Das Modellvorhaben basiert auf Paragraf 64e SGB V und verpflichtet den GKV-Spitzenverband, mit geeigneten Zentren für und Onkologie Verträge über Ganz-Genom-Sequenzierung, die dazu notwendigen Struktur- und Qualitätsanforderungen sowie an systematische Datenerhebung und die dazu erforderliche Dateninfrastruktur zu schließen. In der Zwischenzeit sind auch die PKV und die Beihilfe dem Vertrag beigetreten, so dass grundsätzlich alle geeigneten Patienten eine Chance auf einen Zugang zu dem Modell haben. Bislang waren die Ganz-Genom-Sequenzierung nur auf der Basis von Selektivverträgen und damit nur für einen kleinen Teil der Patienten zugänglich. Gendiagnostischer Standard in der GKV ist die Sequenzierung des Exogenoms, die aber Limitationen hinsichtlich ihrer Aussagekraft aufweist.
Zugang zu dem Modellvorhaben erhalten Patienten mit Seltenen und bestimmten genetisch bedingten auf Überweisung durch den behandelnden (Haus-)Arzt an eines der teilnehmenden Zentren. Dort entscheidet ein Board über den Einsatz erweiterter gendiagnostischer Verfahren und nach einer Analyse durch Auswertung vorliegender klinischer und genetischer Daten über die weitere Vorgehensweise. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Modells, so die Patientenvertreterin Stephanie Stegen vom BRCA-Netzwerk, seien verständliche Informationen für die Patientenzielgruppen, aber auch informierte niedergelassene Ärzte, die gezielte Überweisungen veranlassen.
Aktuell nehmen 28 an Universitätskliniken bestehende hochqualifizierte Zentren an dem Modellvorhaben teil. Weitere Zentren können beim GKV-Spitzenverband eine Teilnahme beantragen und erhalten diese zum 1. Januar 2026, wenn sie die Qualitäts- und Strukturvoraussetzungen erfüllen. Bis zum Jahresende, so der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Georg Kippels, sollen 10.000 Patienten von dem Modell profitieren, insgesamt könnten es während der mindestens fünfjährigen Laufzeit mehr als 100.000 sein. Etwa 60 Prozent der bislang eingeschlossenen Patienten sind von einer noch nicht diagnostizierten Seltenen Erkrankung betroffen. Nach Berichten aus den Zentren konnten laut Kippels meist bei jedem zweiten Kind, in manchen Zentren bis zu 75 Prozent der Kinder, aufgrund der erweiterten Gendiagnostik ein wesentlicher Beitrag zur Diagnosefindung gewonnen werden.
Neben der Eröffnung erweiterter Diagnosemöglichkeiten im konkreten Fall ist das Modellvorhaben mit ehrgeizigen wissenschaftlichen Zielen verbunden: Aufgrund jährlicher Erfahrungsberichte an das Bundesgesundheitsministerium und aufgrund einer umfassenden Evaluation am Ende 2029 soll auf Basis guter Evidenz entschieden werden können, ob die Ganz-Genom-Sequenzierung als Regelleistung der GKV aufgenommen werden soll. Unter Umständen, so Kippels, sei die Ausweitung auch auf andere Erkrankungen wie oder denkbar.
Essentieller Bestandteil des Modellvorhaben ist eine inzwischen entstehende, aber sich ständig erweiternde Datenplattform-Struktur in der Verantwortung des Bundesinstituts für Arzneimittel, in der klinische und genomische Patientendaten, ab 2026 auch Daten aus der zusammenfließen. Zusammen mit der Verknüpfung von Daten aus klinischen Krebsregistern wird damit nach der Erwartung der Freiburger Bioinformatikerin Professor Melanie Börries eine neue Qualität von Forschungsdaten gewonnen mit Aussicht auf die Entwicklung neuer Therapieansätze für die personalisierte Onkologie. Diese neue Dateninfrastruktur erlaube die Chance, epidemiologische Studien zu initiieren, erleichtere aber auch die Rekrutierung von Probanden für gezielte Fragestellungen. Ebenso werde es möglich sein, künftig gezielt nach Patienten zu suchen, deren Krankheitsausprägungen sehr ähnlich seien („patient like mine“), und daraus zu lernen.
Nach Einschätzung von Jens Bussmann, Generalsekretär des Verbandes der Universitätsklinika, kann genom.DE zu einer Blaupause dafür werden, wie komplexe und mit hohen finanziellen Risiken verbundene Innovationen künftig in die Regelversorgung der GKV überführt werden können. Die wissensgenerierende Versorgung – und die damit einhergehende systematische Erhebung von Daten – ermögliche eine evidenzbasierte Entscheidung. Das schaffe eine neue Vertrauenskultur zwischen Forschung, Wissenschaft und Kostenträgern.