Fallvorstellung: Ein besonderer Patient

Ein 58-jähriger Patient leidet seit 1995 unter einer linksseitigen Trigeminusneuralgie. Nach erfolgloser Janetta-OP und Thermokoagulation hatte er zahlreiche medikamentöse Behandlungsversuche hinter sich gebracht. Alle Ansätze verliefen frustran. Im Januar 2017 erfolgte schließlich die stationäre Aufnahme.

Botulinumtoxin als sinnvolle Therapieoption bei Trigeminusneuralgie

Ein 58-jähriger Patient leidet seit 1995 unter einer linksseitigen Trigeminusneuralgie. Nach erfolgloser Janetta-OP (2004/2008) und Thermokoagulation (2013/2014) hatte er zahlreiche medikamentöse Behandlungsversuche, z. B. mittels Baclofen und Pregabalin, hinter sich gebracht. Alle Ansätze verliefen bisher frustran. Im Januar 2017 erfolgte schließlich die stationäre Aufnahme, nachdem der Patient seit sechs Monaten über Schmerz-Exazerbationen klagte.

Bei der Vorstellung im Krankenhaus berichtete der Patient von etwa 10–60 Attacken pro Stunde und gab die Schmerzintensität mit 8/10 an. Die Schmerzanfälle ließen sich regelmäßig beim Zähneputzen, bei der Rasur, beim Sprechen sowie durch Berührung auslösen. Als Triggerzonen fungierten dabei vornehmlich die linke Oberlippe und die linke Augenbraue.

Die weitere Untersuchung des Mannes ergab eine Hyperurikämie, arterielle Hypertonie, Hyperthyreose sowie eine leichte Hepatopathie, sehr wahrscheinlich aufgrund der sonographisch bestätigten initialen Steatosis hepatis. Der Alkoholkonsum wurde mit 2–3 Bier pro Tag angegeben.

Aktuell nahm der Mann die folgenden Medikamente ein:

Die erste Maßnahme in der Klinik bestand in der Umstellung des Patienten von Carbamazepin auf Oxcarbazepin und einer Aufdosierung bis 1800 mg/d. Unter diesem Regime kam es zu einer Besserung der Schmerzintensität (5/10), die Anzahl der Attacken blieb jedoch unverändert bei 10–60 pro Stunde. Der γGT-Wert lag bei 1200 U/l und der Patient litt zunehmend unter Schwindel, ausgeprägter Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Was nun?

Botulinumtoxin als Alternative bei Trigeminusneuralgie

Aus Studien geht hervor, dass im besonderen Fall eine Injektion von Botulinumtoxin A in das betroffene Gesichtsareal zu einer Besserung der Trigeminusneuralgie führen kann. So erhielt der Patient im Februar 2017 eine Injektion mit Botulinumtoxin A (Dysport® 200 E) in V2 links , verteilt auf 15 Einzelinjektionspunkte. Die Triggerzone "linke Oberlippe" wurde ebenfalls mit einbezogen.

Bei der Wiedervorstellung berichtete der Patient von einer deutlichen Verbesserung seiner Symptomatik. Spontane Attacken traten nicht mehr auf und selbst die getriggerten Attacken waren weniger häufig. Die Schmerzintensität nahm auf 1–2/10 ab. Die einzige nennenswerte Nebenwirkung, die im Rahmen der Behandlung auftrat, war die deutliche Gesichtsasymmetrie, welche den Patienten sehr störte.

Erfreulicherweise konnten zusätzlich zur abnehmenden Schmerzsymptomatik auch die Medikationen zurückgefahren werden – Oxcarbazepin von 1800 mg/d auf 1200 mg/d und Pregabalin von 300 mg /d auf 225 mg/d.

Nach erfolgreich gestelltem Einzelfallantrag bei der zuständigen Krankenkasse erhielt der Patient eine neuerliche Injektion nach drei Monaten, dieses Mal mit Botox® 50 E. Das erklärte Ziel dabei war, nicht nur die Schmerzen weiterhin zu reduzieren, sondern vor allem auch die orale Schmerzmedikation weiter verringern zu können.

Versagen der Botox®-Therapie in unteren Dosierungen – und dann?

Im weiteren Behandlungsverlauf bekam der Patient sechs weitere Zyklen mit Botox®, was in einer weiterhin guten Schmerzreduktion resultierte. Jedoch störte sich der Patient zunehmend an der Gesichtsasymmetrie. Die orale Schmerzmedikation konnte weiter abgesenkt werden, worunter sich schließlich auch die Leberwerte deutlich verbesserten.

Aufgrund der Gesichtsasymmetrie wurde ein Versuch gemacht, die Konzentration des Botulinumtoxins auf 25 E abzusenken. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Es kam wieder zu vermehrten schmerzhaften Attacken, woraufhin der Patient seine orale Medikation erhöhen musste, was allerdings keine Linderung brachte. Ebenso scheiterte der Versuch, Botox® anschließend wieder auf 50 E zu erhöhen.

Da der Patient zu diesem Zeitpunkt, im August 2018, zudem unter einer Hüftkopfnekrose litt, welche operativ angegangen werden sollte, wichen die behandelnden Schmerzmediziner auf Pimozid als kurzfristige Überbrückungstherapie aus, um den Patienten OP-fähig zu halten. Mit dem hochpotenten Neuroleptikum Pimozid besserten sich die Schmerzsymptome des Patienten rasch, sodass dieser sich der Operation unterziehen konnte.

Fazit für die Praxis

Quelle:
Sondersitzung "Nightmares & Sweet dreams", Schmerzkongress, 20.10.2018, Mannheim.