

Die Umfrage entwarf ferner ein sehr gutes Bild vom besonders digital-affinen Patienten. Wie sieht dieser im Alltag wohl aus? Er ist männlich, jung und lebt in der Großstadt. Interessant daran ist, dass einmal nicht junge Frauen hier die Nase vorn hatten, die ja in der Regel sonst als sehr viel gesundheitsaffiner gelten. Die möglichen Folgen der Digitalisierung wurden allgemein von den Befragten eher als positiv für ihr Leben, die Gesundheit und die Behandlung bewertet.

Auf der anderen Seite zeigen sich Ärzte beim Thema "digitale Praxis" noch sehr zurückhaltend. Sie nutzen statisch zwar hilfreiche Programme für die Praxisverwaltung, jedoch fehlt die digitale Schnittstelle mit dem Patienten gänzlich. Ärzte verstehen die Digitalisierung noch zu wenig als aktiv zu bearbeitendes eigenes Handlungsfeld. Aber es gilt ebenso: Ärzte nutzen Technik, wenn sie ihnen nützt.

Mit der KI gegen MRSA

Nützlich ist beispielsweise der unterstützende Einsatz einer KI im Laborumfeld, wenn es darum geht Routinebeurteilungen von mikrobiologischen Proben umzusetzen. Die Labor Berlin-Charité Vivantes GmbH führt dazu derzeit ein Pilotprojekt durch. Ziel ist es, z. B. zu einer schnellen und qualitativ hochwertigen Befundung bei multiresistenten Keimen zu kommen.

Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf primär alphanumerischen Daten, die sich in "0" oder "1" ausdrücken lassen. Es gibt einen Befund oder eben keinen Befund. Dies ermöglicht es, Proben eindeutig unterscheiden zu können und eine KI mithilfe mehrerer Millionen Durchläufe weiter zu trainieren.

Das routiniert arbeitende mikrobiologische Labor der Charité erstellt etwa 20.000 Befunde täglich. Dies entspricht circa 16 Stunden Arbeit, wofür das Labor 2,4 Vollzeit-Mikrobiologen beschäftigen müsste. Jedoch sind nur 3 % der erhobenen 20.000 Befunde pro Tag auffällig. Hier steht ein hoher personeller Aufwand einer nur geringen positiven Befundquote gegenüber. Dadurch ist es den Mikrobiologen beispielsweise nicht möglich, sich um andere Aufgaben, wie die Antibiotika-Beratung und das Antibiotic Stewardship zu kümmern sowie das klinische Personal in diesen Fragen weiterzubilden.

Die KI könnte hier zukünftig helfen, mikrobiologische Proben zu screenen und eine Vorauswahl zu treffen. Der Facharzt bzw. Mikrobiologe müsste anschließend lediglich die 3 % auffälligen Befunde nachkontrollieren. Die KI wird den Arzt also keineswegs ersetzen, kann ihm aber Zeit ersparen, die Arbeit erleichtern und hilft zudem, die Kosten zu senken.

Quelle:
"Digitalisierung im Praxisalltag – wie können Ärzte und Patienten durch digitale Anwendungen unterstützt werden?", Hauptstadtkongress 2018, Berlin am 7. Juni 2018