Brustkrebs: Durch Genexpressionstest EndoPredict zwei Drittel weniger Chemotherapien

Ist der genetische Prognosetest EndoPredict die Antwort auf eine präzisere Behandlungsentscheidung bei Brustkrebs? Wie kann dieser Test Patientinnen vor Über- oder Untertherapie bewahren und welche Rolle spielt er für die Prognose von Brustkrebs?

Präzisere Entscheidungen und Schutz vor Über- oder Untertherapie

esanum: Frau Prof. Kiechle, der genetische Prognosetest EndoPredict erspart bekanntlich vielen Patienten eine zytostatische Therapie. Aber wie geht man vor, wenn zwar auf der genetischen Ebene ein hohes Risiko für ein Rezidiv oder ein Fortschreiten der Erkrankung besteht, klinisch aber nicht damit zu rechnen ist?

Prof. Kiechle: Man ist als Ärztin geneigt, in Zweifel doch lieber sicher zu gehen, wenn die klinische Entscheidung nicht ganz eindeutig ist - sodass viele eine Chemotherapie-Empfehlung bekommen, die eigentlich gar nicht davon profitieren. Das kann man mit dem Genexpressionstest jetzt viel präziser entscheiden. Es gibt Fälle, wo die klinische Einschätzung keine Chemotherapie nahelegt oder im Gegenteil eine Chemotherapie empfehlenswert erscheint - aber der Genexpressionstest lehrt in beiden Fällen genau das Gegenteil. Das bedeutet, dass diese Tests die Patientin vor einer Über- oder Untertherapie bewahren können. Konkret heißt das: zwei Drittel der Patientinnen werden in eine niedrigere Risikogruppe einsortiert und ein Drittel in eine Hochrisikogruppe. Zwei Drittel der Frauen werden also dadurch vor einer Übertherapie bewahrt. Allerdings profitieren auch alle anderen, weil insgesamt die Sicherheit steigt, den richtigen Therapiepfad gefunden zu haben.

Das steigert natürlich die Lebensqualität der Patientinnen und es hat auch positive gesundheitsökonomische Effekte. Denn es entfällt ja nicht nur die Chemotherapie, sondern auch die Versorgung drumherum, wie Supportivtherapien, Perrücke oder auch Arbeitsausfall. 

esanum: Ist es dafür relevant, ob die Patientin prämenopausal oder menopausal ist?

Prof. Kiechle: Das spielt keine Rolle. Der Test funktioniert in beiden Gruppen genauso gut.

esanum: Gibt es auch andere genomische Tests, die zur Risikostratifizierung bei Brustkrebs eingesetzt werden können? 

Prof. Kiechle: Ich habe die größte Erfahrung mit dem EndoPredict-Test. Aber es gibt noch drei weitere Tests auf dem Markt: Den Onkotype DX-Test, den Prosigna-Test und den MammaPrint-Test. Aus meiner Sicht lässt sich der EndoPredict-Test klinisch präzise interpretieren, weil es da nur Schwarz und Weiß gibt. Der Test diskriminiert sehr scharf zwischen Hoch- und Niedrigrisikogruppe. Beim Onkotype DX-Test gibt es beispielsweise noch ein intermediäres Risiko, welcher klinischen Interpretationsspielraum eröffnet. Eine intermediäre Risikogruppe gibt es beim Endopredict Test nicht. 

esanum: Die Bestimmung des Ki67-Index war lange Zeit wegweisend für die Prognoseabschätzung. Glauben Sie, dass genetische Tests den Proliferationsmarker in der klinischen Praxis ersetzen werden?

Prof. Kiechle: Der Proliferationsmarker sagt etwas darüber aus, wie schnell der Krebs wächst. Es ist schon lange etabliert und ist einfach und preiswert anwendbar. Wenn ich nicht die Möglichkeit habe, einen Genexpressionstest zu machen, dann nutze ich den Proliferationsmarker. Aber die Genexpressionstests schlagen diesen Marker. Es gibt Fälle, bei denen der Ki67-Wert hoch ist, der Krebs also angeblich schnell wächst und schnell Metastasen setzt, aber der EndoPredict-Wert ist niedrig. Es gibt auch Ki67-Fälle mit ganz niedriger Expression und die Patientinnen bekommen trotzdem relativ schnell ein Rezidiv. Die wahre Prognose korreliert eher mit EndoPredict als mit Ki67. Auch die Wahrscheinlichkeit, Fernmetastasen zu entwickeln, kann der EndoPredict-Test besser vorhersagen.

esanum: Ki67 vs. EndoPredict ist also klar entschieden,  wann sollte  der altbekannte Proliferationsmarker überhaupt noch zum Einsatz kommen?

Prof. Kiechle: Eigentlich  nur dann, wenn ich keine Möglichkeit habe, einen Genexpressionstest einzusetzen.

esanum: Was ist das eigentliche Fazit ihres Vortrags?

Prof. Kiechle: Lange wurde bemängelt, dass prospektive Daten zum EndoPredict-Test fehlen. Jetzt legt die TU München, Klinikum rechts der Isar, neue prospektive Real World-Daten vor, die wir ganz ohne Industriefinanzierung erstellt haben. Die Daten von 400 Brustkrebs-Patientinnen mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von achteinhalb Jahren bestätigen, dass wir mit dem EndoPredict-Test all die Frauen definieren können, die mit alleiniger Antihormontherapie eine exzellente Prognose haben. Die wichtigste Nachricht ist also: wenn sie ein hohes Risiko haben, dann sollten sie unbedingt eine Chemotherapie machen. Das heißt, die Frauen haben dann auch einen hohen Nutzen von der Chemotherapie, wenn sie aufgrund des EndoPredict-Tests in eine Hochrisiko-Gruppe eingeordnet wurden. Unsere Daten zeigen auch: wenn Frauen aufgrund ihres Test-Ergebnisses eine Chemotherapie-Empfehlung bekommen, diese aber nicht angenommen haben, war ihre Prognose signifikant schlechter. Damit konnten wir auch zeigen, dass der Endopredict Test auch den Nutzen einer Chemotherapie anzeigt.

Kurzbiografie Prof. Marion Kiechle

Univ.-Prof. Dr. med. Marion Kiechle ist Klinikdirektorin und Leiterin des Interdisziplinären Brustzentrums an der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde der Technischen Universität München. Ihr Forschungsschwerpunkt in der gynäkologischen Onkologie sind erbliche Krebserkrankungen der Frau.

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