Ist Oxytocin mehr als nur "das Kuschelhormon"?

Oxytocin regt den Milchfluss aus den Brustdrüsen an, sorgt für einen friedlicheren Umgang miteinander und könnte wohl auch – so aktuelle Studien – die Schmerzwahrnehmung beeinflussen.

Oxytocin ist ein "prosoziales" Hormon, könnte aber ebenso an der Schmerzhemmung mitwirken. 

Oxytocin regt den Milchfluss aus den Brustdrüsen an, sorgt für einen friedlicheren Umgang miteinander und könnte wohl auch – so aktuelle Studien – die Schmerzwahrnehmung beeinflussen.

Oxytocin ist der "Sozial-Booster" des Körpers. Ein Leben lang fördert dieses kleine Peptidhormon das Sozialverhalten, schafft Bindungen zu anderen Menschen. Seine Wirkung beginnt bereits nach der Geburt bei der Ausbildung der Mutter-Kind-Beziehung, später dann spielt es eine Rolle bei Freundschaften und in der Paarbindung.

Experimente an Ratten haben gezeigt, dass Oxytocin das soziale Verhalten der Tiere fördert, und dass die Freisetzung des Hormons im Rattenhirn Angstsymptome lindern kann. Darüber hinaus wirken sogenannte kleine  Oxytocin-Neurone auf die bereits bekannten großen Oxytocin-Neurone im Hypothalamus ein und regulieren auf diese Weise deren Oxytocin-Ausschüttung über die Hypophyse. Bei Schmerzen sind die kleinen Neurone sehr aktiv und regen die Oxytocinfreisetzung über die großen Oxytocin-Neurone an, was letztlich die Schmerzwahrnehmung verringert.

Die bio-psycho-sozialen Komponenten der Schmerzhemmung durch Oxytocin

Schmerz ist in erster Linie die Wahrnehmung der Reizung bestimmter Rezeptoren. Je nach den äußeren Umständen kann sich Schmerz qualitativ wandeln, weil sich vor allem die Schmerzwahrnehmung dadurch verändert. Die Psyche beeinflusst in großem Maße das Schmerzempfinden eines Menschen.

Daher verwundert es kaum, wenn Studien an menschlichen Probanden beschreiben, dass psychischer Stress und soziale Ausgrenzung ähnliche Hirnareale anregen wie körperliche Schmerzen. Wird Menschen hingegen ein Bild von Freunden oder dem Partner/der Partnerin gezeigt, verspüren sie im Experiment weniger Schmerzen.

Oxytocin verstärkt die emotionale Bindung, weshalb Stress und Schmerzen weniger stark wahrgenommen werden. Jedoch ist dieser Effekt lediglich aus Beobachtungen bekannt. Ein direkter Effekt des "Kuschelhormons" auf die Schmerzwahrnehmung konnte bisher noch nicht in Studien belegt werden. Auf der anderen Seite scheinen selbst schon kleinere Gesten, wie beispielsweise das Händehalten, zu einer Symptomverbesserung bei Schmerzpatienten zu führen.

Oxytocin verstärkte solche Effekte zuverlässig. Allerdings, und das sollte stets beachtet werden, ist es keinesfalls unwichtig, wer eine solche Berührung vornimmt. Mit Freunden oder dem Partner wurde die stärkste Förderung beschrieben. Hinzu kommt, dass Oxytocin, wenn es z. B. über Sprays von außen zugeführt wird, nicht nur positive Wirkungen entfaltet, sondern ebenso negative Erfahrungen verstärken kann. Daher gilt: Vor der medikamentösen Therapie sollte eine Paartherapie unter Einbeziehung des Partners versucht werden.

Fazit

Oxytocin scheint ebenso auf die Schmerzwahrnehmung des Menschen Einfluss zu nehmen. Am stärksten ist die schmerzlindernde Wirkung bei Nähe oder Berührungen durch den Partner/die Partnerin. Dies zeigt, dass gerade die psycho-sozialen Komponenten des Schmerzes beispielsweise über eine Paartherapie positiv beeinflussbar sind. Ist eine stabile, oxytocinreiche Partnerschaft als Schmerzmittel denn keine angenehme Vorstellung?

Quelle:
Symposium "Oxytocin – mehr als ein Kuschelhormon", Schmerzkongress, 19.10.2018, Mannheim.