Neue Therapiehoffnungen für Autoimmunerkrankungen

Die Lupus-Behandlung mit der CAR-T-Zell-Therapie markiert einen Durchbruch bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Prof. Julia Weinmann-Menke von der Universitätsmedizin Mainz erklärt im Interview die Anwendung.

Interview mit Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke

esanum: Frau Prof. Weinmann-Menke, es ist für Sie und Ihre Kolleginnen ein großer Erfolg, dass Sie die erste Lupus-Patientin erfolgreich mit der CAR-T-Zell-Therapie behandeln konnten. Was ist das Besondere an dieser Leistung? Was gibt es zu feiern?

Prof. Weinmann-Menke: Es ist eine neuartige Therapie für den SLE, die zum ersten Mal in einer Studie angewendet wurde. Bislang hatten wir keine heilenden Medikamente zur Verfügung. Wir können die Erkrankung nur unterdrücken und zeitweise ruhig stellen. Jetzt haben wir die Hoffnung, die Erkrankung wirklich zu heilen bzw. eine dauerhafte Remission zu erreichen. Die Erwartung ist, dass die Patientin künftig therapiefrei leben kann. Es geht dieser Patientin jetzt gut. Sie ist immunsuppressionsfrei. Ob das lebenslang so sein wird, wissen wir natürlich noch nicht. Unsere Patienten sind ja alle jung, also zwischen 20 und 40 Jahren alt. Ob sie mit 80 immer noch symptomfrei sind, das ist die große, spannende Frage. 

esanum: Könnten Sie uns etwas über den Therapie-Verlauf und die Ergebnisse des Einsatzes bei Ihrer Patientin berichten?

Prof. Weinmann-Menke: Das ist ein längerer Prozess. Für unsere Studie muss eine aktive Lupus-Erkrankung vorliegen. Voruntersuchungen sollen ausschließen, dass ein zu hohes Risiko eingegangen wird, dass also keine anderen Erkrankungen vorliegen. Erst dann erfolgt die Leukapherese. csm_2024_01_24_PM_CAR-T-Zell_Therapie_Lupus_Foto_Peter_Pulkowski_3e70c0c5ca.jpgDas bedeutet, dass wir die weißen Blutkörperchen aus dem Blut herausfiltern, einfrieren und in die USA verschicken. Dort werden sie verändert, indem sie einen veränderten T-Zell-Rezeptor bekommen, und damit die sogenannte CAR-T Zelle entsteht. Und nachdem die Patientin eine ablative Chemotherapie erhalten hat, die möglichst viele T- Zellen zerstört, werden die veränderten weißen Blutkörperchen (CAR-T-Zelle) wieder hinzugefügt. Es dauert dann eine Zeit, mindestens 14 Tage, bis sie sich wieder ausreichend vermehrt haben. In dieser Zeit gibt es ein hohes Risiko für Infektionen. Unsere Patientin Nummer eins hat alles sehr gut durchlaufen und wir sind begeistert, wie gut es ihr geht.

esanum: Anhand welcher klinischen Kriterien wählen Sie potenzielle Kandidaten für die CAR-T-Zell-Therapie bei SLE aus? 

Prof. Weinmann-Menke: Wir haben ja in unserem eigenen Patientenkollektiv sehr viele Lupus-Patienten. Es kommen derzeit nur therapierefraktäre Patienten infrage, die auf mehrere andere Therapien nicht angesprochen haben. Voraussetzung ist ein aktiver systemischer Lupus erythematode mit Organbeteiligung, also einer Nieren-, Herz-,Lungenbeteiligung oder Gefäßbeteiligung. Und es müssen mindestens zwei aggressive, immunsuppressive Therapien erfolglos gewesen sein.

esanum: Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es? 

Prof. Weinmann-Menke: Eigentlich ist es eine sehr gut verträgliche Therapie. Aber sie ist so neu, dass wir nun erst einmal beobachten müssen, was langfristig passiert. Darüber werden die Patienten natürlich aufgeklärt. Da sie aber in einer ausweglosen Situation sind, sagen sie sich: Ich versuche lieber etwas Neues, was mich hoffentlich heilt, als weiter zu leiden und schwere Einschränkungen zu ertragen. Es ist für viele schon ein Erfolg, wenn sie längere Zeit ohne Immunsuppression leben können und die Erkrankung zur Ruhe kommt. 

Während der Therapie besteht ein hohes Infektrisiko (viral als auch bakteriell). Dagegen werden die Patienten mit verschiedenen prophylaktischen Therapien geschützt. Weitere Nebenwirkungen sind aktuell noch nicht klar zu benennen. Allerdings gab es vor zwei Jahren  in Erlangen bereits eine experimentelle CAR-T-Zell-Anwendung bei Lupus-Patienten. Und diesen Patienten geht es bis heute gut.

esanum: Welche Rolle spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit?

Prof. Weinmann-Menke: Eine sehr große. Wir arbeiten natürlich sehr eng mit dem Zentrum für zelluläre Immuntherapie und Stammzelltransplantation der Universitätsmedizin unter der Leitung von Frau Dr. Wagner-Drouet  zusammen. Ohne ihre Expertise bei der Leukapherese, der ablativen Chemotherapie, Verabreichung der CAR-T-Zellen und Mitbetreuung der Patienten könnten wir eine solche Studie nicht durchführen. Sowie auch umgekehrt, diese Experten ohne uns Nephrologen/Rheumatologen mit der Erfahrung in der Behandlung des SLE eine solche Studie nicht durchführen könnten.

esanum: Wird die CAR-T-Zell-Therapie auch für andere Autoimmunerkrankungen zugänglich gemacht und weiterentwickelt?

Prof. Weinmann-Menke: Natürlich ist die Therapie auch für andere Autoimmunerkrankungen ein sehr interessantes Konzept. Es werden jetzt weitere Studien aufgesetzt - die meisten erst einmal für die Lupus Nephritis, weil das die Erkrankung ist, die die Lebenserwartung am meisten einschränkt. Aber wenn es beim Lupus funktioniert, kann man durchaus annehmen, dass es auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wirkt - so etwa bei der Sklerodermie oder bei der rheumatoiden Arthritis. Das werden die nächsten Jahre zeigen. Und dann wissen wir inzwischen auch mehr über Langzeiteffekte oder Nebenwirkungen.

Kurzbiografie Julia Weinmann-Menke

Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke ist Stellvertretende Direktorin/Leiterin der Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation der 1. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz.

Rare Disease Day

230124-Rare-Disease-Day-Bann..Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.