Primär metastasiertes Mammakarzinom – OP ja oder nein?

Bei der Frage, ob bei einem primär metastasierten Mammakarzinom operiert werden sollte oder nicht, ist man laut Session-Vorsitz Günther Steger, MedUni Wien, "genauso verwirrt wie vorher, nur vielleicht besser informiert".

Experten erörtern Vorteile und Nachteile

Bei der Frage, ob bei einem primär metastasierten Mammakarzinom operiert werden sollte oder nicht, ist man laut Session-Vorsitz Günther Steger, MedUni Wien, "genauso verwirrt wie vorher, nur vielleicht besser informiert".

Um die fünf Prozent der Patienten haben keine Heilungschancen, sie sind behandelbar aber dennoch unheilbar. Es geht bei der palliativen Situation vor allem darum, möglichst wenig Schaden und möglichst viel Nutzen zu erreichen, um den Patienten gerecht zu werden. Darum ist auch die Diskussion darüber, ob eine Operation von Notwendigkeit sei, so wichtig. Die Referenten Tanja Fehm, Universitätsklinikum Düsseldorf, und Manfred Welslau, Aschaffenburg, beleuchten die Pros und Contras einer Operation.

Contra: Eine OP hat keinen Einfluss auf das Survival

Das Paradigma, dass die OP nichts bringen würden, ist komplett umgekehrt worden. Die jüngsten retrospektiven Studien1 haben gezeigt, dass die Resektion des Brusttumors bei Patienten mit primär metastasiertem Brustkrebs mit einer signifikanten Verbesserung der Prognose einhergeht.  Allerdings sei es angesichts der Natur retrospektiver Analysen nicht möglich, eine definitive Antwort auf die Frage zu geben, ob die chirurgische Therapie des Brusttumors tatsächlich das Gesamtüberleben beeinflusst. Ein Bias besteht durch das Timing der Chirurgie in Bezug auf die Diagnose von Metastasen, auch wurde die Anwendung der systemischen Therapie in der publizierten Retrospektive nicht immer spezifiziert. Des Weiteren sind die operierten Frauen oft jünger, haben kleinere Tumoren, weniger Komorbiditäten, eine geringere Belastung der metastasierten Erkrankungen, weniger wahrscheinlich viszerale Metastasen und wahrscheinlich einen besseren Zugang zur medizinischen Versorgung.

Um also eine klare Aussage hinsichtlich der Effektivität einer Operation treffen zu können, würden mehr prospektive Studien benötigt. Aus Sicht des Mediziners könne man eine OP nur bei Frauen vertreten, die diese aus palliativen Gründen benötigen.  Bei einer funktionierenden Systemtherapie würde sich allerdings die Frage stellen, ob eine Patientin mit einer OP belastet werden muss. Auch deuten praktische Hinweise daraufhin, dass durch eine solche Behandlung das Wachstum von metastasierten Erkrankungen stimuliert werden könnte. Es besteht die Gefahr, dass eine Zirkulation von Tumorzellen aufgrund einer Operation begünstigt wird. Das chirurgische Verfahren trage auch immer ein eigenes Risiko. Es können Hämatome und Infektionen entstehen. Diese und andere Komplikation können die systemische Behandlung verzögern, was das Überleben negativ beeinflussen kann.

Pro: Großzügige Indikationsstellung zur OP

Aus tumorbiologischer Sicht sei die Entfernung des Primärtumors sinnvoll, so Fehm, da dadurch die lokale Kontrolle erreicht werden könne. Durch die Operation könne zudem verhindert werden, dass die Metastasenbildung in der Peripherie stimuliert wird. Fehm führt drei Metaanalysen2 auf, die den Benefit der operativen Therapie beim metastasierten Mammakarzinom bestätigen. Des Weiteren zeigen die großangelegten retrospektiven Studien aus der Türkei3 und Indien4, dass eine Operation das Gesamtüberleben signifikant verlängert, wobei bei letzterer Studie keine HER2-Therapie erfolgte.

Mit einer Systemtherapie sollte jedoch auch nach den Richtlinien in allen Fällen des metastasierten Brustkarzinoms begonnen werden. Sobald der Tumor jedoch im Rahmen einer Progression wieder ausbricht, sei eine Operation laut Fehm besonders bei jungen HR-positiven Patientinnen mit Oligometastasierung und isolierten Knochenmetastasen in Erwägung zu ziehen. Eine OP könne, entgegen üblicher Argumente gegen die Behandlung, das Immunsystem stärken und die Zellstreuung hemmen.

Fazit

Zusammenfassend ist bei aktueller dünner Datenlage weder die eine noch die andere Aussage falsch oder richtig. Die oft zitierte indische Tata Memorial Studie4 ist nicht aussagekräftig, da keine adäquate Systemtherapie erfolgte. Deshalb werden große, international angelegte Studien benötigt, "bei der alle mitkönnen", so Steger, die dann aufschlussreiche Daten liefern. Die Herausforderung hierfür scheint aktuell die Rekrutierung zu sein. Solange die Mediziner selbst vom Erfolg der OP nicht überzeugt sind, dürfte es schwerfallen, ausreichend Studienteilnehmer zu finden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass bei jetziger Datenlage eine Operation bei jungen Patienten unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll erscheint.

Referenzen:
1. Badwe R. et al, Lancelot Oncol 2015; Soran A. et al. ASCO 2016; abstr. 1005.
2. Harris E. et al. Ann Surg Oncol 2013; Rapiti E. et al. J Clin Oncol 2006; Nguyen DHA et al. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2012.
3. Soran A. et al. ASCO 2016; abstr. 1005.
4. Badwe R. et al, Lancelot Oncol 2015.