Die Rolle der ICG-Angiographie in der COVID-19-Diagnostik –Teil 2

Vor Kurzem haben wir eine prospektive, monozentrische Kohortenstudie einer Forschungsgruppe des französischen Hospital Rothschild in Paris kennengelernt. Mittels Indocyaningrün-Angiographie (ICGA) und optischer Kohärenztomographie wurden die Patient:innen auf Gefäßanomalien untersucht. Im heutigen Beitrag gehen wir im Detail auf den Inhalt dieser spannenden wissenschaftlichen Studie ein.

Mit Indocyanin Grün COVID-19 auf der Spur

Vor Kurzem haben wir eine prospektive, monozentrische Kohortenstudie einer Forschungsgruppe des französischen Hospital Rothschild in Paris kennengelernt. Mittels Indocyaningrün-Angiographie (ICGA) und optischer Kohärenztomographie wurden die Patient:innen auf Gefäßanomalien untersucht. Im heutigen Beitrag gehen wir im Detail auf den Inhalt dieser spannenden wissenschaftlichen Studie ein. 

Bei der Analyse der ICG-Aufnahmen wurde auf eine Hyperpermeabilität der Aderhautgefäße und auf ein Staining geachtet. Die Leakage der choroidalen Gefäße war durch Hyperfluorezenzbereiche in der ICG-Angiographie erkennbar gewesen. Sie trat bereits in der frühen und mittleren Phase dieser Untersuchung auf. Das Staining wurde als ausgeprägte Fluoreszenz der dilatierten Venenwände definiert, welches bis in die Spätphase der ICG-Angiographie anhielt. Die pinpoint Leakage zeigte sich sowohl in der mittleren Phase als auch in der Spätphase der Untersuchung. Intervortex-Shunts waren zwischen dem superonasalen, superotemporalen, inferonasalen und inferotemporalen Vortexvenensystem darstellbar gewesen. In allen Phasen der ICG-Angiographie waren pinpoints in Form hyperfluoreszenter Spots erkennbar. Diese entsprachen kleinen dilatierten choroidalen Gefäßen. Die pinpoints konnten bereits in der Frühphase der ICG-Angiographie nachgewiesen werden und zeigten kein "washout"-Phänomen in der Spätphase. 1

Der Großteil der Augen besaß Pachyvessel 

Die mittlere Aderhautdicke lag bei 265,3 ± 73,3 µm und die mittlere Netzhautdicke im Makulabereich bei 273,4 ± 26,7 µm. Der choroidale Gefäßindex betrug 69 ± 2,7%.  Mit der Indocyaningrün-Angiographie ließen sich bei 68% der Patient:innen hypofluoreszierende Flecken, bei 36% Intervortex-Shunts und bei 18% "Hämangiom-ähnliche" Läsionen darstellen. Fast bei 90% der Augen ließen sich Pachyvessel nachweisen. Choroidale Kavernen kamen bei 21% der Patient:innen vor. Auch in der OCT-Diagnostik ließen sich einige Besonderheiten darstellen: Fokale Aderhautverdickungen waren bei 25% der Patient:innen darstellbar und Kavernen bei 21%. 4% der Augen litten unter einer parazentralen akuten mittleren Makulopathie (PAMM).1

SARS-CoV-2 hinterlässt seine Spuren in der Aderhaut

Die mittels optischer Kohärenztomographie gemessenen OCT-Anomalien wurden im B-Scan der optischen Kohärenztomographie sowie in der Indocyaningrün-Angiographie wie folgt klassifiziert: 
1.choroidale Kaverne
2. fokale Aderhautverdickung 
3. Pachyvessel


Abbildung 1: In den beiden OCT-Aufnahmen ist eine choroidale Kaverne im Aderhautbereich (gelber Pfeil) erkennbar. Sie zeichnet sich durch eine interne Hyporeflexion aus. In der ICGA stimmt diese choroidale Kaverne strukturell nicht mit einem Aderhautgefäß überein. Unterhalb dieser Kaverne stellt sich ein charakteristisches Hypertransmissionssignal (blaue Pfeile) dar. Bildquelle1

Die fokalen Aderhautverdickungen sind als eine Zunahme der Aderhautdicke um ≥ 50 µm definiert. Die Angabe der Größenzunahme erfolgt im Vergleich zur angrenzenden Choroidea. Bei einem Pachyvessel handelt es sich um ein über 200 µm großes Gefäß mit hyperreflektierenden Gefäßwänden. Dieses ist in der Haller'schen Schicht im Bereich der Makula anzutreffen.


Abbildung 2: In der Indocyaningrün-Angiographie sind in der intermediären Phase erweiterte Aderhautgefäße mit Pinpoints erkennbar (gelbe Pfeile). Die hypofluoreszierenden Flecken sind mit den roten Pfeilen markiert. Bildquelle1


Abbildung 3: In der Indocyaningrün-Angiographie lässt sich ein Intervortex-Shunt (gelbe Pfeile) zwischen dem superotemporalen und inferotemporalen Vortexvenensystemen abbilden. Bildquelle1

Die Forschungsgruppe konnte eine weitere morphologische Besonderheit mittels Indocyaningrün-Angiographie und OCT-Diagnostik nachweisen: Die ,"hämangiomähnlichen" Läsionen sind in der Abbildung 4 dargestellt.


Abbildung 4: In der intermediären Phase der Indocyaningrün-Angiographie und in der optischen Kohärenztomographie "hämangiomähnliche" Läsionen erkennbar. Bildquelle1

Der schmale Grad zwischen Hypoperfusion und Thromboembolie

Eine Hypoperfusion der Choriocapillaris ließ sich bei 68% der Augen nachweisen. In der ICG-Angiographie waren hypofluoreszierende persistierende Läsionen erkennbar gewesen. Bestätigt wurde dies durch die OCT-Diagnostik. Die vaskuläre Beteiligung könnte eine direkte oder auch indirekte Folge der SARS-CoV-2-Infektion sein. Den Pathomechanismus dahinter könnte man sich wie folgt vorstellen: Ein Virus-induzierter endothelialer Zelltod, eine dysregulierte Immunreaktion mit ausgeprägter Endotheliitis und eine neutrophile Infiltration könnten zusammen in thromboembolischen Ereignissen resultieren. Eine wichtige Rolle hierbei spielen sicher auch eine verlängerte aktivierte partielle Thromboplastin- (aPTT) und Prothrombinzeit (PT), eine Thrombozytopenie, erhöhte D-Dimere sowie das Vorhandensein von hyalinen Thromben. Die mit COVID-19 assoziierte Veränderung der Gerinnungskaskade wird mit einer Schädigung der endothelialen Glykokalyx in Verbindung gebracht. Die endotheliale Glykokalyx ist ein essentieller Baustein der vaskulären Barriere und sorgt für den kolloidosmotischen Gradienten in den Blutgefäßen. Sie schützt das Endothel vor oxidativem Stress, vor Scherrstress, reguliert den mikrovaskulären Tonus sowie die Leukozytenadhäsion. Das erhöhte Thromboserisiko bei COVID-19-Patient:innen korreliert mit erhöhten Werten für die Biomarker Syndecan-1, Hyaluronsäure und Heparansulfat. Dies sind alles Bausteine der endotheliale Glykokalyx, die durch ihre Degradation in den Blutstrom freigesetzt werden. Interessanterweise lag der Mittelwert der Fibrinogenwerte zum Zeitpunkt der Aufnahme bei 5,4 ± 2,6 g/L. Die Fibrinogenwerte unterschieden sich nicht zwischen den Patient:innen mit und ohne OCT-Anomalien bzw. Auffälligkeiten in der ICG-Angiographie. Bei 36% der Patient:innen kam es zu neurologischen Komplikationen. Zu diesen gehörten die Dekompensation der Myasthenia gravis, die idiopathische zerebrale Hypertonie, das intraparenchymatöse zerebrale Hämatom und Apoplex.1 

Die Aufklärung des Pathomechanismus hinter den unterschiedlichen Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion schreitet aktuell rasant voran. Wir warten gespannt auf neue Forschungsergebnisse und innovative Therapiekonzepte. 

Referenzen:
1. Abdelmassih Y. et al. (2021). COVID-19 associated choroidopathy. J Clin Med 2021;10:4686.